Kunst auf dem Gehsteig: Ladislav Špaček über das Mosaikpflaster von Prag

Foto: Martina Schneibergová

Sie findet sich in der Prager Altstadt, auf der Kleinseite, aber auch in Stadtteilen wie Vinohrady und Žižkov. Und wenn man nicht nur die Fassaden der Häuser bewundert, sondern den Blick einmal nach unten lenkt, kann man sie nicht übersehen: Die spezielle Pflasterung der Gehsteige in Prag ist ein Unikum. An vielen Orten der Hauptstadt entdeckt man auf dem Boden Muster, häufig zweifarbig, gestaltet aus Pflastersteinen. Die Anfänge dieser Bodenmosaike liegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, der qualitative Marmor dafür kam aus den Steinbrüchen vor den Toren der Stadt. Weil man die Gehwege und Straßen repräsentativ gestalten wollte, verbreitete sich die originelle Pflasterung bald in der gesamten Moldaumetropole. Der Archäologe Ladislav Špaček, der lange Zeit für das Amt für Denkmalschutz gearbeitet hat, ist ein Experte für die Mosaikpflaster in Prag.

Foto: Martina Schneibergová
Herr Špaček, seit wann gibt es das Mosaikpflaster auf den Prager Gehsteigen?

„Ganz klar ist das nicht, aber wahrscheinlich bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Anfänge sind nicht belegt, denn die Mosaike sind nur selten datiert. Nur bei den Eingängen in Kirchen, an den Pestsäulen oder den Mariensäulen gibt es manchmal eine Inschrift mit dem Entstehungsdatum des Mosaikpflasters.“

Wie entstand diese Art der Pflasterung?

„Das ist schwer zu sagen. Meiner Meinung nach hängt es damit zusammen, dass es damals in den Steinbrüchen viel Abfall gab. Diese Steinabfälle konnte man für die Pflasterung verwenden. Allerdings ist das meine persönliche Meinung. Bevor sich dieses Mosaikpflaster verbreitete, gab es schon Pflasterungen, für die bestimmte Steinfragmente benutzt wurden. Aber spätestens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Fußwege mit Steinplatten gepflastert. Es handelte sich dabei um Marmorplatten aus Slivenec am Stadtrand von Prag. Das war bestimmt praktischer, als Steine zu spalten und damit Muster und Ornamente zu gestalten.“

War dieses Mosaik eine Spezialität von Prag oder war es auch in anderen Städten verbreitet?

Foto: Martina Schneibergová
„Es ist schwer zu sagen, ob es in Prag früher als anderswo auftaucht. Aber wahrscheinlich war Prag der Vorreiter, denn die Stadt war reicher als andere. Interessant ist aber, dass es bestimmte Pflastermuster gibt, die nur für Prag typisch sind. Normalerweise wurden die ganzen Gehsteigflächen ausschließlich in zwei Farben gestaltet: in rosa – das ist die Farbe des Marmors aus Slivenec – und in blau oder fast grau. In anderen Städten – beispielsweise in Mladá Boleslav – wurde auch mit Marmor aus Slivenec gepflastert, aber ich glaube, dass er dort später als in Prag zum Einsatz kam. Das ist aber nur meine Vermutung. Die Ornamente in anderen Städten sind oft bedeutend komplizierter als diejenigen von Prag. Wahrscheinlich meinten die Bewohner: ‚Wenn die Prager so etwas haben, müssen wir es auch haben, doch wir müssen das noch besser gestalten.‘ In Prag war üblich, dass es vor jedem Haus ein anderes Pflastermosaik gab, fast immer war die Pflasterung nur zweifarbig. An einigen Orten Prags – wie beispielsweise in den bis 1922 selbstständigen Städten Vinohrady oder Žižkov – gab es ganze Straßen mit einem einzigen Pflastermuster.“

Sie haben bisher zwei Farben der Pflasterung erwähnt – rosa und grau oder blau. Heutzutage sieht man aber vielerorts auch weiße Pflastersteine. Wie kommt das?

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„Die weiße Farbe war ursprünglich der Ausnahmefall. Eine weiße Pflasterung gab es nur vor offiziellen Gebäuden: etwa vor dem Magistrat, vor Gerichtsgebäuden, dem Kunstgewerbemuseum oder vor dem Gemeindehaus (Obecní dům). Heute wird das alte rosa Mosaik häufig durch ein weißes ersetzt. Das ist aber schlecht, weil sich damit das Bild der Straße vollständig verändert. Es wirkt irgendwie hart. Die Kombination von rosa und blau war mild und weich. Auch die Verarbeitung unterscheidet sich heute von den früheren Verfahren. Heutzutage werden die Pflastersteine geschnitten, früher wurden sie gespalten. Mit den gespaltenen Mosaiksteinen, die von unterschiedlicher Größe und Form waren, konnte man die verschiedensten Muster gestalten. Mit geschnittenen Steinen können dagegen nur rechtwinklige Muster gestaltet werden. Das finde ich schade. Es geht nicht nur um die Form, sondern auch um die Maße. Früher hatte man ein Muster in einem bestimmten Maßstab ausgeführt. Jetzt ist das wegen der exakten Form der Steine nicht mehr so gut möglich. Für krumme Linien kann man sie gar nicht verwenden. Das ist sehr schade, weil man dadurch die komplizierten Pflastermuster kaum retten kann.“

Gibt es überhaupt noch Handwerker, die imstande sind, einen Gehsteig mit einem Mosaikmuster zu pflastern? Wird das noch irgendwo gelernt?

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„Es ist schwierig. Es gibt zwar Handwerker, die das machen. Aber oft haben sie nicht genügend Erfahrung, um es richtig zu gestalten und machen viele Fehler. Auch in der Planung werden viele Fehler gemacht. Die Straßenbauer sind sich nicht bewusst, dass man ein Mosaikpflaster planen muss. Für ein bestimmtes Muster muss man auch eine entsprechende Breite haben und man kann die einzelnen Elemente des Pflasters nicht richtig schneiden. Wenn man zum beispielsweise ein Schachbrettmuster hat und dieses schräg legt, müssen die Steine – die einzelnen Elemente des Musters – nur direkt diagonal geschnitten werden. Das ist genauso wichtig wie die Muster selbst.“

Die Mosaikmuster haben in Prag auch verschiedene Namen. Können Sie einige Beispiele davon nennen?

„Zunächst einmal das Schachbrett – die Pflasterer nennen es auch die Dame. Dann gibt es zum Beispiel Drachen, Sterne und Kreuze und die sogenannte ‚Siebzig‘ mit oder ohne Dame. Alle Muster bis auf das Schachbrett kann man so zu sagen negativ oder positiv ausführen, das heißt die Farben wechseln. Die ganze Straße kann mit demselben Muster gepflastert werden, aber wenn die Farben wechseln, wirkt es irgendwie spannend und malerisch.“

Was für ein Material wurde für die Pflastersteine verwendet? War es derselbe wertvolle Marmor, den auch Bildhauer benutzt haben?

„Ja, genau. Das war dieselbe Qualität, die für Skulpturen verwendet wurde. Sonst hätte man es nicht so gut spalten können. Zuerst hat man eine Platte gespaltet und davon dann die Steine.“