Kurz vor EU-Beitritt: Neue Schulnoten aus Brüssel und Straßburg

Foto: Europäische Kommission

Die Vorbereitung der zehn Beitrittsstaaten - darunter auch Tschechiens - auf die EU-Mitgliedschaft ab 1. Mai, die war schon des Öfteren Gegenstand diverser Brüsseler Berichte gewesen. Monitoring nennt man jenen Vorgang, mit dem sich die Institutionen der Europäischen Union ein Bild von den Fortschritten und vor allem von den Mängeln der künftigen Partner und ihrer Beitrittsvorbereitungen machen. In den letzten Tagen gab es wieder einmal Einschätzungen über den Stand der Dinge bei den Neuen, und zwar in Straßburg und in Brüssel. Mehr von Gerald Schubert:

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Wenn das Europäische Parlament eine Resolution über die EU-Reife der Beitrittsstaaten verabschiedet, dann klingt das ein bisschen anders, als wenn die Europäische Kommission sich mit derselben Aufgabe befasst. Denn in einem Fall ist die Veröffentlichung das Ergebnis einer parlamentarischen Debatte, im anderen Fall gibt es Fortschrittsberichte aufgrund von diversen Expertengutachten und Delegationsberichten. In Straßburg, also auf der Sitzung des Europaparlaments, stand vorige Woche etwa das umstrittene Thema Kinderprostitution im Mittelpunkt. Zur Erinnerung: Eine deutsche NGO hatte auf angeblichen gewerbsmäßigen Kindesmissbrauch in den grenznahen Gebieten Tschechiens verwiesen, Prag hatte die Anschuldigungen wiederholt als übertrieben zurückgewiesen. Der christdemokratische Senator Josef Vaculik, derzeit Beobachter im europäischen Parlament, am Rande der Debatte über den inkriminierten Straßenabschnitt:

"Ich glaube, es gibt keinen großen Unterschied zwischen der E-55 und der hiesigen Brücke über den Rhein, zwischen Straßburg und dem deutschen Kehl", so Vaculiks Vergleich mit jenem deutsch-französischen Grenzübergang, der ebenfalls als Treffpunkt von Prostituierten aus mehreren Ländern bekannt ist.

Das EU-Parlament hielt jedenfalls den Vorwurf der Kinderprostitution für nicht ausreichend erwiesen, in der Resolution beschränkte man sich auf die Formel, "angeblicher Menschenhandel" müsse bekämpft werden.

Mittlerweile wurde auch der Inhalt eines Briefes bekannt, den die Europäische Kommission an Tschechien gerichtet hat, und in dem abermals auf bestimmte Mängel in der Legislative und Verwaltung hingewiesen wurde. Überraschungen gab es dabei nicht. Es handelt sich bei den beanstandeten Punkten vielmehr um jene Versäumnisse, die schon in mehreren Kommissionsberichten angeprangert worden waren und deren Lösung noch nicht ganz zu Ende geführt werden konnte. Hauptsächlich betrifft dies die Hygienebestimmungen in der Lebensmittelindustrie oder auch die verschleppte Einrichtung einer landwirtschaftlichen Zahlungsagentur, über die Förderungen aus der EU vorschriftsmäßig abgewickelt werden können.

Doch wirkliche Drohungen wurden vonseiten Brüssels nicht ausgesprochen, Tschechien ist in den meisten Bereichen auf einem guten Weg. Und einer hat ein ganz besonderes Interesse daran, bis zum 1. Mai die Vorbereitungsarbeiten möglichst weit voranzubringen: Der tschechische Botschafter bei der EU, Pavel Telicka, der mit dem Tag des Beitritts in die Kommission wechselt und wohl seinem eigenen Herkunftsland nicht gleich zu Beginn mit Sanktionen drohen will.