„Leontinchen ist von uns gegangen“ – Die Schauspielerin und Regisseurin Dana Vávrová

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Die Schauspielerin und Regisseurin Dana Vávrová ist am 5. Februar in München verstorben. Der frühe Tod der beliebten Filmdarstellerin, die einem Krebsleiden erlag, löste in der Kinowelt tiefe Betroffenheit aus. Dana Vávrová ist durch Streifen wie „Die Gustloff“, „Bergkristall“ und „Schlafes Bruder“ berühmt geworden. Wenig bekannt ist jedoch, dass die Schauspielerin aus Prag stammte und hier schon als Kinderstar Karriere machte. Wir möchten mit dieser Ausgabe von „Kultursalon“ gerade an die Kindheits- und Jugendjahre von Dana Vávrová erinnern.

Es leben die Geister!
Das Rollenspiel faszinierte Dana Vávrová schon als Kind. Sie und ihre ältere Schwester Hana spielten in Kindertheatergruppen mit. Der Ehrgeiz der Mutter führte dazu, dass sich die Mädchen bald um Rollen in Kinderfilmen bewarben. Schon als Neunjährige wurde Dana für eine Hauptrolle ausgewählt, und zwar für die Rolle des Mädchens Leontinchen in der Märchenkomödie „Es leben die Geister!“ von Oldřich Lipský.

Die Prager Dramaturgin Marcela Bittrmannová erinnert sich an Dana Vávrovás ersten Film:

Es leben die Geister!
„Die Rolle des Leontinchens war eine markante Rolle. Das Mädchen Leontinchen war die Tochter eines Burgherrn und eigentlich ein übernatürliches Wesen. Dana Vávrová spielte diese Rolle mit enormem Elan, und sie wurde dadurch sehr populär. Leontinchen wurde bei uns ein Begriff für eine Märchenfigur, etwas Ähnliches wie zum Beispiel das Aschenputtel,“

Marcela Bittrmannová hat Dana Vávrovás Werdegang als Schauspielerin von den Anfängen an mitverfolgt. Bei der Märchenkomödie „Es leben die Geister“ war sie zwar selbst nicht beteiligt, sie war jedoch bei der Entstehung des Films dabei. Die kleine Dana habe, erinnert sich Marcela Bittrmannová, bei den Dreharbeiten bereits Charaktereigenschaften erkennen lassen, die sie auch später, als Erwachsene, noch hatte:

„Sie hatte die seltene Eigenschaft, dass sie schon von klein an Professionalität und Natürlichkeit verband. Man hatte bei ihr nie das Gefühl, dass ein Text einstudiert ist und sie ihn nur herunterbetet. Sie spielte sehr spontan. Gleichzeitig war sie sich jedoch dessen bewusst, dass sie eine Rolle spielte, und sie tat das sehr diszipliniert. Schon als kleines Mädchen konnte man mit ihr wie mit einer Schauspielerin arbeiten. Sie sträubte sich nicht dagegen, wenn sie Szenen wiederholen musste, man musste keine Tricks anwenden, um sie bei Laune zu halten.“

Die Rolle des Leontinchens habe sehr gut zu Dana Vávrová gepasst, meint Marcela Bittrmannová, auch deshalb, weil es eine Hauptrolle gewesen sei. Dana Vávrová konnte ihr Talent voll ausspielen. In den darauf folgenden Jahren trat der kleine Kinderstar wiederholt in Nebenrollen von Filmen für Erwachsene auf, darunter auch in dem Streifen „Brontosaurus“, der den Umweltschutz zur Sprache brachte. Ein seltenes Thema in der damaligen Tschechoslowakei.

Eine Hauptrolle erhielt Dana Vávrová wieder 1979. Da war sie grade einmal 12 Jahre alt. Die Filmstudios Barrandov begannen damals mit den Dreharbeiten für „Arabella“. Die Fernsehserie für Kinder war eine Koproduktion mit dem Westdeutschen Rundfunk. Trotz des Eisernen Vorhangs waren tschechisch-deutsche Koproduktionen im Film nicht ganz ungewöhnlich. Beim WDR lief „Arabella“ später unter dem Titel „Die Märchenbraut“.

Ein Stück Himmel

In der phantastischen Märchenkomödie „Arabella“ liegen ein guter und ein böser Märchenkönig miteinander im Streit. Dana Vávrová verkörpert darin eine der beiden Töchter des guten Märchenkönigs. Die „Märchenbraut“ machte Dana Vávrová in Deutschland bekannt. Bald darauf wurde sie für die westdeutsche Produktion „Ein Stück Himmel“ engagiert. Die junge tschechische Darstellerin, noch halb Kind, spielte die Hauptrolle, das war die Rolle der polnischen Jüdin Janina. Der TV-Mehrteiler dokumentiert Janinas Jahre im Warschauer Ghetto, gezeigt wurde er in den achtziger Jahren in der ARD.

Man sei bei Dana Vávrová auch in den Jahren des Heranwachsens niemals ein Risiko eingegangen, wenn man ihr eine Rolle gab, erinnert sich Marcela Bittrmannová:

„Sie war eine sehr angenehme Erscheinung. Eine hoch gewachsene, schlanke Blondine. Manche Kinder ändern sich sehr, wenn sie in die Pubertät kommen, aber Dana Vávrová änderte sich kaum. Auch ihr Charakter ist im Grunde derselbe geblieben, die Filmrollen sind ihr nicht zu Kopf gestiegen. Eine Rolle mit Dana Vávrová zu besetzen, da hatte man immer absolute Sicherheit. Die Regisseure lobten sie alle dafür, dass sie mit ganzer Seele bei der Sache war.“

Bei den Dreharbeiten zu „Ein Stück Himmel“ lernte Dana Vávrová den Kameramann und späteren Regisseur Joseph Vilsmaier kennen. 1986 heiratete die erst Neunzehnjährige den um achtundzwanzig Jahre älteren Münchner. Danach spielte sie in mehreren Filmen ihres Ehemannes mit, unter anderem in „Herbstmilch“. Der Film erzählt das Schicksal der bayerischen Bäuerin Anna Wimschneider während der Hitler-Zeit. Als er 1988 gedreht wurde, sprach Dana Vávrová schon waschechten bayerischen Dialekt:

Es folgten weitere Spielfilme, wie „Schlafes Bruder“ oder „Stalingrad“, aber auch in Krimis und Fernsehserien spielte Dana Vávrová mit. 1997 gab sie mit einem Dokumentarfilm ihr Debüt als Regisseurin. Der abendfüllende Streifen „Wie die Zeit vergeht“ handelt von dem jodelnden österreichischen Musiker Hubert von Goisern.

Über all die Jahre in Deutschland hinweg blieb Dana Vávrová aber auch ihrer tschechischen Heimat verbunden. Sie pflegte die Beziehung zu ihrer Familie in Prag und Freundschaften mit Prager Schauspielern. Die Freizeit verbrachte sie gerne in ihrer ‚Chata’, ihrem Wochenendhäuschen, im Böhmerwald nahe der bayerischen Grenze. Besonders deutlich wird Dana Vávrovás emotionale Bindung an Tschechien in dem Film „Der Bär ist los“, bei dem sie selbst Regie führte. Die turbulente Komödie ähnelt in Stil und Genre ihren frühen Kinderfilmen. Neu ist darin die deutsch-tschechische Dimension. In „Der Bär ist los“ spielen deutsche und tschechische Schauspieler mit, Schauplätze der Handlung sind Orte in beiden Ländern.

Marcela Bittrmannová meint, dass der Film „Der Bär ist los“ die Sehnsucht Dana Vávrovás ausdrückt, ihre beiden Lebenswelten Tschechien und Bayern harmonisch vereint zu sehen.

„Ich glaube, dass das ein solcher Versuch war. In dem Film geht es eigentlich darum, dass die Leute aus dem bayerischen und dem tschechischen Ort anfangs kein Vertrauen zueinander haben. Aber dann kommen sie sich näher, obwohl sie die Kinder und den Bären suchen müssen. Und schließlich haben sie eine sehr gute Beziehung zueinander.“

In Tschechien sind die frühen Filmauftritte von Dana Vávrova unvergessen. Besonders ihre allererste Rolle, die Rolle des Leontinchens in „Es leben die Geister“, ist vielen Filmliebhabern hierzulande lebhaft im Gedächtnis haften geblieben. Das zeigte die Reaktion der tschechischen Medien auf Dana Vávrovás Tod am 5. Februar 2009. Marcela Bittrmannová:

„Das war hier ein Ereignis, das auf den Titelseiten aller Zeitungen erschien. Sie ist hier nie in Vergessenheit geraten. Man hat das gar nicht so empfunden, dass sie im Ausland lebte. Denn sie hat auch nach ihrem Umzug nach Deutschland in tschechischen Filmen mitgewirkt. Die Schlagzeilen in den Zeitungen lauteten sogar: ‚Leontinchen ist von uns gegangen’. Das hat mich sehr bewegt, denn es zeigt, dass sie in dieser Rolle am beliebtesten war.“