Medien und Werbung in Tschechien: eine schwierige Beziehung

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Sind die Journalisten in Tschechien korrupt? Stehen sie im Dienst verschiedener Werbeagenturen? Ist es aus ethischer Sicht verantwortbar, wenn ein Journalist neben seiner Tätigkeit in einem Medium noch andere Aufträge, zum Beispiel in der PR-Branche, annimmt?

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Über das schwierige Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern in Tschechien haben wir in unserer Mediensendung bereits das eine oder andere Mal berichtet. In den meisten Fällen handelte es sich um Versuche von Politikern, durch Einschüchterung die Berichterstattung der Medien zu beeinflussen oder politischen Druck bei der Besetzung der Aufsichtsratsposten der öffentlich-rechtlichen Medien auszuüben.

Eine sehr beliebte Vorgehensweise der Politiker ist, unbequeme Journalisten zu verklagen oder ihnen zumindest mit einer Klage zu drohen. Dass es aber auch umgekehrt geht und ein Journalist erfolgreich gegen einen Politiker klagen kann, zeigt ein Fall aus der letzten Zeit.

Der frühere tschechische Premierminister Milos Zeman, der für sein schlechtes Verhältnis zu den Medien bekannt ist, verlor den Prozess gegen den Journalisten Ivan Brezina, den er zuvor beschuldigte, er würde im Dienst des tschechischen Energiekonzerns CEZ stehen und deshalb positiv über die Atomkraft schreiben. Das Verfahren zog sich zwar über sieben Jahre hin und ging über verschiedene Instanzen, doch Zeman verlor es und musste daher in der Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" eine Entschuldigung veröffentlichen.

Das Verhältnis von Werbung und Medien zueinander ist zumindest im tschechischen Journalismus, so wie er sich in der Zeit nach der Wende etabliert hat, nicht friktionsfrei. Der Fall des früheren Regierungschefs Milos Zeman hat dabei gezeigt, dass es nicht zuletzt unter Politikern ein weit verbreitetes Vorurteil gibt, Journalisten würden in Wahrheit lediglich die von verschiedenen Werbeagenturen aufgearbeiteten Meldungen als Nachrichten weitergeben - ohne diese kritisch zu hinterfragen. In gewisser Weise hat das auch reale Wurzeln, weil einige Journalisten tatsächlich zwischen den einzelnen Redaktionen und Werbeagenturen hin- und herwechseln.

Stimmt aber dieser Vorwurf wirklich? Dazu der Journalist Vaclav Sochor, der vor kurzem Chefredakteur der Wochenzeitschrift "Strategie" wurde - einem Magazin für Medien und Werbung:

"Ich persönlich sehe nichts Schlechtes daran, wenn insbesondere in Tschechien ein Journalist, der seine Arbeit gut machen und zudem noch finanziell überleben will, nicht nur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder Fernsehen arbeitet, sondern daneben auch noch anderswo beschäftigt ist. Das darf jedoch nicht im Widerspruch zu seinem Gewissen stehen und er soll sich dafür nicht schämen dürfen. Wenn es also keinen Interessenskonflikt zur Arbeit in den öffentlich-rechtlichen Medien gibt, dann sehe ich keinen Grund, warum jemand, der gut schreiben kann und das vor seinem Gewissen und den Medien verantworten kann, das nicht tun sollte."

Die Wochenzeitschrift "Strategie" wird vom Verlag "Mlada Fronta" herausgegeben und hat eine Auflage von 6000 Exemplaren. Auf welche Lesergruppe konzentriert sie sich? Vaclav Sochor:

"Strategie ist nicht für ein Massenpublikum bestimmt, auch wenn wir uns bemühen, dass unsere Wochenzeitung immer attraktiver wird. Man kann die Ausgaben am Kiosk kaufen, dennoch ist sie für eine relativ genaue Zielgruppe bestimmt, und zwar für Menschen, die im Marketing, in den Medien und in der Werbung tätig sind. Wir befassen uns sowohl mit der Theorie der Medien, versuchen aber auch praktische Tipps, Analysen und Kommentare zu bringen. Wir wollen auch ein wenig dazu beitragen, dass die Kluft zwischen Medien, Marketing und Werbung geringer wird."

Der 34 jährige Journalist Vaclav Sochor kann auf eine sehr facettenreiche journalistische Tätigkeit zurückblicken. Er war jahrelang Redakteur beim tschechischen Dienst der britischen BBC und galt als eine herausragende Stimme im Äther. Neben seiner Tätigkeit in der Redaktion von "Strategie" ist Vaclav Sochor seit einigen Monaten erneut auf den Radiowellen zu hören: Er gehört zu den Moderatoren der neu gestalteten Informationssendungen des ersten Programms des Tschechischen Rundfunks, Radiozurnal.

Gerade die ethischen Regeln der britischen BBC werden, was die Rechte und Pflichten der Journalisten angeht, immer gerne als nachahmenswertes Vorbild gepriesen. Wie geht man mit dem Spannungsfeld Journalismus und Werbung bei der BBC um? Vaclav Sochor:

"In Großbritannien ist es ein wenig komplizierter, weil die BBC einen ethischen Kodex hat, zu dessen Wahrung sich alles ihre Journalisten verpflichten müssen. Das setzt auch voraus, dass dann kein Journalist für andere Medien tätig sein sollte. Da werden auch keine Ausnahmen gemacht - es ist eben unmöglich, zum Beispiel nebenbei für irgendeine Werbeagentur oder ein anderes kommerzielles Medium zu arbeiten. Diese Verpflichtung gehen die Redakteure freiwillig ein, was aber auch damit zusammenhängt, dass die BBC eine Institution ist, die ihre Angestellten entsprechend bezahlen kann. Letzteres ist ein Problem, mit dem oft die Mehrzahl der tschechischen Journalisten konfrontiert ist. Wenn aber dennoch jemand noch irgendwo anders beruflich tätig ist, muss er gemäß dem BBC-Statut seine Redaktionsleitung informieren und die hat dann zu entscheiden. Ich persönlich habe zum Beispiel ebenfalls mein Arbeitsverhältnis ändern müssen: Ich wurde externer Angestellter der BBC, auch wenn ich die gleiche Arbeit wie zuvor gemacht habe. Ich wollte eben nicht an diesen Kodex gebunden sein. Seitdem war ich nur durch eine Vereinbarung mit meinem Vorgesetzten und durch, wenn ich das so formulieren darf, meine eigenen ethischen Prinzipien gebunden."

Wie hat sich der Journalismus in Tschechien in den vergangenen Jahren entwickelt. Ist es zu Veränderungen - sowohl im positiven, wie auch im negativen Sinne - gekommen? Dazu noch einmal der Rundfunkjournalist und Chefredakteur der Wochenzeitschrift "Strategie", Vaclav Sochor:

"Die erste Veränderung, die ich nach meiner Rückkehr aus England sofort bemerkt habe, betraf das Fernsehen. Reporter, die im Tschechischen Fernsehen gearbeitet hatten, arbeiteten nun in den beiden kommerziellen Sendern Nova und Prima - aber auch umgekehrt. Was mir ebenfalls auffiel, war ein Rückschritt in der Ausdrucksweise, zu der es in der Zwischenzeit gekommen ist. Dieses Boulevardeske hat nämlich auch beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen Einzug gehalten und das finde ich schade. Ich würde sagen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen stark von einer Kommerzialisierung heimgesucht wurde und zwar in der Art und Weise, wie den Zuschauer Nachrichten präsentiert werden. Ich bin aber bei Weitem kein Pessimist. Was die Informationsbreite angeht, muss ich schon feststellen, dass sich vor allem die Printmedien in den vergangenen Jahren radikal verbessert haben - zumindest, was die breite ihres Informationsangebots angeht. Eine andere Frage ist die Unabhängigkeit der Zeitungen. Ich habe immer noch das Gefühl, dass sich sofort die Art der Berichterstattung über eine Partei ändert, wenn sie die Wahlen gewonnen hat. Es gilt eben nicht, dass ein Journalist keine Meinung haben sollte. Die tschechischen Journalisten haben im Gegenteil immer noch eine Meinung. Was in den Zeitungen fehlt, das sind zum Beispiel Redaktionskommentare, weil bislang unter allen Kommentaren in den Zeitungen immer die Namen ihrer Autoren stehen. Hier könnte das angelsächsische Modell meiner Meinung nach öfter angewandt werden, was ich zum Beispiel immer noch stark vermisse."