Lev Prag will in der KHL diesmal weiter oben angreifen

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Im Selbstverständnis der Tschechen ist das tägliche Sportgeschehen erst dann komplett und rund, wenn neben dem Fußball auch die zweite Nationalsportart, das Eishockey, in vollem Gange ist. Ab dieser Woche wird den Sportfans dieser Wunsch erneut erfüllt, denn am Mittwoch startet die neue Saison der Kontinentalen Hockey-Liga (KHL), in der auch ein tschechisches Team vertreten ist. Und am Donnerstag kommender Woche zieht die hiesige Extraliga nach – sie geht mit 14 Mannschaften in ihre 21. Saison.

HC Lev Prag  (Foto: ČTK)
Die KHL ist aus der russischen Superliga hervorgegangen und entwickelt sich immer mehr zu einem Europa und Asien umspannenden Mega-Wettbewerb. Die Liga startete im Herbst 2008 mit 24 Mannschaften aus vier verschiedenen Ländern in ihre erste Saison. Heute, fünf Jahre später, gehören der KHL 28 Teams aus acht Ländern an. Erst vor dieser Saison wurden wieder zwei neue Teilnehmer aufgenommen: Admiral Wladiwostok als 21. Mannschaft aus Russland sowie mit Medvescak Zagreb der erste Verein aus Kroatien. Der tschechische Nationalspieler und Verteidiger des HC Lev Prag, Ondřej Němec, äußerte dazu:

Nationalspieler Ondřej Němec  (Foto: ČTK)
„Wladiwostok, dazu fällt mir nur ein: Das liegt unendlich weit im Osten. Zagreb wiederum ist eine sehr interessante Destination. Eine ganze Reihe von Kanadiern und Amerikanern werden dort spielen und damit auch ihre Spielweise in die KHL einbringen. Das wird gewiss eine Belebung für die ansonsten von russischen Teams geprägte Liga werden.“

Für eine solche Belebung hat in der vergangenen Saison der HC Lev selbst gesorgt so wie auch Slovan Bratislava. Vor einem Jahr sind nämlich der slowakische Traditionsverein und der damals neugegründete Prager Club zur KHL gestoßen. Und in ihrer Premierensaison haben sie sich gleich prima geschlagen: Beide Mannschaften erreichten auf Anhieb die Play-offs, dort mussten sie allerdings bereits nach der ersten Runde die Segel streichen. In Prag aber sind die Blicke längst wieder nach vorne gerichtet. Auch Trainer Václav Sýkora weiß, dass der gute Einstand in der Vorsaison jetzt schon nicht mehr zählt:

Václav Sýkora  (Foto: ČTK)
„Die Erwartungshaltung ist eher größer als vor Jahresfrist“, sagt der 60-jährige Coach. Sýkoras Erfahrung aus dem Gewinn von fünf tschechischen Meistertiteln als Spieler und zwei Triumphen als Trainer dürfte ihm dabei helfen, den ziemlich umgekrempelten Kader sehr rasch konkurrenzfähig zu machen:

„Der Charakter der Mannschaft hat sich in der Tat stark verändert. Es sind viele ausländische Akteure hinzugekommen, so dass in unserem Kader jetzt in etwa gleichem Verhältnis Tschechen wie Ausländer stehen. Zu den neuen Spielern in der Kabine gehören mehrere Finnen, Schweden und Kanadier. Meine Assistenten und ich stehen daher vor der sicher nicht ganz leichten Aufgabe, aus diesem internationalen Gemisch ein starkes Team zu formen.“

Martin Thörnberg  (Foto: ČTK)
Dieses Gemisch hat es allerdings in sich. Mit den Tschechen Jakub Klepiš, Ondřej Němec und Jiří Novotný, den Finnen Topi Jaakola, Niko Kapanen und Petri Vehänen sowie den Schweden Nicklas Danielsson und Martin Thörnberg haben die Prager Löwen nicht weniger als acht Weltmeister in ihren Reihen. Acht Spieler also, die wissen, wie man nach oben kommt und die der Konkurrenz Respekt einflößen. Aber auch für den tschechischen Lev-Verteidiger und Nationalspieler Martin Ševc ist das noch kein Garant für den Erfolg:

Jiří Novotný in der Nationalmannschaft  (Foto: ČTK)
„Es ist schwer zu sagen, wie stark unsere wirklich Mannschaft ist. Auf dem Papier jedenfalls macht sie einen guten Eindruck, doch nun geht es darum, die erstklassigen Einzelkönner zu einer schlagkräftigen Einheit zu verbinden.“

Teamkollege Němec indes ist überzeugt, dass dies gelingen dürfte:

„Ich denke, gerade weil wir eine internationale Truppe sind, müssen und werden wir uns als ein Team präsentieren. Ich glaube an die Qualität der Spieler und bin mir ziemlich sicher, dass das funktionieren wird.“

Wie gut die neue Löwen-Mannschaft schon harmoniert, hat sie mehrfach in den Vorbereitungsspielen bewiesen. Besonders beim hauseigenen Turnier, dem Prague Hockey Cup, haben die Cracks um Kapitän Jiří Novotný eine beeindruckende Performance hingelegt. Bei diesem Vierer-Turnier setzten sie sich gegen die starken KHL-Kontrahenten aus Kasan, Riga und Ufa durch und gewannen so den ersten Pokal in der noch jungen Vereinsgeschichte. Trainer Sýkora zeigte sich danach sehr zufrieden:

„Natürlich ist es positiv, dass wir dieses gut besetzte Turnier gewinnen konnten. Das erhöht gewiss das Selbstvertrauen des Teams und der einzelnen Spieler. Und das wird uns in der Arbeit, die noch vor uns liegt, bestimmt beflügeln.“

Es hat also ganz den Anschein, als wenn der HC Lev Prag für seine zweite KHL-Saison bestens gewappnet ist.


Extraliga: Litvínov träumt vom Titel – Hradec Králové will die Fans gewinnen

HC Verva Litvínov  (Foto: ČTK)
In der tschechischen Eishockey-Extraliga und ihrer Vorgängerin, der ersten tschechoslowakischen Liga, gab es bisher es nur drei Vereine, die der höchsten Spielklasse des Landes schon 55 Jahre am Stück angehören: Dies sind die Clubs von Sparta Prag, aus Pardubice und aus Litvínov. Der HC Verva Litvínov spielt dabei im kleinsten Ort der Liga – die nordböhmische Industriestadt zählt nur etwas mehr als 25.000 Einwohner. Vielleicht ist das ja auch der entscheidende Grund, weshalb die Schwarz-Gelben im Gegensatz zu den beiden anderen Liga-Dinos noch einen großen Makel in ihren Annalen zu tilgen haben: Sie sind noch nie Landesmeister geworden. Das aber hält die Cracks vom Südhang des Erzgebirges nicht davon ab, es jedes Jahr aufs Neue zu versuchen. Olympiasieger und Dreifach-Weltmeister Martin Ručinský bestätigt, dass genau dies der ausschlaggebende Grund gewesen sei, seiner langen Karriere noch zumindest eine Saison hinzuzufügen:

Jiří Šlégr  (Foto: ČTK)
„Ich werde am Ende der Saison 43 Jahre alt, da ist der Körper sicher nicht mehr in optimaler Form. Im Eishockey aber muss man eine Motivation haben, etwas, was einen antreibt. In meinem Fall ist es der Titelgewinn.“

Noch ein wenig verrückter klingt die gleiche Begründung des internationalen Triple-Gewinners Jiří Šlégr. Der gleichaltrige Schulkamerad von Ručinský hatte nämlich vor drei Jahren seine Schlittschuhe bereits an den berühmten Nagel gehängt und sich danach in die Politik begeben. Doch genauso spektakulär, wie er dann vor zweieinhalb Monaten als Abgeordneter zurückgetreten ist, bereitet er sich jetzt auf sein Comeback auf dem Eis vor. Dabei ist für Šlégr das Beispiel des 41-jährigen Pilsener Olympiasiegers, Kapitäns und Clubeigners Martin Straka, der mit seinem Verein im April erstmals Meister wurde, ein großer Ansporn:

Martin Ručinský
„Wer im Frühjahr erleben und sehen konnte, wie hartnäckig Martin Straka auf den Titel hingearbeitet hat, der schöpft daraus zusätzliche Motivation. Deshalb glauben Martin Ručinský und ich fest daran, dass wir das auch schaffen können. Ob uns das schon in dieser Saison gelingt, kann niemand wissen, doch ich denke, dass jeder Spieler, egal in welchem Team er spielt, diesen Anspruch einfach haben sollte. Wenn jemand dieses Ziel nicht hat, dann hat es meiner Meinung nach keinen Sinn, in der Extraliga zu spielen.“

Dennoch gibt es in der Extraliga eine Mannschaft, die zumindest zum Saisonbeginn ganz andere Probleme zu lösen hat, als an die Meisterschaft zu denken: der HC Mountfield Hradec Králové. Dieser Club ist quasi über Nacht neu entstanden, auch wenn die meisten Spieler in der vergangenen Saison bereits zusammengespielt haben – in der Mannschaft von Mountfield Budweis. Im Frühsommer kam es jedoch zu dem Standortwechsel, weil der Hauptaktionär des Vereins, die Firma Mountfield, nicht mehr gewillt war, die fehlende Unterstützung durch die Stadt České Budějovice / Budweis hinzunehmen. Im Streit der beiden Seiten kam das Fass schließlich zum Überlaufen, weil die Stadtväter an ihrem bilateralen Vertrag mit der Brauerei Budvar festhalten wollten. Und das, obwohl im Rahmenvertrag der Liga die Brauerei Radegast als Generalsponsor der Extraliga ausgewiesen ist. Der Ausschank von Budweiser Bier anstatt der Marke Radegast bei den Heimspielen des HC Mountfield aber hätte unweigerlich zu satten Konventionalstrafen geführt, die wollte der Vereinseigner logischerweise nicht zahlen. Also suchte und fand er ein neues Domizil für seinen Eishockeyclub im ostböhmischen Hradec Králové / Königgrätz. Der langjährige Budweiser Spieler Jiří Šimánek räumt ein, dass besonders die älteren Akteure von diesem Umzug nicht sonderlich begeistert waren:

Jiří Šimánek  (Foto: Archiv HC Mountfield)
„Jeder im Team sieht den Umzug anders. Die Spieler, die viele Jahre in Budweis gespielt haben, sehen darin zum Beispiel den Weggang vom eigentlichen Zuhause. Doch das ist unser Job, also werden wir jetzt in Hradec Králové spielen.“

Und das vor einem neuen Publikum, wie Šimánek anmerkt:

„Für die Menschen aus Hradec Králové werden wir zu Saisonbeginn noch ein fremdes Team sein, wir müssen die Eishockey-Fans zunächst auf unsere Seite bekommen. Entscheidend wird dabei sein, wie wir spielen und auftreten. Wenn wir die Fans von uns überzeugen, werden sie auch hinter uns stehen.“

Die Feuertaufe vor eigenem Publikum erleben die Spieler von Mountfield HK am 15. September in der Begegnung mit dem Team aus Třinec. Litvínov startet bereits drei Tage früher mit dem Heimspiel gegen Vizemeister Zlín in die neue Saison.

Autor: Lothar Martin
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