Kontakte, Café oder Rente – Ehemalige Abgeordnete auf Jobsuche
Das tschechische Abgeordnetenhaus hat sich vor kurzem aufgelöst und Neuwahlen sind zum 25. Oktober ausgeschrieben. Viele der 200 Abgeordneten bewerben sich beim Bürger um ein neues Mandat, einige jedoch hören auf oder wissen bereits, dass ihre Partei keine Chance bei den anstehenden Wahlen hat. Radio Prag hat sich umgehört, was ein tschechischer Abgeordneter macht, wenn er keinen Job mehr hat.
„Kurzfristig bin ich sogar zu Gehaltseinbußen bereit, um eine geeignete Position zu finden, langfristig aber sicherlich nicht.“
Auch der ehemalige Premier Petr Nečas will in die Wirtschaft wechseln. Nach 21 Jahren im Abgeordnetenhaus erwarte er aber eine Bezahlung, die seinem bisherigen Gehalt entspreche, sagte er dem Internetserver iDnes.cz. Das lag als Regierungschef bei etwa 150.000 Kronen (6000 Euro) monatlich.
Ein tschechischer Abgeordneter erhält pro Monat ein Grundgehalt von 55.000 Kronen (2200 Euro). Hinzu kommen Auslagen für einen Angestellten, Reisekosten, ein Büro und Telefon sowie Zuschüsse für eine Wohnung in Prag und eine Verpflegungs- und Kleiderpauschale. Insgesamt kostet ein Abgeordneter den Staat etwa 250.000 Kronen (10.000 Euro) pro Monat.Nach ihrer Zeit als Volksvertreter zieht es die Abgeordneten meistens in die Wirtschaft. Diese Hoffnung hegt auch Viktor Paggio, Mitglied der Partei Lidem:
„Ich rechne damit, ins italienisch-tschechische Geschäft einzusteigen. Ich war aktives Mitglied des italienischen Freundschaftsvereins im Abgeordnetenhaus und habe da Kontakte.“
Sollte Paggio der Einstieg nicht sofort gelingen, erhält er Übergangsgelder. Bis zu vier Monate hat jeder Abgeordnete Anspruch auf sein altes Grundgehalt - sollte er nicht sofort eine neue Tätigkeit antreten oder erneut kandidieren.Einige Abgeordnete wählen auch den Weg in die Selbstständigkeit. Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV), Kateřina Klasnová, möchte ein eigenes Café eröffnen, ihre ehemalige Parteifreundin Kristýna Kočí ein Buchhaltungsbüro. Wieder andere gehen in Rente oder wollen sich einfach nur aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Aber die Mehrheit kandidiert erneut. Lubomír Zaorálek war Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten (ČSSD) und ist stellvertretender Parteichef. Seine Wiederwahl dürfte gesichert sein, aber die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses hat auch Zaorálek vor Schwierigkeiten gestellt. Er musste seinen diplomatischen Reisepass abgeben:
„Ich habe festgestellt, dass ich nicht ins außereuropäische Ausland reisen kann, wenn ich mich nicht schnell um einen neuen Reisepass kümmere.“Zwei ehemalige Abgeordnete haben jedoch in Zukunft ganz andere Sorgen: David Rath, ehemaliger Kreishauptmann von Mittelböhmen, sitzt seit einem Jahr in Untersuchungshaft, der Prozess gegen ihn wegen der möglichen Annahme von Bestechungsgeldern läuft gerade. Roman Pekárek dagegen ist bereits rechtskräftig verurteilt. Er verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe wegen Korruption.