Steigende tschechische Milchexporte in den EU-Raum sorgen für Streit zwischen Produzenten und Verarbeitern
Noch bis vor kurzem hätte man meinen können, dass der Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union vom 1. Mai vergangenen Jahres ohne nennenswerte Komplikationen über die Bühnen lief und vor allem die Wirtschaft sich schnell auf die Bedingungen des neuen und bedeutend größer gewordenen Marktes eingestellt hat. Doch seit einigen Tagen scheint diese idyllische Stimmung der Vergangenheit anzugehören. Schuld daran sind die tschechischen Milchproduzenten, die nun die Vorteile des europäischen Binnenmarktes voll nutzen und ihre Ware zu höheren Preisen verstärkt in den EU-Raum, vor allem natürlich in die Nachbarländer Deutschland und Österreich, exportieren. Mehr davon im nun folgenden "Schauplatz" von Robert Schuster.
Die tschechischen Medien sprechen in diesem Zusammenhang gar von einem Milchkrieg, der zwischen Produzenten und Verarbeitern im südlichen Teil Tschechiens ausgebrochen sei. Im Zentrum steht dabei der größte Milchverarbeiter des Landes, der Konzern Madeta aus dem südböhmischen Budweis/Ceske Budejovice.
Der Direktor von Madeta, Milan Teply, fasst im Gespräch mit Radio Prag die Entwicklung der letzten Wochen zusammen:
"Seit dem 1. Januar gingen von den Milchlieferungen 200 000 Liter in eine Molkerei im bayrischen Cham. Das entspricht etwa 15-20 Prozent dessen, was uns täglich geliefert wird. Damit eng verbunden ist das Problem, dass es bei der Milch, die nun verstärkt exportiert wird, in erster Linie um Milch von Produzenten aus dem Grenzgebiet geht. Somit sind vor allem die dort angesiedelten Milchverarbeitungsunternehmen existentiell gefährdet. Im Rahmen unseres Unternehmens sind das rein zufällig gerade zwei Molkereien, deren Produktion primär für den Export bestimmt war. Hier wird es nun zu Entlassungen kommen, von denen ungefähr 300 Angestellte betroffen sein werden."
Diese Erfahrung mit den verstärkten Milchexporten in den europäischen Binnenmarkt, die dann zu Engpässen im eigenen Land führten, machten übrigens auch einige andere neue Mitgliedsländer der Europäischen Union, wie etwa die Slowakei. Dort gab es in den Sommermonaten des vergangenen Jahres die so genannte Butterkrise, als aus den gleichen Gründen, wie nun im Fall des Unternehmens Madeta, die dortigen Milchhersteller ihre Ware zur Weiterverarbeitung lieber nach Österreich oder Deutschland exportierten. Auf dem bedeutend kleineren slowakischen Markt ist es dann zu unerwartet großen Versorgungsschwierigkeiten gekommen, die bei einigen Produkten, wie zum Beispiel bei Butter, zu einem empfindlichen Preisanstieg führten.
Aber zurück zum Fall Madeta. Der Direktor des größten tschechischen Milchverarbeitungsunternehmens bezichtigt nämlich die Konkurrenz, vor allem jene in Bayern, indirekt des unlauteren Wettbewerbs, wenn er gegenüber Radio Prag erklärt:
"Das ist eine überraschende Entwicklung, weil die deutsche Seite die Milch regelrecht zu sich herüberzieht - und zwar durch Lockpreise und auch auf Grund von Bedingungen für die Landwirte, von denen sie heute schon weiß, dass sie nicht lange gelten können. So wird zum Beispiel keine Rücksicht auf die Qualität der gelieferten Milch genommen. Aber da geht es eben ums Geschäft. Zumal die Zulieferer, die bislang unsere Kunden waren und nun nach Deutschland exportieren, von unserer Seite mit keinen Unregelmäßigkeiten konfrontiert waren - wir haben zum Beispiel immer rechtzeitig gezahlt. Somit habe ich den Eindruck, als ob das eine Attacke auf unser Unternehmen, als größten Milchhersteller auf dem tschechischen Markt wäre. Aber wahrscheinlich war da auch eine gewisse Präferenz der tschechischen Seite im Spiel."
Lassen wir aber in diesem Zusammenhang auch die andere Seite zu Wort kommen, nämlich die Vertreter der tschechischen Agrarkammer, den größten Interessensverband in der heimischen Landwirtschaft. Deren Vizepräsident, Pavel Novotny, widerspricht im Gespräch mit Radio Prag der These von Madeta-Chef Teply, wonach die tschechischen Milchbauern den deutschen Lockpreisen aufgesessen wären:"Jeder Landwirt muss sich der Risiken bewusst sein, die jedes Geschäft mit sich bringen kann. Ich denke, dass die Landwirte gut kalkulieren können. Es geht aber nicht um einen Kampf der Milchhersteller gegen Madeta, denn auch in anderen Teilen Tschechiens wird nach dem Beitritt zur Union mehr Milch in den EU-Raum exportiert. Das ist also kein Spezifikum von südböhmischen Milchbauern, deren Abnehmer nicht nur auf deutscher, sondern auch auf österreichischer Seite zu finden sind."
Den tschechischen Landwirten würde es, so Novotny weiter, in erster Linie um gerechte Preise für ihre Produkte gehen, die man bereits jahrelang von den heimischen Milchverarbeitern eingefordert hatte. Letztere hätten früher jedoch eine faktische Monopolstellung gehabt, die Landwirte in den einzelnen Regionen hatten daher keine Chance, auch wirklich etwas zu erreichen, fügt der Vizepräsident der Tschechischen Agrarkammer hinzu:
"Also die Tschechische Agrarkammer unterstützt eindeutig das Ansinnen der tschechischen Landwirte, einen optimalen Preis für ihre Erzeugnisse zu erzielen. Der Preis, der bisher für Milch gezahlt wurde, deckte nicht einmal die Herstellungskosten. Durch die Öffnung des europäischen Marktes nach dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union hat sich nun für die Landwirte die Möglichkeit ergeben, die höchstmöglichen Preise zu erzielen."Der Konflikt um die tschechischen Milchexporte nach Deutschland bekam unlängst auch eine politische Dimension. Der tschechische Landwirtschaftsminister Jaroslav Palas kündigte an prüfen zu wollen, ob nicht bei den Milch-Exporten aus Tschechien geltende Gesetze und europäische Normen verletzt würden. Diese schreiben nämlich vor, dass die Hersteller ihre Milch entweder gleich weiterverarbeiten oder aber an ein entsprechendes Verarbeitungsunternehmen weiterleiten müssen. Bislang wird jedoch die südböhmische Milch an tschechische Tochterfirmen der deutschen Molkereien geliefert, die also de jure eine weitere und somit unzulässige Zwischeninstanz darstellen.
Der Direktor der Firma Madeta, Milan Teply, begrüßt den Vorstoß des Ministers, wenn er meint:
"Ich erwarte, dass sich die tschechische Regierung ähnlich verhalten wird wie die deutsche oder die bayrische, wenn deren eigene Landwirte, die durch europäische und nationale Mittel gefördert werden, mit ihrer Produktion und ihrem Mehrwert in ein anderes Land gehen würden."
Weitaus skeptischer ist dagegen der Vizepräsident der Tschechischen Agrarkammer, Pavel Novotny. Er befürchtet, dass der Minister der Versuchung unterliegen könnte, den freien Warenaustausch zu regulieren, oder zumindest zu beeinträchtigen, wie er im Gespräch mit Radio Prag abschließend ausführt:
"Ich hoffe, dass keine Maßnahmen gegenüber den Landwirten ergriffen werden, denn das würden wir als eindeutig diskriminierend werten. Wir wollen das, was uns zusteht, und wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, die sich durch den EU-Beitritt eröffnet haben. Jegliche Versuche, dagegen administrativ vorzugehen, würden wir im Zusammenhang mit dem freien europäischen Markt als eine absolut falsche Entscheidung verstehen. Wir hoffen natürlich, dass es nicht so weit kommen wird."