Klimafreundliches Verhalten ja, aber in Maßen: Stadtbewohner Tschechiens achten auf Nachhaltigkeit

Müll trennen, den Einkauf in der eigenen Stofftasche nach Hause tragen und bei Ausflügen in die Natur den Abfall wieder mitnehmen – neuesten Studien zufolge ist dies für 90 Prozent der Bewohner in den größeren Städten Tschechiens eine Selbstverständlichkeit. Dennoch hat das Klimabewusstsein auch hierzulande seine Grenzen.

Einkaufsnetz | Foto: Česká Síťovka

Das Forschungszentrum für Umweltfragen an der Karlsuniversität Prag hat im vergangenen Jahr für eine Studie knapp 2000 Menschen in Tschechien danach befragt, wie umweltfreundlich ihr Lebensstil ist. Ein Drittel der Teilnehmenden gab an, regelmäßig Bio-Lebensmittel zu kaufen. 20 Prozent der Befragten haben bewusst kein Auto, und vier Prozent verzichten bei der Ernährung auf Fleisch.

Fleisch | Foto: Hans Braxmeier,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

All dies ist für Anna Kučerová und ihre junge Familie aus Brno / Brünn längst Normalität. Auf dem Balkon ihrer Wohnung im Stadtteil Žabovřesky züchten sie Tomaten und Lavendel, ihre Freizeit verbringen sie im nahegelegenen Wald und am Fluss. Neben ihrem Partner Adam und der kleinen gemeinsamen Tochter Nina lebe noch ihre Schwester mit in der geräumigen Wohnung, berichtet Anna:

„Wir mögen unsere Wohnung sehr, denn sie ist groß und hell. Gerade jetzt im Sommer heizt sie sich ein bisschen auf. Dass die Sonne hier hereinscheint, ist kein wirklicher Nachteil, denn die Wärme ist noch im Herbst zu spüren. Generell brauchen wir keine hohen Temperaturen zu Hause, lieber ziehen wir noch einen Pullover über.“

Tomaten | Foto: Milana Hemmrová,  Tschechischer Rundfunk

Das wird erst wieder in einigen Monaten aktuell. Aber nicht alle Menschen in Tschechien würden bewusst die Heizung regulieren, sagt die Umweltsoziologin Markéta Braun Kohlová. Sie ist Co-Autorin der Studie der Karlsuniversität und nennt weitere Ergebnisse:

„Nur etwa zwei Drittel der tschechischen Bevölkerung drehen die Temperatur herunter, wenn sie die Wohnung für eine längere Zeit verlassen, oder ziehen sich wärmer an, um nicht so viel heizen zu müssen. Und nur ein Drittel der Menschen besitzt stromsparende Geräte, wie etwa moderne Spülmaschinen.“

Anna und ihre Familie legen vor allem Wert auf eine vegane Ernährung. Diese sei günstig und gleichzeitig gesund, so die junge Frau:

„Da wir nichts essen, was tierischen Ursprungs ist, sparen wir viel Wasser und schützen das Klima. Wir haben unsere Grundsätze, was die Lebensführung angeht. Dabei wählen wir immer die Variante, die am wenigsten die Natur belastet. Unser Kind ist allerdings eine Ausnahme. Es hat einen großen CO2-Abdruck.“

Illustrationsfoto: Skitterphoto,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Eben für Nina hätten sie auch mit einem ihrer Grundsätze gebrochen, bekennt Anna, nämlich kein Flugzeug zu benutzen. Im Frühsommer sei die Familie dann doch auf die Kanaren geflogen, um der Tochter das Meer zu zeigen. Bis heute hätten sie aber deswegen noch Gewissensbisse, räumt die junge Mutter ein.

Laut Braun Kohlová sinkt die Motivation zu klimafreundlichem Verhalten, sobald die Grenzen der eigenen Komfortzone erreicht sind oder dies Geld kostet. Ähnliches gelte für die Umstellung auf eine vegane Ernährung oder auch die Mitgliedschaft in Umweltorganisationen – also Aspekte, die nicht die Mehrheit der Bevölkerung betreffe:

„Diese Menschen müssen sich oft rechtfertigen und sehen sich negativen Reaktionen ihrer Umgebung ausgesetzt. Deswegen müssen sie eine sehr hohe Motivation haben, und der Umweltschutz muss ihnen wirklich wichtig sein.“

Illustrationsfoto: thestaciesutra,  Flickr,  CC BY-NC-ND 2.0

Anna und ihr Partner Adam unterstützen sich, trotz kleinerer Sünden, in puncto Nachhaltigkeit gegenseitig. Und auch bei einem sparsamen Lebensstil könne man etwa einen großen Vorrat an Kleidung haben, bemerkt Anna und zeigt ihren vollen Schrank:

„Wir versuchen, nicht so viele Sachen neu zu kaufen. Was wir nicht mehr brauchen, geben wir an jemanden weiter, der uns wiederum etwas überlässt, was wir gebrauchen können. Neu kaufen wir eigentlich nur, was sich nicht eintauschen oder im Second-Hand-Laden besorgen lässt. Dadurch haben wir keine sehr hohen Lebenskosten.“

Illustrationsfoto: Gerd Altmann,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Das Budget werde auch nicht durch ein Auto belastet, da die Familie darauf ebenfalls aus ökologischen Gründen verzichte – fügt Anna noch an, während sie die Haustür von außen abschließt. Dann setzt sie Nina in den Kinderwagen und fährt mit ihr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Stadtzentrum.