Marbach und Oxford retten Kafka vor dem Hammer
In zwei Wochen sollten Franz Kafkas „Briefe an Ottla“ in Berlin versteigert werden – darüber haben wir bereits berichtet. Wie am Montag bekannt gegeben wurde, hat das Deutsche Literaturarchiv in Marbach die Briefe gemeinsam mit der Bodleian Library in Oxford gekauft. Die Auktion ist geplatzt – oder aus Sicht der Wissenschaftler: Die Gefahr ist gebannt, dass die Sammlung in Privathand gelangt und somit für die Forschung verloren geht.
„Das war ein Vorstoß, der von beiden Seiten kam. Wir haben, nachdem wir hofften, die Briefe doch noch vor der Auktion erwerben zu können, mit den Erben von Ottla Kafka und auch mit dem Auktionator in Berlin gesprochen. Von Beiden haben wir grünes Licht bekommen. Beide haben gesagt, zu einem bestimmten Preis können wir die Briefe vorher herauskaufen. Daraufhin sind wir an Oxford herangetreten und haben ihnen gesagt: `Das sind die Konditionen, die wir ausgehandelt haben. Wenn ihr wollt und wenn ihr könnt, habt ihr Vortritt. Ihr habt die älteren Rechte, die Briefe haben immer bei euch gelegen´. Dann hat Oxford einen Schritt auf uns zugemacht und gefragt, wie es denn wäre, wenn wir die Briefe zusammen erwerben würden. Damit war diese wunderbare Idee geboren und wir haben alles Nötige getan, um das möglich zu machen, was gestern als sehr erfreuliche Tatsache bekannt gegeben wurde.“
Die Briefe sollen schon im Mai in Marbach ausgestellt werden. Mussten Sie Kompromisse machen, damit die Briefe nach Marbach kommen?„Nein. Oxford hat sich sehr entgegenkommend gezeigt. Die Ausstellung, die wir Ende Mai in Marbach eröffnen werden, wird anschließend weiter nach Oxford wandern.“
Die Finanzierung teilen sich Marbach und Oxford zu je 50 Prozent?
„Ja, wir teilen das zu gleichen Teilen, erwerben damit aber beide den vollständigen Besitz, das vollständige Eigentum.“
Auf deutscher Seite wird der Erwerb aus Mitteln der Zuwendungsgeber des Deutschen Literaturarchivs finanziert. Diese sind der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Land Baden-Württemberg, die Kulturstiftung der Länder und auch private Spender. Um welche Summe geht es?„Diese Auskunft muss ich Ihnen schuldig bleiben, weil wir verabredet haben, über den Preis nicht zu sprechen. Wir haben aber in der Tat sehr großzügige private Spenden bekommen. Nicht alle wollen genannt werden, aber manche darf man nennen, wie zum Beispiel die Holtzbrinck-Verlagsgruppe und deren englische Tochter Macmillan Publishers.“
Zuerst sah es so aus, als hätten Sie in Marbach keine Mittel für den Erwerb. Wie kam es dazu, dass sich das doch noch geändert hat?
„Das ist sehr wesentlich durch die Geschichte in der Presse ausgelöst worden. Sie haben gesehen, dass das sehr heftig durch die deutsche Presse gegangen ist: ´Das darf doch nicht passieren. Das Risiko, dass die Briefe von einer Privatperson erworben und später doch noch zerschlagen werden, ist viel zu hoch. Das darf Kafka nicht noch zustoßen´. Daraufhin haben sich die ersten Mäzene und Stifter bei uns gemeldet und gefragt, wie sie uns helfen können – nicht nur finanziell, sondern auch durch einen Aufruf in den Zeitungen, oder wie auch immer. Das hat uns Mut gemacht, den Versuch zu wagen, die Briefe doch zu erwerben. Alleine hätten wir es vermutlich nicht geschafft, aber jetzt in der Verbindung – oder in der Verbrüderung – mit Oxford ging es.“