Kirchenrestitution: Bleiben die Alten Meister in der Nationalgalerie?
Im Februar vergangenen Jahres wurde das so genannte Restitutionsgesetz hierzulande verabschiedet. Mehrere Glaubensgemeinschaften und kirchliche Institutionen fordern auf der Grundlage dieses Gesetzes die Rückgabe von einem Teil ihres Eigentums zurück, das nach 1948 verstaatlicht wurde. Das sind Immobilien, Grundstücke, Felder und Wälder, aber auch Kunstwerke. Auch die Nationalgalerie in Prag muss einige ihrer wertvollsten Bilder im Museumsbestand abtreten.
Es sind genau 34 Gesuche, die bis zum 2. Januar bei der Nationalgalerie eingegangen sind.
„Die Gesuche betreffen insgesamt 519 Statuen, Gemälde, Graphiken und Zeichnungen. Mehr als die Hälfte davon befindet sich allerdings nicht mehr in den Sammlungen der Nationalgalerie. Die Werke wurden an die jeweiligen Antragsteller im Rahmen der ersten Welle der Kirchenrestitution vor zwanzig Jahren herausgegeben, meistens in den Jahren 1993 und 1994. Nun wurde zum zweiten Mal um die Herausgabe dieser Werke ersucht.“
Die Aufmerksamkeit der tschechischen Medien konzentriert sich selbstverständlich auf Kunstwerke ersten Ranges, vor allem auf den Hohenfurther Zyklus. Das sind neun in Tempera gemalte Tafeln mit Darstellungen aus dem Leben Christi aus dem Zisterzienserkloster im südböhmischen Vyšší Brod. Sie entstanden im 14. Jahrhundert. Der Autor wird als Meister von Hohenfurth bezeichnet, er gehörte zu den wichtigsten Malern am Hofe Karls IV. in Prag. Der Hohenfurther Meister kannte als erster Künstler nördlich der Alpen nicht nur die italienische Malerei des frühen 14. Jahrhunderts, sondern wertete sie auch für seine eigenen Bilder aus. Zusammen mit Meister Theoderich von Prag überwand er mit der Übernahme italienischer Bildmotive den weichen Stil der Gotik. Diese Innovation aus Böhmen schuf die Voraussetzung für die gesamte deutsche Malerei des frühen 15. Jahrhunderts. Heute ist der Hohenfurther Zyklus im St.-Agnes-Konvent der Nationalgalerie in Prag zu sehen. Galeriedirektor Vlnas nannte noch zwei weitere Kunstwerke, deren Rückgabe zum Jahresende beantragt wurde und deren Wert mit dem des Hohenfurther Altars vergleichbar ist. In diesen Fällen zweifelt die Galerie allerdings den Anspruch der Antragsteller an. Vít Vlnas:„Die Madonna von Veveří ist ein bedeutendes Werk aus dem Umfeld des Hohenfurther Meisters. Es wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschaffen. Die Herausgabe des Bildes wurde nun vom Pfarramt in Veverská Bítýška beantragt. Vorläufig lässt sich sagen: Weder der Antragsteller noch die Nationalgalerie konnten belegen, dass das Werk während der Welle der Enteignungen noch der römisch-katholischen Kirche gehört hat. Alle Belege, die uns zur Verfügung stehen, deuten darauf hin, dass das Bild als Bestandteil der Burg und des Schlosses Veveří bereits 1925 in den Besitz des Staates übergegangen war. Damals wurden die Burg und die dazugehörigen Ländereien vom letzten Privatbesitzer an den Staat verkauft. Seit 1939 befand sich das Bild in der damaligen staatlichen Sammlung alter Kunst.“
Das zweite Bild, dessen Herausgabe gefordert wird, ist die bekannte Raudnitzer Madonna. Sie ist ein bedeutendes Werk der böhmischen Tafelmalerei aus dem 14. Jahrhundert, höchstwahrscheinlich stammt sie vom Meister von Wittingau. Das Entstehungsdatum wird in der Zeit nach 1380 vermutet. Die Raudnitzer Madonna eröffnete im Mittelalter eine Serie so genannter schöner Madonnen, die für die böhmische Kunst am Ende der Herrschaftszeit von Karl IV. und in der vorhussitischen Zeit kennzeichnend ist. (Der Einfluss des Bildes reichte aber auch über Böhmen hinaus, andernorts wurden ebenfalls Variationen der Madonna gemalt.„Dieses Bild kam im Jahr 1939 in die damalige Nationalgalerie, und zwar aus der Kirche des hl. Wenzel des Kapuzinerklosters in Roudnice nad Labem / Raudnitz an der Elbe. Das belegt ein Brief, der der Nationalgalerie zur Verfügung steht. Der Provinzialrat des Kapuzinerordens hatte damals diese Deponierung beschlossen. Das Problem liegt darin, dass nicht die Kapuziner, sondern das Pfarramt in Roudnice nad Labem jetzt um die Herausgabe des Bildes ersucht hat. Allerdings belegt das Pfarramt nicht, dass es Rechtsnachfolger der Kapuziner sei.“
Selbstverständlich befasst sich aber die Nationalgalerie zurzeit nicht nur mit der Erledigung von Restitutionsanträgen. Im Jahr 2014 sind auch zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungsreihen geplant. Ein bedeutendes Projekt sind die Veranstaltungen zum 40. Jahrestag des Brandes des Messe-Palastes in Prag. Dort ist heute die moderne Sammlung der Nationalgalerie untergebracht. Helena Musilová leitet die Sammlung:„Das Jubiläum bietet Gelegenheit, den Messe-Palast nicht nur als einen bemerkenswerten Bau zu betrachten, der selbst ein wichtiger Teil der Sammlung moderner Architektur ist. Sondern wir wollen auch die Frage stellen, wie das Gebäude die Ausstellungen und Projekte beeinflusst, die in ihm stattfinden. Wir planen über das ganze Jahr eine Serie von Veranstaltungen, im Mittelpunkt stehen aber drei Ausstellungen. Die eine präsentiert die Geschichte des Palastes vom ersten Aufruf zu dessen Bau im Jahr 1934, über das Jahr 1974, als das Gebäude am 14. August niederbrannte, bis zur Gegenwart. Die zweite Ausstellung heißt ‚Die Prager Glashölle‘ und ist direkt den Ereignissen rund um den Brand gewidmet. Die dritte Ausstellung zeigt Werke des Malers und Bildhauers Jiří Sozanský, der sich in seinem Schaffen intensiv dem Gebäude als Symbol des Untergangs oder der Erneuerung gewidmet hat.“
Ergänzt werden die Ausstellungen unter anderem durch Podiumsdiskussionen und eine Konferenz. Zudem beteiligt sich die Nationalgalerie am Jahr der tschechischen Musik, unter dem Titel „Vivat musica“ werden Werke aus fünf Jahrhunderten mit musikalischen Motiven und Themen gezeigt. Generaldirektor Vít Vlnas hebt außerdem noch ein weiteres Projekt hervor:„Die Ausstellung ‚Mach den Paradiesgarten auf - Benediktiner im Herzen Europas‘ ist das Ergebnis eines fünfjährigen Forschungsprojekts, an dem sich sieben Staaten Europas beteiligt haben. Es handelt sich um eine einzigartige Schau von Kunstwerken aus der vorromanischen und romanischen Zeit. In Prag werden Leihwerke ausgestellt, die hierzulande noch nie zu sehen waren.“