Mehr als nur Sport: Eishockey auf Bildern in der Nationalgalerie Prag
Nicht nur im Stadion selbst kommen die Eishockey-Fans dieser Tage auf ihre Kosten. Die Nationalgalerie in Prag zeigt anlässlich der Weltmeisterschaft eine Ausstellung mit dem Namen „Aufs Eis! Schlittschuhlaufen und Eishockey in der bildenden Kunst“. Sie erzählt die Geschichte der Sportart in Bildern.
Wie auf einer Eisfläche bewegen sich die Besucher durch die Säle des Kinský-Palais auf dem Altstädter Ring. Geleitet wird man von roten und blauen Linien auf weißem Boden, wodurch ein Spielfeld nachgeahmt wird. Und wenn einem die Füße wehtun, kann man sich auf einem riesigen schwarzen Sofa in Form eines Pucks ausruhen. Umgeben ist man allerding nicht von Banden und Tribünen eines Stadions, sondern von rund einhundert Kunstwerken zum Thema Schlittschuhe und Eishockey. Die Kunsthistorikerin Anna Strnadlová hat die Ausstellung kuratiert:
„Über die Verbindung von Eishockey und Kunst wurde bisher in der Forschung nur wenig reflektiert. Obwohl es ein ungewöhnliches Thema ist, das einem spontan wohl kaum einfallen würde, ist dennoch diese Ausstellung entstanden. Sie präsentiert sowohl die Geschichte dieses Sports als auch die Kunstgeschichte, sowie Momente, in denen sich diese beiden Bereiche begegnen.“
Die Erzählung beginnt im 17. Jahrhundert mit Originalbildern der niederländischen Alten Meister:
„Denn eben in den Niederlanden wurde das Schlittschuhlaufen damals dank der dortigen kalten Winter zum Alltagsvergnügen. Es begleitete Spiele sowie gesellschaftliche Veranstaltungen. Auf den Gemälden dieser Meister finden wir auch die ersten Eishockey-Stöcke sowie detaillierte Abbildungen von Schlittschuhen mit Metallkufen, die in den Niederlanden hergestellt wurden.“
Niederländische Meister: Stock und Kugel auf Eis
Eben in dem nordwesteuropäischen Land liegen nämlich die Wurzeln des Eishockeys. Unter dem Namen „Golf“ gab es dort ein Spiel, dessen Ziel es war, mit einem krummen Stock eine Kugel aus Leder oder Holz auf Eis mit möglichst wenigen Schlägen ins Ziel zu bringen. Dieses Vergnügen hätten die holländischen Maler gerne dargestellt und das oft mit Ironie und Scherz, sagt die Kuratorin:
„Wir zeigen Bilder etwa von Pieter Brueghel der Jüngere, Esaias van de Velde und ihren Nachfolgern sowie von Graveuren und Graphikern. Das Thema wurde auf idyllischen Genrebildern dargestellt und später auch in realistischeren Bildern.“
Mit der Zeit wurde das Schlittschuhlaufen auch in den böhmischen Ländern bekannt und entwickelte sich zum beliebten und geselligen Zeitvertreib. Einen Abdruck in der Kunst fand diese Vergnügung seit der Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auf der Moldau in Prag gab es viele Eisflächen, später wurden auch Wiesen in Stadtparks sowie Spielplätze am Stadtrand gewässert und als Eisflächen genutzt. Die Bilder von August Bedřich Piepenhagen, Karel Purkyně und Antonín Barvitius und im 20. Jahrhundert dann etwa von Otakar Nejedlý und Karel Holan sind in der Schau zu sehen.
„Und bei den tschechischen Künstlern bleiben wir auch in jenem Bereich der Ausstellung zum Eishockey. Uns standen genug Werke zur Verfügung, aus denen wir wählen konnten. Aber es ist offensichtlich, dass sich die Künstler vom Eishockey eher frei inspirieren ließen. Sie haben nur selten konkrete Eishockey-Ereignisse zu verarbeiten.“
Schlittschuhlaufen auf der Moldau
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde bereits richtiges Eishockey hierzulande gespielt. 1908 wurde der Böhmische Eishockeyverband gegründet, und drei Jahre später gewannen die Spieler die erste Goldmedaille bei den Europameisterschaften in Berlin. Später entwickelte sich der Kufensport zu einem Teil der tschechischen nationalen Identität. Trotzdem fand er erst relativ spät Eingang in die Kunst:
„Ich muss einräumen, dass unter den Sportarten, die in der Kunst abgebildet werden, das Eishockey keinesfalls eine führende Rolle spielt. Viel öfter kam der Fußball als Thema vor. Und es folgte das Boxen, das schon in den avantgardistischen und modernen Strömungen der Zwischenkriegszeit etwa von František Muzika auf abstrakte Weise bearbeitet wurde. Das Eishockey kommt im Schaffen vieler Künstler erst später und nur singulär vor.“
Das erste solche Gemälde, auf dem Eishockeyspieler vor dem Tor um den Puck kämpfen, stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg:
„Die früheste Darstellung von Eishockey in dieser Ausstellung ist ein Bild von Miloš Novák aus dem Jahr 1946. Das ist ziemlich spät. In jener Zeit stand schon das Eisstadion auf der Štvanice-Insel, und die Tschechoslowakei hatte schon Siege in vielen Begegnungen hinter sich. Ich habe aber keine frühere künstlerische Reaktion auf das Eishockey gefunden.“
Das Stadion auf der Moldau-Insel Štvanice in Prag war die erste künstliche Eisfläche hierzulande. Eine Kühlanlage konnte dort Berichten zufolge in zwei Stunden eine vier Zentimeter dicke Eisfläche produzieren. Das Stadion wurde 1932 offiziell eröffnet. Es war viermal Austragungsort von Eishockey-Weltmeisterschaften (1933, 1938, 1947 und 1959), wobei die tschechoslowakische Mannschaft immer eine Medaille gewann. Und der Kufensport entwickelte sich allmählich auch zum Thema der bildenden Kunst:
„Etwa im Kapitel zu den 1960er bis 1980er Jahren finden wir keine konkreten Reaktionen auf Sportereignisse, man kann aber vieles zwischen den Zeilen lesen. Denn es war eine Zeit, in der das Eishockey für die tschechische Nation mehr als nur Sport bedeutete. Er stand für einen politischen Kampf oder den gesellschaftlichen Kampf – und das ist in den Werken stärker enthalten als eine Reflexion konkreter Spiele oder Siege.“
Eishockey – mehr als nur Sport
Die Künstler griffen in dieser Zeit auch nach experimentellen Formen und Methoden:
„Seit den 1960er Jahren wurde das Eishockey nicht nur einfach abgebildet, sondern man spielte und experimentierte damit, und zwar mit dem Licht, mit der Typographie auf den Bildern, mit der Darstellung der Dynamik und der Bewegung der Spieler bei einem Match. Oder die Materie wurde auf abstrakte Formen reduziert. Ich finde es sehr interessant, dass selbst das Thema Eishockey Grundlage für solche Experimente wurde.“
Neben den Gemälden ergänzen auch zeitgenössische Fotografien die Schau. Sie dokumentieren konkrete Ereignisse, auf die die Kunst nicht reagierte, ohne die aber die Geschichte dieses Sports nicht vollständig wäre. Wie etwa den Bau des ersten Stadions auf der Štvanice-Insel in Prag und die Feierlichkeiten zum Olympia-Sieg in Nagano 1998. Und es gibt auch einige Plastiken und Objekte, so etwa drei mit Kollagen umhüllte Eishockeystöcke von Jiří Kolář. Sie wurden nie ausgestellt, und selbst die Fachleute wussten bisher nicht, dass sie existieren:
„Es sind außerordentliche Werke, die die kreative Atmosphäre der 1960er Jahre widerspiegeln. Die Verhältnisse in der Kunst wurden damals freier. Gleichzeitig war das Eishockey schon ein etabliertes Thema, das die Gesellschaft stark prägte, so dass Kolář darauf reagierte und es als einen Teil der gesellschaftlichen Wahrnehmung und wohl auch der nationalen Identität betrachtete.“
Sportler und Maler
Eishockey und Kunst vereinten sich aber auch bei konkreten Menschen. So hätten mehrere Spieler auch selbst gemalt, sagt Anna Strnadlová:
„Stellvertretend für alle müssen wir Ivan Hlinka nennen, er war einer der bekanntesten Spieler und Trainer der Nationalmannschaft. In seiner Freizeit widmete er sich der Malerei. Eines seiner Werke ist hier zu sehen, und zwar ‚Der traurige Clown‘ von Mitte der 1980er Jahre. Hlinka zeigt darauf das Los eines Eishockeyspielers: Indem er sein Dress ausziehe, gebe er seine Rolle auf, nehme seine Maske ab und trete in einer gewissen Anonymität traurig und nackt in die Gesellschaft.“
Die Verbindung beider Bereiche gilt ebenso umgekehrt. Manche Künstler hätten gerne Eishockey gespielt, erwähnt die Kuratorin:
„Nicht alle haben hier Raum bekommen, wir mussten aber die Eishockeymannschaft Paleta vlasti (auf Deutsch: ‚Palette der Heimat‘) beachten. Ihre Mitglieder gingen zunächst im Sinne einer Performance auf Eis, dabei konnten viele von ihnen nicht einmal Schlittschuh laufen. Letztlich begeisterten sie sich dermaßen dafür, dass sie begannen, regelmäßig zu trainieren. Und bestritten später auch internationale Duelle. Wir machen auf sie mit einem kurzen Zitat aus dem Tagebuch des Künstlers Jan Koblasa und mit Dokumentarfotos aufmerksam.“
Den Abschluss der Ausstellung bilden Werke von neun zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern, unter anderem Jakub Špaňhel, Alena Kotzmannová, Jan Vytiska, Paulina Skavová und Karel Štědrý. Sie wurden von der Nationalgalerie angesprochen, um sich anlässlich der hierzulande ausgetragenen Weltmeisterschaft mit dem Thema Eishockey auseinanderzusetzen:
„Sie haben ihre Werke in diesem Jahr geschaffen, wobei sie sich von dem Thema inspirieren ließen. Es geht um neue Ansätze quer durch unterschiedliche Kunstmedien und Kunstströmungen. Meiner Meinung nach repräsentiert die Sammlung hervorragend die Vielfalt der heutigen bildenden Kunst, das reicht von der Konzeptkunst über Videokunst bis zu weiteren modernen Stilen.“
Die Ausstellung der Nationalgalerie Prag „Aufs Eis! Schlittschuhlaufen und Eishockey in der bildenden Kunst“ ist im Kinský-Palais auf dem Altstädter Ring zu sehen. Sie läuft noch bis zum 27. Oktober dieses Jahres. Die Galerie ist wie üblich dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr und jeden ersten Mittwoch im Montag sogar bis 20 Uhr geöffnet.