Brazzale Moravia: Italienische Käsekunst aus Mähren
Der weltweit größte Produzent von Grana – also der Überart des Parmesan – sitzt nicht in Italien. Die meisten Laibe des traditionellen italienischen Hartkäses entstehen nämlich im mährischen Litovel. Verantwortlich dafür ist der Unternehmer Roberto Brazzale aus dem Veneto. Die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks haben ihn nach seinem (Erfolgs-)Rezept gefragt.
So erläutert Roberto Brazzale – zum Einstieg auf Tschechisch – seine Faszination für Tschechien. Der Unternehmer ist derzeit der erfolgreichste Spross der Familie Brazzale, die im norditalienischen Veneto bereits seit 1650 im Buttergeschäft ist. Seit Ende des 18. Jahrhunderts ist Brazzale ein richtiges Unternehmen. Anfang der 1990er Jahre wagte Brazzale jedoch einen Schritt nach Moravia, also nach Mähren, und produziert dort seitdem Käse vom Typ Grana. Damals kaufte er in Litovel den Betrieb einer Tschechin, die in Modena auf den Hartkäse gekommen war. Mittlerweile ist Brazzale Moravia der größte Hersteller des beliebten italienischen Hartkäses weltweit. Wie konnte es aber klappen, die mediterrane Käsetradition ins kühle Mitteleuropa zu bringen? Tschechen und Italiener würden sich einfach gut verstehen, meint Roberto Brazzale:
„Das auf jeden Fall so, wenn es ernst wird, um öffentliche und private Dinge richtig anzupacken. Wobei ich bei den Italienern immer eher die Venezianer im Sinn habe, die ja über Jahrhunderte eigenständig waren. Die Tschechen und Italiener ergänzen sich sehr gut vom Temperament her. Da wird aus Eins und Eins nicht nur Zwei, sondern gleich Drei, wie man bei uns sagt.“Der Grana von Brazzale macht ein Drittel der gesamten Käse-Exporte Tschechiens aus. Doch auch im Inland hat das Unternehmen eine starke Stellung. Dabei sind die Tschechen nicht gerade dafür bekannt, echte Käse-Feinschmecker zu sein. Wie hat er sie trotzdem dazu gebracht, sich echte italienische Tradition auf die Nudeln zu streuen?
„Der typisch tschechische Eidam (Käse nach Edamer-Art, Anm. d. Red.) beispielsweise eignet sich gut für andere Gerichte außer Nudeln. Ein Käse vom Typ Grana passt aber nicht nur ausgezeichnet zur Pasta, sondern auch zu Fleisch oder Suppen. Hier in Tschechien gilt Bier als flüssiges Brot. Unser Käse zusammen mit dem tschechischen Bier, das ist eine perfekte Mahlzeit.“Neue Ideen für ein langsames Geschäft
Beim Käse ist es ein bisschen so wie beim Wein, schnell wird man damit nicht reich. Denn der Käse muss mehrere Monate lang reifen, bis er die richtige Würze hat. Das weiß auch Roberto Brazzale. Für ihn ist aber gerade das der Reiz an seinem Produkt:
„Die Zubereitung des Käses läuft auf typisch italienische Weise. Man braucht dazu große Lagerkapazitäten und Einrichtungen für das lange Reifen der Laibe. Deshalb ist immer auch eine Finanzplanung mit langem Vorlauf nötig. Ein guter Grana reift mindestens ein Jahr, deshalb haben wir so auch ein Vermögen in unseren Lagerhallen. Auf der anderen Seite ist Käse immer eine sehr solide Ware, er ist sogar solider als damals die Deutsche Mark.“Brazzale Moravia lebt aber nicht nur vom Käse allein. Vor einigen Jahren hat die Firmenleitung ein komplett neues Konzept der Vermarktung gestartet – und überall in Tschechien schossen sogenannte Formaggierie wie Pilze aus dem Boden. Im Grunde handelt es sich dabei um kleine italienische Feinkostläden, bei denen aber vor allem Käse die Hauptrolle spielt:
„Ich bin mit dem Konzept nicht nur zufrieden, ich bin davon regelrecht begeistert. Und nicht nur davon, wie die Läden bei unseren Kunden ankommen. Auch unsere Mitarbeiter leisten dort ganze Arbeit. Sie sind sehr interessiert und nehmen alle unsere Ideen mit Freude an. Die Philosophie hinter den Formaggerie ist, dass der Einkauf für den Kunden und den Verkäufer ein Fest ist. Wenn dem nicht so wäre, könnten wir unsere Geschäfte dichtmachen.“Export auch nach Italien
Die Formaggerie sind aber nicht nur in Tschechien ein voller Erfolg, sondern mittlerweile selbst schon ein richtiger Exportschlager:
„Wir haben bereits einen Laden in China und vier in Italien. Unser Hauptaugenmerk liegt aber tatsächlich auf dem Geschäft in Tschechien, da stecken wir unsere gesamte Energie hinein.“Roberto Brazzale sieht in den kleinen Käseshops allein aber nicht die Zukunft des Unternehmens. Man will sich dennoch auf die Zusammenarbeit mit den großen Einzelhandelsketten hierzulande verlassen. Auch wenn diesen etwas ganz besonderes fehlt:
„Die kleinen Läden ergänzen den Vertrieb über die Supermärkte. Es geht dabei ums Einkaufserlebnis, das in den Formaggerie ein ganz anderes ist. Im Grunde sind sie eine Art Ergänzung und beide Geschäftsmodelle können problemlos nebeneinander laufen. Insgesamt haben wir aber nur gute Erfahrungen mit den Einzelhandelsketten hierzulande.“
Der Käse-Unternehmer aus dem Veneto lobt insgesamt die tschechische Wirtschaft und die ökonomische Vernunft des Staates. Als lauter Gegner des Euro lobt Brazzale außerdem das Festhalten an der Krone. Durch den Währungsunterschied habe er zumindest keine Nachteile, so Brazzale. Er hebt aber vor allem hervor, wie gut die Landwirtschaft hierzulande funktioniert. Denn der Grana-Produzent kauft seine Milch in erster Linie von tschechischen Kühen:„Ich schätze die Landwirtschaft in Tschechien sehr. Klar gibt es immer Raum für eine weitere Entwicklung. Hier steht die Landwirtschaft aber so viel besser im Einklang mit der Umwelt als in vielen anderen Ländern. Das zeigt sich auch an der steigenden Qualität der Produkte. Das Problem ist jedoch, dass die Branche sich nach den Verordnungen aus Brüssel richten muss. Ich halte das für Planwirtschaft, mit all ihren Fehlern.“
Der Betrieb hatte aber in Tschechien noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen:„Unsere Probleme mit dem Arbeitskräftemangel haben sich ein bisschen gebessert. Das hängt auch mit den steigenden Löhnen zusammen, da holt Tschechien auf gegenüber anderen Ländern. Doch es muss immer gelten, dass einer Lohnerhöhung auch ein Wachstum bei der Produktion folgt.“
Erfolgsrezept Familienunternehmen
Wie gesagt, die Familie Brazzale stellt schon seit dem 17. Jahrhundert Butter und Käse her. Bis heute sieht sich das Unternehmen deshalb als Familienbetrieb. Roberto Brazzale hat damit ein Konzept nach Tschechien gebracht, dass hierzulande eigentlich in Vergessenheit geraten war:
„Dass ein Familienbetrieb wie unserer so lange aushält, das ist schon außergewöhnlich. Nichtsdestotrotz haben Familienunternehmen eine sehr lange Tradition in Italien. Denn sie sind mehr als nur Firmen – man kann das eher mit einer Gemeinschaft oder einem Klan vergleichen. Solche Betriebe richten sich nach einer langfristigen Perspektive und haben immer das Wohl der Gemeinschaft im Sinn – auch das der Angestellten. Die Familienmitglieder sind dabei nicht nur Eigentümer, sondern Teil dieser Gemeinschaft. Diese muss immer im Vordergrund stehen, auch bei Fragen der Effizienz und des Profits. “Insgesamt ist die Familie für den Italiener wichtig. Und sie war schon immer ein Begleiter seiner professionellen Laufbahn – auch als er fasst Organist geworden wäre. Das war aber dann doch nichts für ihn:
„Meine Mutter war eine international anerkannte Konzertmeisterin. Ich war immer so ihr Assistent und habe sie auf ihren Reisen durch die Welt begleitet. Aber ich spiele sehr schlecht. Deshalb mache ich andere Sachen, wenn es um die Musik geht. So organisiere ich gerne Musikfestivals. Jeder muss halt seine Rolle finden.“Roberto Brazzale ist sehr begeistert vom Konzept des Familienbetriebs. Und er berät auch gerne tschechische Unternehmer, die bald ihre Firma an den Nachwuchs abgeben müssen:
„Eigentlich ist das ein ganz normaler Vorgang. In Tschechien ist aber außergewöhnlich, dass so langsam die überhaupt erste Generation von Unternehmern sich zur Ruhe setzt. Ich durfte unsere Erfahrungen schon in der Prager Wirtschaftsuni an die tschechischen Kollegen weitergeben. Meiner Meinung nach sollte man den Dingen ihren Lauf lassen. Man muss nur denjenigen in der Familie unterstützen, der Interesse und Leidenschaft zeigt für den Betrieb. Man darf nur nie jemanden dazu zwingen, ein Unternehmer zu sein.“
Das Haus Brazzale macht sich in dieser Richtung kaum Sorgen:„Vor rund zehn Jahren haben meine Brüder und ich das Zepter übernommen und viel verändert nach fünf Generationen Stillstand. Damals hatten wir sehr viel Kapital zur Hand, das wir für die Expansion nach Tschechien verwendet haben. Das war eine ganz natürliche Entwicklung. Wer am Ende das Unternehmen weiterführt, das wird die Zeit schon zeigen.“