"Tschechen, Deutsche, Juden - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft" - das war das Thema der Jahreskonferenz der tschechischen Bürgerinitiative "Sdruzení Ackermann-Gemeinde" (SAG), die am vergangenen Wochenende in der mittelböhmischen Stadt Celákovice veranstaltet wurde. Martina Schneibergová war dabei.
Wie bereits angedeutet wurde, befassten sich die mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Tschechien und Deutschland auf der Tagung mit den vergangenen und gegenwärtigen Beziehungen zwischen Tschechen, Juden und Deutschen. Während der abschließenden Rundtischdebatte wurden außerdem die Perspektiven des Zusammenlebens von Tschechen, Juden und Deutschen angesprochen. Es ist nicht uninteressant, die Beweggründe für die thematische Orientierung der Jahreskonferenz zu nennen. Im vergangenen Jahr wurde Oldrich Stránský, ein Auschwitz-Überlebender, der sich viele Jahre in der tschechischen Verhandlungsdelegation für die Entschädigung von Zwangsarbeitern engagierte, vom Posten des Vorsitzenden der "Vereinigung der befreiten politischen Häftlinge" abgesetzt und gleichzeitig aus der Führung des übergeordneten "Verbandes der Freiheitskämpfer"
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verbannt. Als Grund wurde damals der von Stránský verfasste Brief an das soeben in Prag eröffnete Sudetendeutsche Büro genannt, in dem Stránský seine Teilnahme an der Eröffnung des Büros höflich ablehnte, er aber die Hoffnung zum Ausdruck brachte, dass das Kontaktbüro zur Versöhnung zwischen den Tschechen und Sudentendeutschen beitragen könne. Die tschechische Bürgerinitiative "Sdruzení Ackermann-Gemeinde" brachte damals ähnlich wie mehrere weitere Institutionen und Persönlichkeiten ihre Empörung über diesen Schritt der Führung des Opferverbandes zum Ausdruck. Als eine christlich orientierte Organisation entschied sie sich, das Thema der tschechisch-jüdisch-deutschen Beziehungen auf der nächsten Jahrestagung ausführlicher zu behandeln. Mojmír Kallus von der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem hielt einen Vortrag über die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Tschechen und Juden vom Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg. Ich fragte ihn danach, wie es heute um den christlich-jüdischen Dialog bestellt ist:
Dr. Emil Svatek (Foto: Autorin)
"Man spricht über einen Dialog erst in den letzten fünfzig Jahren. Es ist also noch viel nachzuholen und man sieht das auch in der Praxis, dass die Kirchen in ihren Erklärungen schon ganz eindeutig für einen Dialog sind, aber alle Bewohner der christlichen Länder sind nicht unbedingt so gestimmt wie es in den Erklärungen steht. Ich sehe doch die Notwendigkeit, diesen Dialog weiter zu führen - umso mehr, weil man in den letzten Jahren insbesondere in Europa auch eine Wiederbelebung der antisemitischen Elemente oder Stimmungen sehen kann."
Kann man auch in der tschechischen Gesellschaft diese antisemitischen Stimmungen spüren oder sind die eher versteckt?
"Die sind eher versteckt und ich würde sagen, dass die neuen Mitgliedsstaaten der EU in einer besonderen Stellung in dieser Hinsicht sind, weil sie die kommunistische Vergangenheit hinter sich haben, wo allzu viel gegen den Zionismus und gegen die Juden in den Medien und in der offiziellen Propaganda zu hören war. Die natürliche Reaktion darauf ist, dass wir heute vielleicht weniger bereit sind, neue antisemitische Vorurteile anzunehmen, wie es im westlichen Teil Europas der Fall ist."