Kooperation statt Konkurrenz
Das heutige Wirtschaftsmagazin befasst sich mit einer gemeinsamen Initiative tschechischer und deutscher Landwirte. Auf einer Pressekonferenz in Prag haben sie erklärt, warum die Milch produzierenden Betriebe nur dann eine Chance gegen die Großabnehmer haben, wenn sie sich zusammenschließen. Diese Zusammenarbeit wird bereits in den neuen Bundesländern seit Jahren erfolgreich praktiziert. Am Mikrofon ist Christoph Amthor.
Kaum jemand dürfte sich jedoch Gedanken darüber machen, warum eigentlich Mineralwasser billiger zu bekommen ist als Milch. In einer stadtgeprägten Gesellschaft, in der die Milch nicht mehr von Kühen, sondern aus Kühlregalen kommt, haben die Landwirte die Notwendigkeit eines Imagewandels entdeckt. Dabei überschreiten sie sogar ihr geradezu sprichwörtliches Denken in regionalen Maßstäben. Nicht anders ist es zu erklären, dass einige Erzeugergemeinschaften aus Sachsen und Brandenburg an den tschechischen Bauernverband herangetreten sind, um ein gemeinsames Vorgehen zu planen.
Die Wurzeln reichen dabei bis in die deutsche Wiedervereinigung zurück. Zu den Altlasten der DDR hatte auch die Geschäftsleitung der Molkereigenossenschaften gezählt. Es mangelte zudem an Eigenkapital, die Folge war Konkurs. Doch schon zeigte sich eine verlockende Alternative aus dem Westen: Der bundesweit bekannte Konzern "Müller" war daran interessiert, auf dem neuen Markt im Osten Milch zu kaufen. Jeder Betrieb hätte nun mit dem Riesen einzeln verhandeln müssen. Matthias Espig, Vorstandsvorsitzender der Agraraktiengesellschaft "Bauernland", lässt jedoch keinen Zweifel daran, wer die Verlierer gewesen wären:"Wir hätten uns, wenn wir allein geblieben wären, die Verträge diktieren lassen und unterschreiben müssen."
Der einzig sinnvolle Ausweg bestand für die Landwirte nun darin, sich zusammenzuschließen:
"Das war uns von Anfang an etwas suspekt, das muss ich ruhig so sagen, aber wir haben bei Zeiten gemerkt, dass dann in der täglichen Arbeit mit Müller, in der dann Preise hart verhandelt wurden, wir alleine gar nichts hätten machen können, sondern es ging halt nur in der Gemeinschaft, dass wir dort versucht haben, ein bisschen mehr herauszuholen, als was wir allein hätten schaffen können, und das war letzten Endes unsere Motivation."
Die Erzeugergemeinschaften beraten und informieren ihre Mitglieder nicht nur, sondern sorgen auch für Rahmenverträge, so dass Lieferanten und Großabnehmern gleiche Chancen haben. In den letzten Jahren jedoch ist der Milchpreis um etwa 20 Prozent gefallen und bewegt sich um die 26 Cent pro Kilo, während die Produktionskosten bei mindestens 30 Cent liegen. So wird es auch nicht verwundern, dass die EU-Erweiterung im Mai eher sorgenvoll betrachtet wurde:"Das war die Befürchtung, dass unser deutscher Markt mit billiger tschechischer Milch überschwemmt wird, im Ergebnis dessen unsere Preise dann auf das tschechische Niveau runter gehen."
Statt aber von der Politik den Kampf für nationale Interessen zu fordern, sind die Landwirte den "europäischen" Weg gegangen. Denn die Gründe für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit lagen auf der Hand, wie Espig erklärt:
"Wenn es um den selben Molker geht, oder eben um die selbe Molkerei, an die geliefert wird, dass wir letzten Endes mit einer Sprache sprechen, egal ob es die tschechischen Erzeuger sind oder ob es die deutschen Erzeuger sind, denn Fakt ist eins, wir sind am Ende eine EU, es gilt für alle eine Milchgüteverordnung, der die Milch entsprechen muss, aber es sind natürlich verschiedene Preisterritorien."Ziel war es in erster Linie, Informationen zu teilen und ein Bewusstsein für die gemeinsame Lage zu schaffen:
"Wir wollten, dass die tschechischen Kollegen wissen, was man für die Milch in Deutschland bekommt, wie die Verträge aussehen, damit sie nicht die selben Fehler machen wie wir seinerzeit, das war ja auch für uns ein Lernprozess."
Rainer Flach, Landwirt und Geschäftsführer von "Agrarprodukte Märtensmühle", macht deutlich, dass im europäischen Rahmen ein Konkurrenzdenken fehl am Platz wäre:
"Die gemeinsamen Interessen sind stärker als die Konkurrenz, auf jeden Fall, weil es ein begrenzter Markt ist."
Mit ihrem Anliegen rannten die deutschen Milchproduzenten offene Türen ein. Denn auch in Tschechien ist die Lage für die Bauern alles andere als beruhigend. Miroslav Jirovsky, Direktor des Tschechischen Landwirtschaftsverbands, erklärt die Lage:"Sicher hat sich nach dem EU-Beitritt die außerpreisliche Vergütung für tschechische Landwirte verbessert, aber auf der anderen Seite haben sich die Ansprüche, die geltend gemacht werden, ebenfalls erhöht. Also lässt sich sagen, dass es von den Fähigkeiten des Managements abhängt, die Situation zu beherrschen und sich auch für die kommenden Zeiten abzusichern."
Dabei bildet Milch nicht nur einen wichtigen Grundstoff für die Produktion zahlreicher Nahrungsmittel, sie ist auch die wirtschaftliche Grundlage vieler landwirtschaftlicher Betriebe:
"Milch stellt in der Tschechischen Republik im Durchschnitt 18 bis 19 Prozent der Einnahmen landwirtschaftlicher Betriebe dar. Wir haben hier nur 3500 Betriebe, die Milch produzieren, aus einer Gesamtzahl von 26000 landwirtschaftlichen Betrieben. Das heißt, dass bei diesen Milch produzierenden Betrieben der Anteil der Milchproduktion an den Einnahmen bis zu 40 oder 45 Prozent darstellt. Daher hat diese Produktion eine große ökonomische Bedeutung."
Bei allem Pläneschmieden stellt sich angesichts der schwierigen Lage aber doch die Frage, ob der Beruf des Landwirts überhaupt noch attraktiv für junge Leute ist. Jirovsky gibt sich da keinen Illusionen hin:
"Attraktiv ist es entschieden nicht mehr. Ich würde sagen, dass es daran liegt, dass bei uns während der letzten Jahre beständig die Beschäftigung zurückgeht."Auf deutscher Seite klingt es da schon wesentlich optimistischer, Espig erkennt, anders als manche Kollegen, selbst im Image des Landwirts einen Aufwärtstrend:
"Also ich sehe das ein bisschen anders, ich gehe eigentlich davon aus, dass der Beruf des Landwirts immer attraktiver wird. Es herrscht ein reges Interesse am Beruf des Landwirts, weil in Deutschland sowieso ein Lehrstellenmangel besteht. Und es ist heute nicht mehr so, wie es früher war, dass der Beruf des Landwirts das letzte Übel ist, das man machen muss, weil man nichts anderes mehr gekriegt hat."
Traumberuf Landwirt - eine Zukunftsvision? Zumindest scheint der Wandel vom Hüter der heimischen Scholle zum internationalen Milchmanager bereits vollzogen zu sein. Dies könnte sogar ein Lehrstück für so manche andere Branche werden!