Mehr Rechte, aber keine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare: Abgeordnetenhaus stimmt für Kompromiss

Das tschechische Abgeordnetenhaus hat am Mittwoch eine Novelle verabschiedet, durch die gleichgeschlechtlichen Paaren mehr Rechte eingeräumt werden. Eine Ehe mit allen Rechten dürfen Homosexuelle hierzulande aber immer noch nicht eingehen.

Schon seit langen Jahren wird in Tschechien über die Ehe für alle diskutiert. Am Mittwoch wurde im Abgeordnetenhaus nun eine Gesetzesnovelle verabschiedet. Durch sie können gleichgeschlechtliche Paare eine sogenannte „Partnerschaft“ eingehen. Bisher war für betroffene Paare bereits eine registrierte Partnerschaft möglich. Durch die neue Regelung erhalten Homosexuelle nun noch mehr Rechte, die es auch in einer Ehe gibt. Ganz mit Heterosexuellen gleichgestellt werden sie aber immer noch nicht.

Klára Kocmanová sitzt für die Piraten im Parlament. Am Mittwoch hat sie für die Novelle gestimmt – wenngleich sie auch Kritik äußert:

Klára Kocmanová | Foto: Tschechische Piratenpartei,  Flickr

„Wir werden weiterhin für die Gleichstellung homosexueller Paare kämpfen – und das schließt das Wort ‚Ehe‘ für uns mit ein. Die jetzige Lösung sehen wir als einen Zwischenschritt, der in der aktuellen Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses durchgesetzt werden konnte und den Paaren einige zusätzliche Rechte bringt. Wir sind also nicht wirklich zufrieden mit dem Ergebnis, aber wir sehen eine klare Verbesserung der Lage. Deshalb ist das ein Schritt in die richtige Richtung.“

Durch einen Kompromiss über die Fraktionsgrenzen hinweg konnte die Novelle angenommen werden. Das neue Gesetz erlaubt gleichgeschlechtlichen Paaren in Tschechien demnächst auch, etwa den gleichen Nachnamen anzunehmen. Zudem wird Schwulen und Lesben ermöglicht, eine Hinterbliebenenrente zu beantragen, falls der Partner oder die Partnerin stirbt. Und beide können zusammen eine Gütergemeinschaft begründen. Nicht möglich ist Homosexuellen hingegen weiterhin, gemeinsam ein Kind zu adoptieren.

Bei der Organisation Jsme fér, die seit Langem für die Ehe für alle kämpft, sorgt genau das für Kritik. Das Abstimmungsergebnis bedeute einen „traurigen Tag für die Kinder zweier Mütter oder zweier Väter und für die Gleichgerechtigkeit in Tschechien“, hieß es von der NGO. Das Gesetz schafft allerdings die Möglichkeit, dass einer der Partner das Kind des anderen Partners adoptieren kann. Auf der Website des Abgeordnetenhauses heißt es dabei, dass einer der Partner dafür ein „biologischer Elternteil“ des Kindes sein muss. Laut Adéla Horáková, Juristin von Jsme fér, findet sich davon jedoch im Gesetzestext nichts. Und so böte sich dann auch ein – wenngleich sehr umständlicher – Ausweg, wie Horáková in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schildert:

„Einfach gesagt muss das Kind zweimal adoptiert werden – zunächst von dem einen Partner und dann von dem anderen. Einen rationalen Grund hierfür gibt es nicht, aber das ist eben leider das Ergebnis der Abgeordnetenhaussitzung.“

Bei der Abstimmung am Mittwoch sprach sich eine breite Mehrheit von 123 Abgeordneten für die Novelle aus. Dazu gehörten die meisten Politiker der Oppositionspartei Ano. Unterstützung kam zudem von der regierenden Top 09 und den Piraten. Innenminister Vít Rakušan (Stan) hingegen enthielt sich. Gleichgeschlechtliche Paare hätten die gleichen Rechte wie alle anderen verdient, die Änderung sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, begründete er seine Entscheidung. Gegen das Gesetz stimmten insgesamt 36 Abgeordnete, darunter alle Politiker der Rechtsaußenpartei SPD (Freiheit und direkte Demokratie) und auch viele Christdemokraten, darunter Nina Nováková:

„Die Behauptung, dass homosexuelle Paare Bürger zweiter Kategorie seien, halte ich für nicht fair. Ich denke, dass die registrierte Partnerschaft, die nun nur noch ‚Partnerschaft‘ heißt, alles beinhaltet, damit diese Menschen ein zufriedenes Leben führen können.“

Marek Benda | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Auch Marek Benda von den konservativen Bürgerdemokraten stimmte gegen das Gesetz. Einen der eingebrachten Änderungsanträge, der am Ende entscheidend für eine Mehrheit für das Gesetz war, unterstützte er jedoch. Mit dem abschließenden Ergebnis zeigte er sich zufrieden:

„Es ist ein Mittelweg. Niemand weint, und niemand springt vor Freude in die Luft. Solch eine Situation im Abgeordnetenhaus ist im Grunde richtig.“

Dem Gesetz zufolge sollen die Änderungen mit Beginn kommenden Jahres in Kraft treten. Zunächst muss die Novelle allerdings noch vom Senat abgesegnet werden. Und wie sich die Abgeordneten der oberen Parlamentskammer zu den neuen Rechten für gleichgeschlechtliche Paare positionieren, ist aktuell noch völlig unklar.

Als sicher hingegen gilt, dass Staatspräsident Petr Pavel die Gesetzesvorlage gegebenenfalls unterschreiben wird. Im Netzwerk X teilte er am Mittwoch mit, alle Menschen müssten vor dem Gesetz gleich sein. Und weiter schrieb er, er sehe keinen Grund für eine Einschränkung von Rechten auf Grund einer sexuellen Orientierung.

Mit der Frage, warum die gleichgeschlechtliche Ehe in Tschechien bisher noch nicht eingeführt wurde, obwohl es in der breiten Öffentlichkeit jedoch einen Konsens dafür gibt, haben wir uns jüngst in der dritten Folge unseres Podcasts „Sechsmal Tschechien“ beschäftigt. Den Podcast finden Sie in allen gängigen Portalen sowie auf unserer Website.

Autoren: Ferdinand Hauser , Kryštof Šimek , Jana Čermáková
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