Penis-Messungen und Politiker-(Un)ehre

Senat

Im täglichen Blick in die Kommentarspalten der tschechischen Tageszeitungen geht es heute um das männliche Glied im Zusammenhang mit Asylanträgen. Zunächst aber regt sich Julie Hrstková über tschechische Politiker auf. Denn während allen Angestellten des öffentlichen Dienstes zehn Prozent vom Lohn weggekürzt werden, erwartet die Politiker und Parlamentarier eine satte Gehaltserhöhung.

Senat
Der Grund: Die obere Parlamentskammer, der Senat, schafft es in diesem Jahr nicht mehr, die fünfprozentige Diätensenkung zu beschließen. Gleichzeitig gilt mit dem neuen Jahr nicht mehr die vierprozentige Einfrierung der Diäten. Julie Hrstková schreibt in der Hospodářské noviny:

„Bis heute bemühen wir uns, in unseren Kindern das Gefühl zu entwickeln, dass der Mensch nichts mehr besitzt, wenn er seine Ehre verloren hat. Was lehrt uns also das Verhalten der Gesetzesgeber? (…) Die Kürzungen in Tschechien geben sich den Anschein, sie seien flächendeckend und demokratisch, allen werden zehn Prozent weggenommen. Britannien und Irland, die nun wirklich nicht im Verdacht einer linken Politik stehen, kürzen auch, aber um 5 bis 20 Prozent, in Abhängigkeit von der Höhe des Gehalts. Und für viele tschechische Politiker überraschend, kürzt man auf diesen Inseln am meisten bei den hohen Gehältern. Am meisten beim Premier und den Ministern, dann folgen die Abgeordneten. Und niemand protestiert. Nach Machiavelli ist es nicht der Titel, der dem Menschen Ehre verleiht, sondern der Mensch dem Titel. In Tschechien ist Ehre jedoch nur ein Schimpfwort. Und genauso sieht es auch mit dem Titel des Abgeordneten aus.“


Phallometrie-Gerät
Die Wiener EU-Agentur für Grundrechte beschuldigt die tschechischen Ämter homophober Praktiken bei der Prüfung von Asylanträgen. Die Ämter verwenden die so genannte Phallometrie, um zu überprüfen, ob ein Antragsteller tatsächlich homosexuell ist und daher in seinem Land unter Verfolgung und Diskriminierung leidet. Dabei wird mittels pornografischer Darstellungen die Erregbarkeit des Mannes am Glied gemessen. Jiří Franěk von der Právo urteilt:

„Demütigend ist das und ekelhaft. Umso ekelhafter, als es um Menschen geht, denen in ihren Heimatländern nur deshalb drastische Strafen drohen, weil sie eine ´andere´ sexuelle Orientierung haben. Sie sind gewohnt das zu verstecken, sind dazu erzogen, sich für diese Orientierung zu schämen. Allein die Tatsache, dass sie sich im Asylverfahren dazu bekennen müssen, ist für die demütigend. (…) Auf der anderen Seite haben wir die Ausländerpolizei unter anderem auch deshalb, damit sie die Ankommenden ordnungsgemäß abklopft. Niemand lädt jeden zu sich in die Wohnung ein, nur weil dieser behauptet, er sei in Not. (…) Ansonsten bin ich der Ansicht, dass es nie genug Diskussionen darüber geben kann, wie sich die Ämter gegenüber den Menschen verhalten sollten und wie nicht.“

In der Lidové noviny erinnert Zbyněk Petráček an die Situation emigrierender Tschechen vor 1989 und schreibt:

„Beim Asylantrag im Westen mussten wir weder eine Verfolgung nachweisen noch unseren Penis zeigen. Der grundlegende automatische Anspruch auf Schutz war allein schon durch das Leben hinter dem kommunistischen Stacheldraht gegeben. Sicher, die Zeiten ändern sich. Ein Pauschalanspruch funktioniert nicht mehr, und jeder Asylant muss die Bedrohung plausibel nachweisen. Aber ein wenig Verständnis könnten wir schon zeigen. Schon allein deshalb, weil Asylanten aus homophoben Ländern gerade ihre Homosexualität nicht einfach so vortäuschen.“