Letní Letná: Auf dem Hochseil zum Zirkus-Festival
Kommende Woche wird Prag wieder zum europäischen Zentrum von Akrobatik, Artistik und Magie. Am Mittwoch startet nämlich das Festival des Cirque Nouveau Letní Letná. Gleich zu Anfang geht es dabei hoch hinaus. Strahinja Bucan stellt Ihnen das Programm vor.
„Dieses Jahr haben wir sechs Monate lang an einem Event gearbeitet, das es so in Prag noch nie gegeben hat: Es ist ein Seiltanz hoch über der Moldau. Vorbereitet wurde das Ganze wurde von der Cie Basinga mit der Seiltänzerin Tatiana-Mosio Bongonga. Die Aktion ist übrigens für alle zugänglich und kostet keinen Eintritt.“
Tatiana-Mosio Bongonga wird in 35 Meter Höhe die Moldau überqueren. Das Seil vom Altstadtufer bis zum Festivalgelände auf der Letná-Anhöhe ist dabei ganze 350 Meter lang. Die Trasse ist ganz absichtlich so gewählt, erläuterte die Seiltänzerin bei der Pressekonferenz zum Festival:
„Für Prag haben wir ein ganz besonderes Projekt vorbereitet, das wirklich eine Ausnahme in unserem Programm ist. Grundsätzlich soll es die Menschen zum Festivalgelände bringen und zum ganzen Begleitprogramm. Mein Seiltanz hin zum Ort des Geschehens soll etwas Monumentales sein, das die Besucher zum Ort des Geschehens führt, wo die ganzen Abenteuer des Festivals stattfinden werden. Wir beginnen dabei am Kopf einer der Prager Brücken, weil wir mit der Architektur der Stadt arbeiten wollten. Und gerade die Brücken sind so typisch für Prag, und das wollten wir ausnutzen.“
Auf dem Seil steht die Französin, seit sie acht Jahre alt ist. Derzeit ist sie Teil der Cirque-Nouveau-Formation Cie Basinga aus Südfrankreich. Die Truppe wolle dabei vor allem eines zeigen, meint Tatiana-Mosio Bongonga:
„Ich habe die Cie Basinga gemeinsam mit Jan Naets gegründet, um den Seiltanz zu öffnen. Viele Menschen empfinden diese Kunst nämlich als unzugänglich. Wir wollten aber zeigen, dass jeder Zugang dazu haben kann. Denn jeder hält sein eigenes Geleichgewicht und ist somit ein Seiltänzer.“
Aus der Tschechoslowakei nach Paris
Interessant ist, dass Tatiana-Mosio Bongonga eine ganz besondere Beziehung zu Tschechien hat. Das habe mit ihrem Mentor und Lehrer zu tun, erklärt Festival-Managerin Ivana Pěkná Vrbíková:
„Das ist eine Sache, die wir erst im Nachhinein herausgefunden haben, als die Vorbereitungen schon in vollem Gange waren. Der Mentor von Tatiana-Mosio Bongonga war Rudi Omanovsky, der seine Wurzeln in der Tschechoslowakei hat. Der Seiltanzkünstler hat Tatiana eigentlich erst auf den Weg gebracht, den sie schon 25 Jahre lang entlangschreitet. Omanovsky ist jetzt 82 Jahre alt und freut sich sehr darüber, dass Tatiana in Prag auftreten wird.“
Man muss übrigens nicht in der Hauptstadt sein, um den Drahtseilakt von Tatiana-Mosio Bongonga verfolgen zu können. Der Tschechische Rundfunk bringt die Vorstellung nämlich in die ganze Welt. Veronika Štefanová vom Kultursender Vltava ist für die Übertragung zuständig:
„Wir wollten den Auftritt von Tatiana-Mosio Bongonga nicht nur mit unseren Rundfunksendungen begleiten. Es wird auf unserer Facebook-Seite deshalb einen direkten Video-Livestream geben. Wir vom Rundfunk werden die ganze Zeit mit unserem Sendewagen an der Brücke stehen. So wollen wir das Ereignis jenen Menschen möglichst authentisch vermitteln, die nicht vor Ort sein können. Wir planen die Sendung bereits seit zwei Monaten. Gerne würden wir auch eine Drohne einsetzen, das ist aber gar nicht so einfach, also hoffentlich klappt das am Ende. Dafür haben wir vor Ort genug Kameras, die uns wohl auch nicht im Stich lassen werden.“
Wenn es klappt, dann planen die Organisatoren des Festivals laut Managerin Ivana Pěkná Vrbíková eine eigene Sendung per Drohne. Die wird dann ebenfalls frei im Internet zu empfangen sein.
Internationale Top-Acts: Artistik und Humor
Traditionell kommen vor allem Cirque-Nouveau-Ensembles aus dem frankophonen Raum zur Letní Letná nach Prag. So sei es auch in diesem Jahr, meint Festival-Managerin Ivana Pěkná Vrbíková:
„Wir haben vier Star-Ensembles aus dem Ausland hier in Prag. Keine davon sollte man verpassen, da die Inszenierungen alle sehr schön sind. Mein Favorit ist der französisch-finnische Cirque Aital. Empfehlenswert ist auch die Gruppe PDF, die aus 17 Tänzerinnen aus der ganzen Welt besteht. Allein die Kraft der Frauen auf der Bühne verleiht der Inszenierung ein ganz besonderes Ausmaß. Ein Geheimtipp in diesem Jahr ist die Aufführung von ‚Strach – a fear song‘ aus Belgien. Das sind drei Akrobaten, die wir schon aus den vergangenen Jahren kennen, damals traten sie mit der Compagnie XY auf. Einmal haben sie die gesamte Letná zum Glühen gebracht, als sie gemeinsam mit dem Cirkus Cirkör aus Schweden hier auf der Bühne standen. Weitere alte Bekannte sind die Artisten vom kanadischen Cirque Alphonse, die ihre neue Show ‚Tabernak‘ mitgebracht haben. Dafür gibt es aber schon fast keine Karten mehr.“ Doch diesmal ist auch Maestro Toni Ronaldoni aus den Niederlanden zu Gast in Prag. Welche Art Vorstellung sein Straßentheater De Stijle, Want… (seit 1984) mit an der Moldau gebracht hat, das kann und will Ivana Pěkná Vrbíková nicht wirklich verraten:„Der Cirkus Ronaldoni ist in seinem kleinen Zelt zu sehen, in dem Platz für etwa zwölf Leute ist. Es ist eher ein Erlebnis, das nur zwei Minuten dauert und die Menschen mit einem Lächeln zurücklässt. Mehr kann ich nicht verraten, sonst würde ich den ganzen Inhalt der Zwei-Minuten-Vorstellung vorwegnehmen.“
Viele heimische Premieren
Doch nicht nur Gäste aus dem Ausland präsentieren sich kommende Woche in Prag, sondern auch die Creme de la Creme des tschechischen Cirque Nouveau:
„Heimische Ensembles treten hier wieder mit ihren Premieren auf. Eine davon ist ‚Heroes‘ von der Losers Cirque Company. Auch der Cirk La Putika ist hier mit seinem brandneuen Projekt ‚Isole‘. Außerdem sind viele weitere kleine Ensembles vertreten, die man unbedingt gesehen haben muss. Ich bin sehr stolz auf das, was wir unseren ausländischen Gästen jedes Jahr hier präsentieren. Der tschechische Cirque Nouveau hat mittlerweile ein solch hohes Niveau erreicht, dass man wirklich von richtigen Profis sprechen kann.“„Heroes“ von der Losers Cirque Company ist dabei ein ganz besonderes Projekt, denn da wird Zirkus von Menschen gemacht, die eigentlich in anderen Künsten daheim sind. Federführend sind dabei der Regisseur Daniel Špinar vom Prager Nationaltheater und der Choreograf Radim Vizváry. Letzterer erklärt, warum Heroes eine solche Herausforderung ist:
„Ich als Choreograph stehe dem sehr metaphorisch gegenüber. Die ‚Losers‘ verlassen die Ebene des klassischen Cirque Nouveau, denn die eigentliche Heimat der Mitglieder des Ensembles sind die Turnhalle und die Gymnastik. Das sieht man auch sehr gut an den jeweiligen Aufführungen. Nun wollen wir aber mehr Theater und Schauspielkunst in die Vorstellungen bringen. Dazu verwenden wir die Pantomime in dem neuen Projekt, die sich dazu sehr gut eignet.“
Hochseil und Manege zum Anfassen
Doch Letni Letna bedeutet nicht nur Spaß auf der Bühne und in der Manege. Die Veranstalter haben zudem ein buntes Begleitprogramm vorbereitet, vor allem für Kinder. Dazu Ivana Pěkná Vrbíková:
„Das Begleitprogramm spricht vor allem Kinder an, mit zahlreichen Kinder-Vorstellungen und gestalterischen Workshops. Außerdem kann man in Zirkus-Werkstätten selbst in der Manege stehen. Etwas Besonderes sind in diesem Jahr die Slacklines, die überall auf dem Festivalgelände hängen werden. Das ist dann wie Seiltanz für die Kinder.“
Und der Nachwuchs kann sich dann ein bisschen so fühlen wie Tatiana-Mosio Bongonga bei ihrem Tanz über die Moldau.
Weitere Infos zum Festival finden sie unter www.letniletna.cz