Krise in der CSSD: Gespräch mit Jiri Loewy
Die Tschechische Sozialdemokratie durchlebt derzeit gewiss eine Krise. Spätestens bei der Abstimmungsniederlage bei der Präsidentenwahl in der vergangenen Woche, als offensichtlich gleich mehrere Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei (CSSD) gegen den Regierungskandidaten Jan Sokol stimmten und somit dem konservativen Kandidaten Vaclav Klaus in das Präsidentenamt verhalfen, wurde dies klar sichtbar. Gerald Schubert berichtet:
"Ich bin über diese Situation natürlich überhaupt nicht glücklich. Aber ich habe auch gewisse Limits, die einfach durch die Entfernung gegeben sind. Ich kann also eigentlich nur die Ergebnisse beurteilen, und die waren ja tatsächlich katastrophal. Wenn Politiker so evident lügen, wenn sie sich auf einen Kandidaten einigen und dann bei der geheimen Stimmabgabe das Gegenteil tun und einen Klaus auf die Burg bringen, da kann ich nur sagen: manche der heutigen Abgeordneten der CSSD haben sich sichtlich in der Tür geirrt, als sie in diese Partei eingetreten sind. Denn von der Gesinnung her sind sie alles mögliche, nur keine Sozialdemokraten."
Und wie steht es um die vielzitierten Auseinandersetzungen zwischen Parteichef Vladimir Spidla und seinem Vorgänger Milos Zeman, der nun als Pensionist die neue Parteiführung immer wieder attackiert und neulich sogar über die Medien zum Rücktritt aufgefordert hat? Worin liegen eigentlich die politischen Perspektiven von Zeman und seinen Anhängern, wie verlaufen hier eigentlich die ideologischen Fronten? Loewy:"Ich weiß nicht, ob das Milos Zeman heute selber weiß. Ich glaube, dass man da von irgendwelchen ideologischen Gegensätzen überhaupt nicht ausgehen kann, sondern dass es sich um persönliche Interessen, materielle Interessen gewisser Gruppen handelt. Also um Klientelismus, durch den diese Gesellschaft regelrecht durchwachsen ist. Und ich glaube, wem an dieser Sozialdemokratie und an der Zukunft des Landes etwas gelegen ist, der hat eigentlich in diesem Augenblick keinerlei Alternative zu Spidla. Spidla muss gestützt werden. Er hat sich zwar nicht besonders geschickt verhalten, aber so lange es ihn an der Spitze der Regierung gibt, ist noch Hoffnung. Anders verfällt alles in ein Chaos, und das sollte man sich nicht wünschen. Denn ich glaube, ganz Europa hat Interesse an stabilen Zuständen in der Tschechischen Republik."