Kepler, Kafka, Jesulein und Vivaldi: Prager Stadttourismus kommt Interessen der Besucher entgegen
Was zieht ausländische Besucher nach Prag? Das ist eine der Fragen, auf die die Fremdenverkehrs-Agentur Prague City Tourism eine Antwort gesucht hat. Aus diesem Grund hat die Agentur bei der tschechischen Akademie der Wissenschaften eine sozialwissenschaftliche Untersuchung in Auftrag gegeben. Jana Adamcová ist stellvertretende Vorsitzende von Prague City Tourism. Martina Schneibergová hat mit ihr über das Thema gesprochen.
Frau Adamcová, was war der Beweggrund für die Forschungen, an denen sich im Auftrag von Prague City Tourism elf Institute der Akademie der Wissenschaften beteiligt haben?
„In den europäischen Rankings von Touristenausgaben in den Städten liegt Prag derzeit weit zurück. Amsterdam nimmt beispielsweise doppelt so viel wie Prag je Besucher ein. Wir zielen daher nun auf eine anspruchsvolle Kundschaft, die höhere Einnahmen generiert. Deshalb haben wir zusammen mit der Akademie der Wissenschaften 100 Narrative – also Storys – identifiziert. Es sind Themen, die die Besucher, die aus zehn unterschiedlichen Regionen kommen, wirklich ansprechen. Wir haben beispielsweise nicht gewusst, dass ein berühmter polnischer Marschall eine tschechische Mutter hatte. Er hieß Poniatowski (1763-1813, Anm. d. Red.) und war sehr beliebt. Für die Amerikaner dürfte interessant sein, dass der Hollywood-Star Heddy Lamar in Prag berühmt geworden ist – dank dem Film ,Extase‘. Die Italiener werden bestimmt interessant finden, dass Vivaldi in Prag seine ‚Vier Jahreszeiten‘ komponierte oder dass Verdis Muse (Teresa Stolz, Anm. d. Red.) aus Prag stammte.“
Was könnte deutsche oder deutschsprachige Touristen in der tschechischen Hauptstadt besonders ansprechen?
„Natürlich steht Franz Kafka an erster Stelle. Aber wir möchten auch über weitere Deutsch schreibende Schriftsteller sprechen und auch über die Orte, die diese aufgesucht haben. Sehr amüsant fanden wir, dass Goethe viele Jahre lang plante, Prag zu besuchen, aber seine Pläne nie verwirklicht hat. Für Deutsche kann zweifelsohne bedeutend sein, dass Johannes Kepler seine Forschungen in Prag durchführte.“
Was passiert jetzt mit den Erkenntnissen, die die Forscher zusammengetragen haben?
„Wir kreieren eine neue Website und App. Wenn sich jemand als Spanier oder als Deutscher identifiziert, wird ihm das entsprechende Narrativ gezeigt. Ein Spanier wird zuerst über das Prager Jesulein lesen, ein Deutscher über Kafka und ein Amerikaner über die Amerikanische Bar im Prager Repräsentationshaus. Das war damals die erste Bar in Prag, die Frauen auch ohne Begleitung besuchen konnten.“
Wie viele Quellenmärkte – also Regionen, aus denen die Touristen kommen – hatten Sie bei den Forschungen im Fokus?
„Wir hatten zehn Quellenmärkte im Fokus, also zehn Länder, aus denen die meisten Besucher nach Prag kommen. Dazu gehören Deutschland, Polen, Frankreich, Italien und Südkorea.“
Kommen die meisten ausländischen Prag-Besucher aus Deutschland?
„Ja, Deutschland ist seit vielen Jahren der Quellenmarkt Nummer eins. 2019 haben mehr als zwei Millionen deutsche Touristen Prag besucht. Deutschland ist für uns der stärkste Markt.“
Wissen Sie, wie lange diese Besucher in Prag bleiben?
„Deutsche Touristen bleiben im Durchschnitt etwas über drei Tage in der tschechischen Hauptstadt. Die Zahl der Besucher aus Deutschland steigt jedes Jahr.“
Was ist für diese Touristen bei der Wahl ihres Reiseziels am wichtigsten?
„Für Deutsche ist die Natur am interessantesten und an zweiter Stelle die Kultur. Ich denke, dass dies mit der Corona-Zeit zu tun hat. Denn viele Touristen suchen nach Aktivitäten im Freien.“
Gibt es neben der Natur und Kultur einen weiteren Magnet für die Besucher aus Deutschland?
„Deutsche Touristen geben viel Geld für die Gastronomie aus. Ähnlich ist es bei den Besuchern aus weiteren europäischen Ländern wie Frankreich oder Italien.“
Können die Touristen bei Ihrer Agentur eine thematische Führung bestellen – beispielsweise auf den Spuren der Schriftsteller?
„Ja. Wir organisieren spezielle Spaziergänge auf Franz Kafkas Spuren. Aber wir können auch je nach Wunsch maßgeschneiderte Führungen anbieten.“