Klub für das alte Prag

In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam es in Prag zu einer stürmischen Bautätigkeit, die auch vor dem historischen Stadtkern nicht halt machte. Auf Initiative einiger namhafter Persönlichkeiten des Kulturlebens entstand vor fast genau 102 Jahren eine Bürgervereinigung, die sich das Ziel setzte, rücksichtslose Baueingriffe einzuschränken und das Bewusstsein des Denkmalschutzes zu fördern. Auch heutzutage macht der Klub für das alte Prag - wie diese Bürgervereinigung benannt wurde - auf problematische Denkmalschutzfälle aufmerksam. Der aktuellen Tätigkeit der Klubmitglieder hat Martina Schneibergova den heutigen Spaziergang gewidmet. Von Jitka Mladkova und Olaf Barth:

Der Klub für das alte Prag hat scheinbar nicht viele Möglichkeiten, seine Vorhaben im Bereich des Denkmalschutzes durchzusetzen, da er als eine Bürgervereinigung über keine legislativen Mittel verfügt und an keinen offiziellen Entscheidungen teilnehmen kann. Er bringt jedoch die Meinung der an historischen Sehenswürdigkeiten interessierten Öffentlichkeit zum Ausdruck. Im Vorstand des Klubs sind Hochschulpädagogen, Architekten, Historiker sowie Studenten der Kunstgeschichte und der Architektur tätig, die einmal alle zwei Wochen zusammentreffen, um sich über aktuelle problematische Fälle zu informieren. Wenn sie davon überzeugt sind, dass es sich um einen wirklich ernsthaften Fall handelt, arbeiten sie eine schriftliche Stellungnahme aus, die den Medien zur Verfügung gestellt wird. Der Klubvorstand wendet sich gegebenenfalls auch an die zuständigen Behörden.

Für einen der problematischsten baulichen Eingriffe im Prager Stadtzentrum in der jüngsten Zeit hält der Klub für das alte Prag den noch nicht beendeten Umbau des sogenannten Palastes "U Hybernu" - der einstigen Barockkirche der Unbefleckten Empfängnis - in ein Theatergebäude, in dem hauptsächlich Musicals aufgeführt werden sollen. Das Gebäude befindet sich gegenüber dem Pulverturm und dem Repräsentationshaus. In ihrem Standpunkt zum Umbau des historischen Gebäudes verwiesen die Klubmitglieder darauf, dass es aus architektonischer Sicht in Prag an der entsprechenden Renovierung der Kirchen- und Klostergebäude mangelt, die in der Zeit der von Josef II. initiierten Reformen aufgehoben wurden. Häufig handelt es sich um sehr bedeutende Gebäude - ob aus architektonischer oder kultureller Sicht.

In den letzten zehn Jahren wurde oft starker Druck auf eine ökonomische Nutzung dieser meistens halb vergessenen Gebäude verzeichnet. Die lobenswerten Bemühungen um eine Wiederbelebung der inzwischen umgebauten Räumlichkeiten werden somit leider oft mit der Forderung nach einem möglichst schnellen Gewinn verknüpft. Es sei deswegen - so der Standpunkt des Klubs - logisch, dass oft eine Kompromisslösung gewählt wird, die weitere wenig geeignete Eingriffe in den historischen Bau bedeuten.

Die eventuelle Renovierung einer längst vernichteten Kirche wird allgemein als eine verdienstvolle und positive Handlung empfunden. Es sei jedoch - so die Klubmitglieder - traurig, dass durch die öffentliche Unterstützung oft eine ernsthafte Beschädigung eines Kulturdenkmals vertuscht werde. Unbeteiligte Beobachter können kaum beurteilen, in wie weit der einstige Sakralbau erhalten geblieben ist, und diese Tatsache wird nach Meinung der Experten von Investoren ausgenutzt, die Baueingriffe aus unternehmerischem Interesse durchführen können, um schließlich noch als Retter des Kulturerbes gepriesen zu werden.

Zu solchen problematischen Baueingriffen rt gehört nach Meinung des Klubs für das alte Prag eben auch der Umbau der ehemaligen Frühbarockkirche der Unbefleckten Empfängnis in eine Musicalbühne. Die Kirche wurde in den Jahren 1653-59 von Carlo Lurago erbaut und gehörte zu den bedeutendsten Prager Kirchen des Frühbarocks. Auch als man die Kirche in den Jahren 1811-13 im klassizistischen Stil in ein Zollhaus umbaute, wurden sämtliche Gewölbe und viele ursprüngliche Stilelemente damals beibehalten.

Während des jüngsten Umbaus des Gebäudes wurde jedoch ungefähr ein Viertel des Mauerwerks der Kirche niedergerissen. Durch die Beseitigung der Barockmauer sowie der Gewölbe sollte der künftige Bühnenraum erweitert werden. Zu der für den Herbst des vergangenen Jahres geplanten Eröffnung des neuen Musiktheaters ist es nicht gekommen, der Umbau des Gebäudes wurde aus finanziellen Gründen abgebrochen. Was mit dem sogenannten Palast U Hybernu, dessen Umbau nicht beendet wurde, weiter sein wird, ist momentan auch den Stadtvertretern unklar.

Ein anderer problematischer Fall, mit dem sich der Klub für das alte Prag zur Zeit beschäftigt, ist das einstige Ziegelwerk "Herget" auf der Kleinseite. In der Stellungnahme des Klubs wird betont, dass das Ziegelwerk eines der am besten gelegenen Objekte in Prag darstellt. Diese Tatsache trug zu dem wenig glücklichen Schicksal des Objektes in den letzten zehn Jahren bei. Der Plan für die Errichtung eines großen Hotelkomplexes am linken Moldauufer ist bald gescheitert. Der Mieter ließ das Objekt verfallen, der aus der Barockzeit stammende Dachstuhl fiel einem Brand zum Opfer.

Die Brandfolgen wurden auf Kosten des ersten Stadtbezirks provisorisch beseitigt. Das Objekt wurde erneut vermietet. Der Klub für das alte Prag stellt in einem Artikel vom Januar dieses Jahres fest, die Renovierung des Objektes sei durch den folgenden Baueingriff in Frage gestellt worden: Aus unbegreiflichen Gründen wurde die Hälfte der Barockgewölbe in der Dreischiffhalle im Erdgeschoss abgerissen. 15 Gewölbefelder sind somit verschwunden, liquidiert wurde auch der anliegende Gewölbekeller. Der Klub für das alte Prag machte die zuständigen Behörden auf diese Eingriffe aufmerksam.

Der heutige schlechte Zustand des Objektes sei - so der Klub - dem Besitzer zuzurechnen, der das Gebäude vernachlässigt habe. Das einstige Ziegelwerk ist jedoch im Besitz des Stadtteils Prag 1, auf dessen Gebiet sich das historische Bauwerk befindet, stellten die Mitarbeiter des Klubs für das alte Prag in ihrem jüngsten Artikel zum Thema "Ziegelwerk Herget" fest. Das Gebäude wird zur Zeit zu Hotel- und Ausstellungszwecken umgebaut.

Rasante Unternehmer und Investoren vernichten historische architektonische Kleinode der vergangenen Jahrhunderte - klagen die Denkmalschutzexperten immer wieder. Die Investoren wenden ein: Die Denkmalschutzexperten stünden der Verwandlung der Städte in moderne, funktionsfähige Agglomerationen des 21. Jahrhunderts im Wege. Nur selten können sich die beiden Seiten einigen.