Kinderboom in Tschechien?
Geburtskliniken platzen aus allen Nähten! So titelt die Montagsausgabe der linksliberalen Tageszeitung Pravo. Mit der Frage, warum dem so ist wandte sich Jitka Mladkova an einen Sachkundigen:
"Ich glaube nicht, dass dies auf Argumente aus der Sexualwissenschaft zurückzuführen ist. Der Sex wird hierzulande viel mehr aus Lustgründen praktiziert und weniger mit dem Ziel, Kinder zur Welt zu bringen. Meiner Meinung nach reflektiert dieser Trend verschiedene Umwandlungsprozesse bei uns in den letzten Jahren. Der vorherige anhaltende Rückgang der Geburtsraten musste stehen bleiben - viele Frauen haben sich entschlossen, letztlich doch Kinder zu haben."
Und dies sei eher das Resultat der längeren Abende bzw. Nächte im Herbst und Winter. Nicht, wie in der Presse spekuliert wird, der heiße Sommer des Vorjahres habe den Motor für Sexualaktivitäten vieler Menschen gestartet. Dr. Prochazka zufolge könnte man die aktuelle Entwicklung zum Teil auch durch einen natürlichen Grund erklären: die Geburtsraten schwankten gewöhnlich im Laufe des Jahres. Seit eh und jeh kämen mehr Kinder im Frühjahr bzw. im Sommer zur Welt, weniger im Winter, als die Chancen fürs Überleben in früheren Zeiten wesentlich geringer waren. Dr. Prochazka kann sich aber mit einer anderen, eher pragmatischen Ursache identifizieren, die in den 70er Jahren vorigen Jahrhunderts zu suchen ist. Die damalige kommunistische Staatsmacht wollte den rückläufigen Trend der Geburtsraten durch verschiedene Vergünstigungen junger Familien stoppen, was ihr auch gelungen ist. Ein Kinderboom war die Folge. Dr. Ivo Prochazka:
"Man hat hierzulande schon eine Zeitlang darauf gewartet, dass sich der Kinderboom der 70er Jahre bemerkbar macht, indem die anhaltende Senkung der Geburtsraten zumindest angehalten wird. Es kam etwas später als erwartet, nun ist die zunehmende Kinderzahl auch darauf zurückzuführen."Ein Kinderboom wäre in Tschechien wünschenswert, kann sich aber kaum wiederholen. Die Zeiten ändern sich und mit ihnen auch die Menschen selbst, könnte man sagen. Erhöhtes Kindergeld, Verlängerung des Erziehungsurlaubs und ähnliche Vergünstigungen für junge Familien, wie sie dank der sozialdemokratischen Mehrheit im neuen Kabinett Gross auch in dessen entstehender Programmerklärung festgeschrieben werden sollen, können kaum einen schlagartigen Anstieg der Geburtsraten zur Folge haben. Wie gesagt, für den erfreulichen Anstieg der Geburtsraten in Tschechien wird es wohl mehr Gründe geben. Einige erinnern sogar daran, dass in mancher Geburtsklinik ganze Abteilungen traditionsgemäß im Sommer geschlossen werden, um diese zu erneuern, zu putzen, zu reparieren, und viele schwangere Frauen dann infolgedessen in große Kliniken eingeliefert werden. Und diese wiederum, versteht sich, weisen erhöhte Geburtsraten auf.