Lars Norens Dämonen stellten sich erstmals in Tschechien vor

Dämonen (Foto: www.ndbrno.cz)

Shakespeare, Moliere, Ibsen, Schiller, Tschechow, Lope de Vega und andere klangvolle Namen sind auf tschechischen Theaterbühnen schon lange beheimatet. Andere hingegen wie etwa Botho Strauss, Elfriede Jelinek, Thomas Bernhard und viele viele andere finden auch trotz internationaler Erfolge eher mühsam den Weg auf eine tschechische Bühne. Einigen ist es bis heute nicht gelungen, oder wenn doch, müssen zunächst viele Jahre vergehen. Das war auch bei dem weltweit anerkannten Schweden Lars Noren der Fall. Vor einer Woche wurde - jedoch nicht in Prag, sondern in Brno (Brünn) - erstmals hierzulande ein Stück von ihm aufgeführt. Jitka Mladkova war für den nun folgenden Kultursalon dabei:

Lars Noren, auch der zweite Strindberg genannt, wurde im Jahr 1983 in seinem Heimatland Schweden zum Dramatiker des Jahres gekürt. Seit der Theatersaison 1983/84 zogen sein Erstlingswerk Dämonen wie auch weitere Stücke durch die Welt und ernteten internationalen Erfolg. Bis in die frühen Neunziger war ihr Thema der Ehekrieg. Um auf eine tschechische Bühne zu gelangen, mussten 22 Jahre vergehen. Am 29.September dieses Jahres stellte sich Lars Noren, besser gesagt sein Drama Dämonen, in der tschechischen Erstaufführung im südmährischen Brno vor. Die gnadenslose Seelenschlacht zweier Ehepaare platzte auf die Brünner Bühne Reduta mit Schwung und voller Härte:

"Entweder ich bring dich um, oder du mich, oder wir trennen uns, oder wir machen so weiter", sagt am Anfang Katarina ihrem männlichen Gegenüber Frank. So sieht der aktuelle Stand der Dinge nach ihrer langjähruge Beziehung aus. Sie hassen sich und können doch nicht voneinander lassen. Um nicht schon wieder einen Abend zu zweit verbringen zu müssen, laden sie das Nachbarehepaar zu sich ein.

Die Gespräche der Protagonisten - sei es zu zweit, zu dritt oder zu viert - lassen keinen Zweifel daran zu, dass ihre Partnerschaftsbeziehungen einem Trümmerhaufen gleichen.

"Reduta" ist eine der Bühnen des Nationaltheaters Brünn. Idee der künstlerischen Theaterleitung war es, das Programm der Reduta etwas moderner zu gestalten. Dabei fiel die Wahl auf Lars Norens Stück "Dämonen" und zugleich auch auf den deutschen Gastregisseur Andre Hübner-Ochodlo. Das Drama hat in seinen Augen auch 22 Jahre nach seiner Entstehung nicht an Aktualität verloren.

"Es ist absolut ein ewiges Thema. Zum Beispiel "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" von Albee ist eigentlich dasselbe. Kürzlich gab es wieder eine große Inszenierung in Berlin. Das sind Stücke, die immer wieder auf den Spielplan kommen. Es wachsen auch immer wieder neue Generationen heran. Die Generation, die mal die Dämonen vor 20 Jahren gesehen hat, ist nicht mehr die Generation, die heute kommt, um sich das Stück anzusehen. Partnerschaftsbeziehungen sind ein absolut universelles Thema."

Für den Regisseur ist aber nicht nur das Thema wichtig. Hübner-Ochodlo, der seit über 20 Jahren auch in Polen lebt, wo er 1989 in Sopot direkt am Strand das bekannte Theater Atelier gegründet hat, arbeitet sehr intensiv mit den Schauspielern zusammen. Sie sollen schließlich dem Zuschauer die Botschaft des Autors, wie sie der Regisseur versteht, vermitteln:

"Für mich ist manchmal gar nicht das Thema das allerwichtigste im Theater. Für mich ist zum Beispiel wichtig einen Theaterabend erleben zu können, an dem es ein Konzert der Schauspieler gibt. Ich glaube, dass es uns hier gelungen ist. Die vier tschechischen Schauspieler spielen meiner Meinung nach fast wie in einem Traum. Sie spielen phantastisch! Wir haben hart daran gearbeitet. Ich bin sehr glücklich, dass ich mich hier mit so einem guten Ergebnis verabschieden kann. Das ist nämlich für mich das größte Kompliment, wenn die Schauspieler ihre Rolle so großartig spielen. Das Theater ist doch auch dazu da, um in den Menschen etwas zu berühren und in ihnen etwas hervorzurufen, was sie vielleicht bis jetzt nicht über sich wussten und was sie etwa nur geahnt haben. Das Theater soll auch unbequem sein, um den Zuschauer auch ein bisschen zu beunruhigen. Dafür ist dieses Stück, glaube ich, wenn es intensiv gemacht wird, immer wieder gut."

Mit Partnerschaftsbeziehungen hat jeder von uns seine Erfahrung gemacht, sagt der deutsche Regisseur und hält auch die Theaterbühne für den richtigen Ort, gerade das heute so oft problematische zwischenmenschliche Verhältnis zu thematisieren:

"Frank sagt im Stück: Wir sollten zum Familientherapeuten gehen, aha, da waren wir schon. Vielleicht sollte ich auch weggehen. Das Schreckliche an diesen Ehebeziehungen ist es, dass sie zu lange dauern und dass die Menschen sich zu spät trennen. Das ist das Karussell der ewigen Aggressionen. Viele Menschen können auch nicht weggehen. In Europa sind etwa 50 Prozent der Ehen geschieden worden. Es ist also in der Tat ein ewiges Thema. Es gibt die Singleströmungen, die Scheidungsraten nehmen eher zu als ab usw. Von daher glaube ich schon, dass das Theater ein Platz dafür da ist, um darüber zu sprechen, woran dieses Problem liegen könnte."

Unmittelbar nach der Vorstellung habe ich nolens volens drei Damen, die vorher im Publikum saßen, über das Stück diskutieren gehört. Eine von ihnen kommentierte: Sie und ihr Ehemann könnten genauso gut das Stück besetzen und etwas aus ihrem eigenen Leben vorspielen.

Dass der deutsche Regisseur - dank seiner Verbindung zu Polen nicht selten auch als deutsch-polnischer Regisseur bezeichnet - in das südmährische Brno kam, um Noren einzustudieren, darum hat sich auch der junge Dramaturg am Brünner Nationaltheater, Petr Stedron, verdient gemacht. Über die Inszenierung sagt er:

"Dieses Stück ist eigentlich sehr bekannt. Ich habe mich aber die ganze Zeit gewundert, warum Lars Noren nicht früher den Weg auf tschechische Bühnen gefunden hat. Der Text ist höchst aktuell und wird auch noch in zwanzig, dreißig Jahren aktuell sein. Von der Sprache und von dem Textaufbau her ist das Stück sehr, sehr gut komponiert worden und sehr stark. Deswegen haben wir es gewählt und wussten auch, dass Andre Hübner-Ochodlo etwas damit anfangen kann."

Wieso hat es aber so lange gedauert, bis das Stück des schwedischen Dramatikers Noren den Weg auf die tschechische Bühne fand, wenn es doch nicht Schuld des Autors ist. Petr Stedron:

"Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Generell kann ich aber sagen, dass das tschechische Publikum bzw. die tschechischen Theaterhäuser ein bisschen konservativ sind. Es geht nicht nur um Noren, sondern auch um Stücke von Botho Strauss, Elfriede Jelinek und anderen. Die werden halt sehr selten aufgeführt. Norens Stück ist zwar über 20 Jahre alt, aber hierzulande wirkt es wie eine Bombe. Es ist wirklich sehr schwer, etwas Zeitgenössisches für die Dauer zu bringen und im Repertoire zu halten."

Die Premiere sollte ursprünglich erst Mitte Oktober stattfinden, doch mehrere technische und organisatorische Gründe hätten einen vorgezogenen Termin erzwungen. Deshalb sei man unter Zeitdruck geraten, sagt Marika Prochazkova, Schauspielerin am Brünner Nationaltheater und die Katarina in Norens Dämonen. Zu ersten Proben war das Schauspielerteam dabei bereits im Juni mit Andre Hübner-Ochodlo zusammengekommen. Im Juli fuhren die Schauspieler nach Sopot, um unter seiner Regie mehrere Filmsequenzen für die Inszenierung zu drehen. Dann kam der Regisseur nach Brno. Marika Prochazkova erzählt:

"Wir haben uns sehr darauf gefreut, weil der Herr Regisseur eine äußerst inspirative Persönlichkeit ist, die über unheimlich viel positive Energie verfügt. Ich hatte in Prag Gelegenheit gehabt, mit vielen außergewöhlichen Regisseuren zusamenzuarbeiten, muss aber gestehen, dass ich bisher noch nie etwas Ähnliches erlebt habe."

Und wie hat man sich während der Zusammenarbeit an der Inszenierung verständigt? Es sei einfach gewesen, schwärmt die Katarina-Darstellerin:

"Wir hatten unsere eigene Sprache. Wir sprachen polnisch-tschechisch-slowakisch-deutsch-englisch-russisch. Am Anfang, bevor der Regisseur hier herkam, hatten wir auch ein bisschen Angst, wie die Verständigung funktionieren würde. Er ist aber unglaublich ideenreich und inspirativ. Wenn ein Wort unverständlich war, dann half eine Geste oder einfach die Energieausstrahlung. Wir haben auch sehr schnell polnische Ausdrücke gelernt, die er benutzte, und er lernte wiederum schnell Tschechisch. Ich muss sagen, es war keine Sprachbarriere zwischen uns zu spüren."