Kommentare zur tschechischen Diskussion um die europäische Verfassung und zu den angekündigten Veränderungen im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen

Im Mittelpunkt der heutigen Sendung steht die Debatte um eine europäische Verfassung, die nach dem Beginn der Regierungskonferenz in Rom vom vergangenen Wochenende im tschechischen Abgeordnetenhaus ausgebrochen ist und dort z.T. zu sehr heftigen Wortgefechten geführt hat. Die tschechische Presse beschäftigte sich in der zurückliegenden Woche ausführlich mit der Regierungskonferenz und der innertschechischen Debatte darüber. Dabei stand nicht zuletzt die Frage im Mittelpunkt, ob die tschechischen Bürger in einem Referendum über die EU-Verfassung entscheiden sollten.

Dass sich die Mehrheit der Abgeordneten am Dienstag für einen solchen Volksentscheid aussprach, hält Petr Uhl, Kommentator der Zeitung Pravo, nicht für verwunderlich. Hören Sie im folgenden einen Auszug aus seinem Kommentar vom 8. Oktober:

"Einer der größten Mängel der tschechischen Demokratie ist sicherlich der, dass hier durch die Verfassung nicht festgelegt ist, wann ein Referendum stattfindet. Von einem Volksentscheid sprechen jetzt alle, haben dabei aber unterschiedliche Absichten. Die Regierungskoalition will dadurch vor allem die europäische Verfassung ratifizieren lassen. Den Kommunisten geht es generell um ein Referendum. Und die größte Oppositionspartei ODS will den Volksentscheid zur Ablehnung der europäischen Verfassung nutzen."

Im Folgenden überlegt der Kommentator, ob es die tschechische Legislative zeitlich überhaupt ermöglichen würde, noch vor der Verabschiedung der europäischen Verfassung ein Referendum durchzuführen und kommt zu folgendem Schluss:

"Wenn es in Tschechien keinen Volksentscheid zur EU-Verfassung gibt, ist das auch nicht tragisch. Ohnehin wird es nur in etwa fünf der 25 künftigen Mitgliedsländer ein Referendum darüber geben. Dennoch befreit uns das nicht von der Verpflichtung, uns weiter dafür einzusetzen, dass die Durchführung von Referenden durch die tschechische Verfassung definiert wird."

Soweit der Kommentar von Petr Uhl aus der Zeitung Pravo. Die Zeitschrift Respekt kritisiert in ihrer jüngsten Ausgabe die Opposition dafür, dass sie einer rationalen Diskussion um die europäische Verfassung Steine in den Weg lege und versuche, die Bürger für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Zitat:

"Die Opposition hat die Verfassungsdebatte auf griffige Losungen wie Überschreitung des Rubikons', Verlust der Souveränität' oder Verringerung des tschechischen Einflusses in der EU' vereinfacht. Aber wann hatten die Tschechen mehr Einfluss in Europa als jetzt, als sich ihre Delegation als gleichberechtigtes Mitglied an der Debatte über die weitere Entwicklung des Kontinents beteiligte? Dennoch ist die pro-europäische Regierung in die Defensive geraten und muss sich verteidigen. Diese Verteilung der Karten deutet bereits darauf hin, wie die Debatte vor einem evtl. Volksentscheid zur europäischen Verfassung aussehen würde, für den sich insbesondere die oppositionelle ODS einsetzt. Die ODS übt bereits negative Formeln ein, weil sei das Plebiszit zur Ablehnung der Verfassung ausnutzen will."

soweit der Kommentar von Katerina Safarikova aus der Zeitschrift Respekt. Die Zeitung Mlada fronta dnes setzt sich in ihrer Ausgabe vom 6. Oktober mit der Kritik auseinander, dass über die europäische Verfassung in Tschechien nicht ausreichend diskutiert wurde und meint:

"Sicherlich hätte man mehr diskutieren können und sollen. Die Verantwortung dafür, dass das nicht geschehen ist, tragen die Medien und die Politiker, die der Öffentlichkeit dieses ernste Thema nicht genügend nahe gebracht haben. Allerdings: Erinnern wir uns an die Entstehung der tschechischen Verfassung, die im Zuge des Zerfalls der Tschechoslowakei 1992 ausgearbeitet und 1993 verabschiedet wurde. Eine öffentliche Diskussion darüber hat es damals so gut wir gar nicht gegeben, obwohl die Verfassung das Fundament unseres Staates darstellt. Die Diskussion über Verfassungen ist immer und in jedem Land vor allem eine Diskussion der gesellschaftlichen Eliten - ob uns das gefällt oder nicht."

Themenwechsel: Ende vergangener Woche hat der neue Intendant des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens (CT), Jiri Janecek bekannt gegeben, dass er im nächsten Jahr um jeden Preis einen ausgeglichenen Haushalt in seinem Sender anstrebt und zu diesem Zweck einige umfassende Maßnahmen plant. Die Zeitung Lidove noviny erinnert in diesem Zusammenhang an die Erwartungen, die mit der Wahl Janeceks, dem vierten CT-Intendanten innerhalb der letzten drei Jahre verbunden waren und schreibt:

"Der neue Fernsehbesen Jiri Janecek ist wie erwartet nicht so neu, um ordentlich zu fegen. Es sollen Sendungen eingestellt werden, um zu sparen. Darüber wird sicherlich noch viel debattiert werden. Auch Mitarbeiter sollen entlassen werden, nach Janeceks Worten mehr als 100. Das ist wahrlich nicht die slowakische Methode, denn beim slowakischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen musste jeder zweite Mitarbeiter den Hut nehmen. Einen wirklich scharfen Schnitt könnte nur jemand mit viel Mut und großer Unterstützung vornehmen. Jiri Janecek verfügt offensichtlich weder über das eine noch über das andere. Er ist nicht scharf genug."

Gegen den eben aus Lidove noviny zitierten Vergleich zwischen dem slowakischen und dem tschechischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen von Ondrej Neff wehrt sich die online-Zeitung Neviditelny pes - deutsch: unsichtbarer Hund. Sie verweist auf einige grundlegende Unterschiede zwischen beiden Sendern, die einen direkten Vergleich unmöglich machen. In erster Linie führt der Autor hier die hohe Verschuldung des slowakischen Fernsehens an. Zudem erinnert er daran, dass es auch beim Tschechischen Fernsehen in den vergangenen Jahren durchaus Entlassungen gegeben hat, die mit den jetzigen in der Slowakei vergleichbar sind:

"In den Jahren 1993-2002 wurden im Tschechischen Fernsehen insgesamt 1288 Mitarbeiter entlassen, im slowakischen jetzt auf einmal 1117. Aus der Entscheidung des slowakischen Intendanten geht aber klar hervor, dass die schmerzhaften Sparmaßnahmen zum großen Teil die Rationalisierung supplieren (ihr entsprechen???), die das Tschechische Fernsehen seit seiner Gründung bis jetzt im Grunde ständig durchmacht. Die Leitung des slowakischen Fernsehens hat sich entschlossen, jetzt auf einmal die Schritte zu unternehmen, die das Tschechische Fernsehen auf sieben Jahre verteilt hat. Wenn das Tschechische Fernsehen allerdings seine Dienste weiter zu denselben Preisen wie im Jahr 1998 anbietet, wird es naturgemäß gezwungen sein, den Umfang dieser Dienste künftig einzuschränken."

Damit spielt der Autor Nikolaj Savicky im Neviditelny Pes auf ein weiteres Thema an, das hierzulande im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Situation des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens diskutiert wird: Die Erhöhung der Fernsehgebühren. Mit dieser Frage beschäftigt sich die Zeitung Mlada fronta dnes in ihrer Ausgabe vom 4. Oktober, aus der wir Ihnen abschließend zitieren:

"In den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses liegen bereits Vorschläge, die Fernsehgebühren von jetzt 75 Kronen auf 95 Kronen zu erhöhen (also von umgerechnet 2 Euro 30 auf etwa 3 Euro monatlich) und außerdem den Anteil an Reklame im öffentlichen Fernsehen von einem auf drei Prozent zu heben. Aber die Abgeordneten haben es damit nicht eilig. Janecek weiß gut, dass für die Erhöhung von Gebühren jetzt der ideale Zeitpunkt ist. Denn die Regierungskoalition ist dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen relativ wohl gesonnen - entschieden mehr als die Opposition. Auf die Drohung, dass ansonsten bei den Zuschauern beliebte Sendungen eingestellt werden, könnten auch die zögernden Abgeordneten hören. Für die Erhöhung der Fernsehgebühren kann Janecek auch noch andere Argumente anführen: Die Gebühren wurden zuletzt vor sechs Jahren erhöht, im benachbarten Polen und der Slowakei hingegen wurden sie in letzter Zeit deutlich angehoben."