Zlínfest 2010: Ein Rückblick auf das 50. Festival der Kinder- und Jugendfilme

Filmfestival Zlín (Foto: ČTK)

Die südmährische Stadt Zlín galt lange Zeit als Standort der Schuhindustrie. Ihr Grundsteinleger war schon vor dem 2. Weltkrieg die in Zlín ansässige Firma Baťa, die von dort in die ganze Welt expandierte. Die Stadt ist aber auch durch funktionalistische Architektur international bekannt. Wir haben darüber mehrmals ausführlich berichtet. Vor 50 Jahren hat sie sich auch als „Hauptstadt“ des Kinderfilms etabliert, und dies nicht nur durch die Gründung des internationalen Festivals der Filme für Kinder und Jugendliche. Zlín kann auf eine bis in die Zwischenkriegszeit zurückreichende Tradition der Filmproduktion zurückblicken. Am 5. Juni ging in Zlín das 50. Jubiläumsfestival der Kinder- und Jugendfilme zu Ende.

Film „Die Herren Buben“
Die diesjährige Kennmelodie des Zlíner Festivals entstammt dem 1975 gedrehten Film „Die Herren Buben“ (Páni kluci), für den sich die tschechische Regisseurin Věra Plívová-Šimková durch Mark Twains „Abenteuer von Tom Sawyer“ inspirieren ließ. Anders als im berühmten Buch gibt es im Film drei statt zwei Lausbuben, die ihre Streiche in einer tschechischen Kleinstadt spielen. Nur nebenbei, der Film wurde 1977 auch von der ARD ausgestrahlt.

Außer dem erwähnten Film wurde beim sechstägigen Filmfestival in Zlín eine ganze Menge anderer Streifen gezeigt, darunter auch viele ausländische. Voriges Jahr war Spanien das Gastland. Diesmal galt die tschechische Kinematografie gemeinsam mit der slowakischen als Programmschwerpunkt. Martin Pášma, Mitglied des Festivalteams, fasst zusammen:

Filmfestival Zlín  (Foto: ČTK)
„Die Gesamtzahl der Filme nähert sich 400. Allein in der Sektion der tschechischen und slowakischen Kinematografie wurden 120 Streifen gezeigt. Das ist ungewöhnlich viel. Und was den Inhalt der Filme anbelangt, sind es vor allem viele Märchen, die berühmtesten Kinderfilme, außerdem mit Unrecht vergessene Filme, Horrorfilme, Fernsehserien. Kurz um, es ist ein großer Haufen von Filmen.“

Und darunter auch Filme von Karel Zeman, dem König des tschechischen Animations- und Trickfilms. Der vor 100 Jahren geborene Regisseur begann 1943 in den Zlíner Filmateliers zu arbeiten, wo er kurz nach dem Krieg seinen ersten und 1980 seinen letzten Film drehte. Insgesamt rund 30 Streifen, an denen er häufig auch als Drehbuch- und Bühnenbildautor beteiligt war. Viele seiner Filme haben ihm auch prestigeträchtige Preise bei internationalen Filmfestivals eingebracht – von Cannes bis San Francisco.

Karel Zeman
Mehrere Generationen von in- und ausländischen Kinobesuchern und später auch Fernsehzuschauer waren durch Zemans Filmvariationen von Jules Vernes Romanen bezaubert – zum Beispiel „Auf dem Kometen“, „Das gestohlene Luftschiff“ oder „Die Erfindung des Verderbens“.

„Der Film ´Die Erfindung des Verderbens’ ist ein Jules-Verne-Titel. Ich wollte ihn so drehen, wie man einst die herkömmlichen Bücher des Autors herausgegeben hat. Also auf die Art und Weise, wie seinerzeit ihre Illustrationen gemacht wurden. Mit ihrem altertümlichen Look. Und gerade dieser Film feierte weltweit den größten Erfolg von allen meinen Filmen.“

Film „Das gestohlene Luftschiff“
Das, worüber der famose Begründer der Phantasy-Literatur, Jules Verne, schrieb, hat Karel Zeman offensichtlich zutiefst angesprochen. Über seine Beziehung zur Technik sagte er in einem Rundfunkinterview:

„Es gibt oft Befürchtungen zu hören, dass die Menschen zu Sklaven der Technik werden könnten. So eine Gefahr droht meiner Meinung nach nicht. Es sind doch nicht nur die Wissenschaft und die Technik, die den Lauf der Welt und unsere Lebensweise bestimmen. Die gesamte lange Entwicklung der Zivilisation wird auch durch eine andere Bemühung geprägt, nämlich jene um die Schönheit. In den Märchen bewundern wir immer wieder von neuem die Poesie und Phantasie, die mit der Schönheit und Weisheit der Welt verbunden sind. Das Märchen ist das Schönste, das die Welt für die Kinderaugen je erfunden hat.“

Film „Die Reise in die Urzeit“
Doch nicht nur die mit viel originellen Tricks verbundene Technik hat der legendäre Regisseur in seine Spielfilme integriert. Er schuf auch genauso faszinierende Welten der Vergangenheit. Unvergesslich für mehrere Generationen von Filmfans bleibt bestimmt Zemans Film „Die Reise in die Urzeit“ aus dem Jahr 1955.

Im Film unternehmen vier Jungen eine Zeitreise in die Erdgeschichte zurück. Bei einer Bootsfahrt bringt sie der Fluss zunächst in die Eiszeit und dann immer weiter zurück bis ins Urmeer. In jeder Zeitepoche treffen sie auf verschiedenste Tiere und Pflanzen, die seinerzeit gelebt haben. Alle vier Filmdarsteller haben sich zum ersten Mal nach 45 Jahren wieder beim diesjährigen Filmfestival in Zlín getroffen. Das Kinderpublikum von heute war genauso neugierig wie damals. Die heute fast 70-jährigen Zeitzeugen der Reise in die Urzeit konnten auch vieles über ihre Arbeit mit dem bis ins hohe Alter jung gebliebenen Karel Zeman erzählen, der seine Tätigkeit über alles liebte:

Schauspieler aus dem Film „Die Reise in die Urzeit“ nach 55 Jahren  (Foto: ČTK)
„Ich selbst - wie schließlich auch meine Mitarbeiter - behaupten, dass ich einen der schönsten Berufe habe, die es überhaupt gibt. Ich erzähle Märchen mittels der Filmbilder. Zunächst habe ich eine Idee, denke mir eine Figur aus, zeichne sie und lasse mir auch eine Geschichte einfallen. Dann arbeiten wir ein paar Wochen daran, um alles in Bewegung zu setzen. Irgendwann später kommen wir in den Projektionsraum und sehen, dass unsere Gedanken und Figuren ins Leben gerufen wurden. Das bringt in der Tat große Freude.“

Christopher Lee
Auch diesmal sind viele Künstler - Schauspieler oder Regisseure - nach Zlín gekommen. Das Festival ist für sie eine gute Gelegenheit sich Produktionen ihrer Branchenkollegen anzuschauen und sich selbst bei verschiedenen Treffen mit Kindern vorzustellen. Unter den ausländischen Stars des diesjährigen Zlíner Filmfestes war auch der bekannte britische Schauspieler Christopher Lee.

Seinen 80.Geburtstag feierte in Zlín ein weiterer Nestor des tschechischen Kinderfilms, Václav Vorlíček. Seinen Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ kennt wohl jeder. Oder? Und worauf aus seiner Werkstatt kann man sich nun freuen? Das verriet Vorlíček dem Tschechischen Rundfunk:

Václav Vorlíček
„Ich drehe seit drei Jahren einen Film. Es geht um die Fortsetzung von ´Das Mädchen auf dem Besenstiel´ über die Hexe Saxana. Diesmal haben wir entschieden, die Märchengestalten in 3D-Animationstechnik zu filmen. Diese werden in das mit Schauspielern bereits gedrehte Filmmaterial hineingesetzt.“

Jung und Alt können sich auf das Treffen nicht nur mit Saxana, sondern auch mit Saxanka, dem Sprössling der beliebten Hexe, freuen. „Das Mädchen auf dem Besenstiel“ Nummer zwei kommt im Oktober in die Kinos.

Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ | Foto: Tschechisches Fernsehen
Man könnte noch eine ganze Reihe von interessanten Begleitveranstaltungen des Filmfestivals in Zlín nennen. Schade nur, dass sein Finale von andauerndem Regen und Überschwemmungen überschattet wurde. Einige Open-Air-Programe wurden gestrichen oder in einen Saal verlegt. Trotzdem hat auch der 50. Festivaljahrgang Kindern aller Alterskategorien, darunter auch jung gebliebenen Erwachsenen, viel Freude und viele neue Erlebnisse gebracht.