Forderung nach Ehe für alle: Tschechische Unternehmer schreiben offenen Brief an Premier Fiala

Petr Dvořák

Gleichgeschlechtliche Paare können in Tschechien noch immer keine Ehe schließen. Vertreter von 66 Unternehmen haben nun Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) aufgefordert, die angedachte Gesetzesänderung zu unterstützen. Als Gründe nennen die Verfasser des offenen Briefs nicht nur soziale Aspekte. Sie machen auch auf ökonomische Nachteile aufmerksam, die hierzulande durch die Diskriminierung von LGBTQ+-Menschen entstehen.

Schon seit 2016 diskutieren die Politiker in Tschechien über einen Gesetzesentwurf zur Ehe für alle – eingeführt wurde sie bisher aber noch nicht. 66 in Tschechien ansässige Unternehmen haben sich nun in einem offenen Brief an Premier Petr Fiala gewandt. Darin fordern sie, die Bedingungen für gleichgeschlechtliche Paare hierzulande schnellstmöglich zu ändern. Auch der Telekommunikationskonzern Vodafone zählt zu den Unterzeichnern der Erklärung. Der Geschäftsführer des Unternehmens, Petr Dvořák, hat die Forderung vergangene Woche vor Journalisten vorgestellt. Im Interview für Radio Prag International zeigt er sich hinsichtlich der Auswirkungen des Schreibens optimistisch:

Petr Dvořák und Aleš Bernášek | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

„Wir haben ein klares Signal gesandt. Unter den Unterzeichnern finden sich kleinere und große Unternehmen. Darunter sind auch Zugpferde wie Škoda, einer der größten Arbeitgeber hierzulande. Wenn man sich die Beschäftigtenzahlen anschaut, für die die Namen stehen, hoffe ich doch, dass wir dem Premier ein klares Zeichen geben.“

Zu den namhaften Firmen, die sich der Aufforderung angeschlossen haben, zählt dabei nicht nur Škoda Auto. Ebenso haben die Brauereien Pilsner Urquell und Staropramen sowie mehrere tschechische Banken ihre Stimme für die Ehe für alle erhoben. Hinzu kommen die tschechischen Ableger internationaler Großkonzerne wie IBM, Ikea, Microsoft, L’Oréal oder Coca-Cola. Insgesamt würden die Unternehmen mehre Zehntausend Angestellte beschäftigen, heißt es in dem offenen Brief.

In ihrer Erklärung gehen die Verfasser nicht nur auf die sozialen Aspekte ein. Man wolle zentral auf die ökonomischen Vorteile der Ehe für LGBTQ+-Menschen aufmerksam machen, so Dvořák:

Petr Dvořák,  Aleš Bernášek,  Martina Zimmermann und Czeslaw Walek | Foto: Vít Šimánek,  ČTK

„In dem Brief stehen die wirtschaftlichen Punkte ganz bewusst im Mittelpunkt. Es wird schon so lange über dieses Thema diskutiert, da es mit vielen Emotionen verbunden ist. Wir verlassen diese Perspektive, gehen weg vom Individuum und betrachten die rein wirtschaftlichen Auswirkungen für die Gesellschaft. Und mit einem Mal kommen ganz rationale Gründe auf, angesichts derer der Premier dafür sorgen sollte, dass dieses Gesetz verabschiedet wird.“

Die Unterzeichner berufen sich in ihrem Schreiben auf eine Studie des Analyseunternehmens Open For Business. Darin heißt es, dass der tschechische Staat wegen der Diskriminierung von sexuellen Minderheiten jährlich 37,6 Milliarden Kronen (1,5 Milliarden Euro) Verluste mache. Die Verfasser verweisen nicht nur auf Einnahmeausfälle in der Hochzeitsbranche. Die Ungleichberechtigung könne auch zu Depressionen und weiteren Krankheiten führen, in Folge derer die Mitarbeiter nicht einsatzfähig seien – ebenso wie nach gewalttätigen Übergriffen.

Nicht zu guter Letzt würde die Ehe für alle dazu beitragen, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuziehen – und die benötige Tschechien dringend, meint der Vodafone-CEO:

Petr Fiala | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

„Es gibt hierzulande keine sonderlich ausgeprägte Willkommenskultur. Unsere Wirtschaft kann aber ohne Immigration gar nicht funktionieren. Ich denke, die Ehe für alle wäre das richtige Signal. Nicht nur würden Tschechen nicht mehr dazu gedrängt werden, wegen Diskriminierung ihr Land zu verlassen. Sondern auch Menschen mit anderen kulturellen Hintergründen könnten durch diese Maßnahme ins Land gebracht werden. Und das würde die tschechische Gesellschaft bereichern!“

Tschechiens Premier Fiala hat auf das Schreiben der Firmen bereits reagiert. Auf Anfrage teilte er der Presseagentur ČTK mit, er begrüße den Vorstoß und habe die Debatte über eine gleichgeschlechtliche Ehe auch nie verhindern wollen. Da ein solches Gesetz aber moralisch-ethische Fragen hervorrufe, müssten die Abgeordneten gegebenenfalls ohne Fraktionszwang abstimmen, so der Kabinettschef.

Autoren: Ferdinand Hauser , Amelia Mola-Schmidt
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