Masaryk-Bibliothek: Büchersammlung des ersten tschechoslowakischen Präsidenten zugänglich
Es hat mehr als 90 Jahre gedauert. Schon 1932 gründete Tomáš Garrigue Masaryk nach dem Vorbild amerikanischer Präsidenten das T.-G.-Masaryk-Institut, dem er sein persönliches Archiv und seine Bibliothek stiftete. Nun wurde die Sammlung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Präsident Petr Pavel und die Vorsitzende der tschechischen Akademie der Wissenschaften, Eva Zažímalová, haben am Dienstag die Masaryk-Bibliothek in Prag eröffnet. Sie wird im Masaryk-Institut und Archiv der Akademie der Wissenschaften im Prager Stadtteil Libeň aufbewahrt und enthält rund 200.000 Bände.
Die Bibliothek birgt Literatur aus allen Disziplinen, in denen Masaryk tätig war: Philosophie, Soziologie, Politikwissenschaft, Geschichte, Literaturgeschichte, Psychologie und Recht. Außerdem finden sich dort in- und ausländische Belletristik sowie ganze Jahrgänge verschiedener Zeitschriften. Die Historikerin Dagmar Hájková vom Masaryk-Institut weiß mehr:
„Die Büchersammlung überrascht durch ihren Umfang, aber auch ihre Breite. Sie umfasst mindestens 300 Fachrichtungen. Masaryk hat sie sehr komplex aufgebaut. Der Kern der Bibliothek wurde von ihm selbst geschaffen, dann wurde sie weiter aufgebaut. Am wertvollsten sind nicht nur Masaryks eigene Bücher mit seinen Notizen, die uns helfen, seine Persönlichkeit kennenzulernen, sondern auch etwa die sogenannte Hirsch-Bibliothek. Diese wurde erst nach Masaryks Tod, im Jahr 1938 erworben. Diese einzigartige Sammlung mit 60.000 Bänden umfasst über 12.000 alte Drucke, der älteste von ihnen ist um 1500 datiert.“
Der erste tschechoslowakische Präsident gründete 1932 das T.-G.-Masaryk-Institut. Er stiftete ihm sein persönliches Archiv und seine Bibliothek mit damals rund 70.000 Bänden, seine Geschenksammlung und 13 Millionen tschechoslowakische Kronen. Die Summe war für den Bau des Hauptsitzes bestimmt. Dagmar Hájková:
„1935 gab es Bemühungen, ein neues Institutsgebäude im Prager Stadtteil Letná zu bauen. Dagegen stellte sich kurioserweise Masaryks Tochter Alice, die den Standort nicht für geeignet hielt. Dass Institut wechselte ständig seine Adresse. Im Zweiten Weltkrieg wurde es geschlossen. Und auch die weitere politische Entwicklung war ungünstig für das Institut, 1954 wurde es aufgelöst. Seine Sammlungen wurden dann auf unterschiedliche Institutionen verteilt, ein Teil wurde vom Institut für die Geschichte der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei übernommen.“
Die Bibliothek wiederaufzubauen, wurde nach der Wende zu einer Herausforderung. Das Masaryk-Institut habe nach seiner Wiedereröffnung 1990 mit Nichts angefangen, betont Hájková:
„Dank großen Bemühungen der Institutsleitung und der Bibliothekare gelang es, von mehreren Institutionen die Bestände der Bibliothek zurückzukaufen und wieder zusammenzuführen. Nun sind sie ein kompaktes Ganzes, das vom Masaryk-Institut verwaltet wird. Aber es tauchen immer noch weitere Bücher in Antiquariaten auf, die etwa Masaryks Notizen enthalten. Masaryk hat seine Bücher mit seinen Eintragungen an verschiedene Personen verschenkt. Möglicherweise hat jemand eines davon noch zu Hause.“
Zur Gründung des Instituts und der Bibliothek ließ sich Masaryk von den Präsidentenbibliotheken der scheidenden USA-Staatsoberhäupter inspirieren. Insofern sei sie im europäischen Kontext einzigartig, so die Historikerin in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Und sie fügt hinzu:
„Für uns hat die jetzige Öffnung eine hohe Symbolik, mit Hinsicht darauf, wie viele Male die Bibliothek aufgelöst wurde und wie schwierig es war, sie wieder zusammenzuführen. Präsident Pavel ist nach Masaryk und Edvard Beneš erst der dritte Präsident, der sie besucht hat.“
Die Präsidentenbibliothek steht nun für alle Forscher offen. Interessierte können die Bücher vor Ort ausleihen und im Lesesaal des Masaryk-Instituts studieren. Der Katalog ist im Internet zugänglich.