Melissa Shiffs Arche ging in der "Kleinen Pinkas-Gasse" vor Anker

Foto: JAP Projects Inc., 2006

Wenn es dunkel wird, leuchtet in der einstigen "Kleinen Pinkas-Gasse" neben der "Pinkas-Synagoge" seit dem vergangenen Mittwoch ein gigantisches Schiff. Die an Noahs Arche erinnernde Video-Skulptur ist ein Werk der kanadischen Künstlerin Melissa Shiff. Sie hat die Arche anlässlich des 100. Jubiläums des Prager Jüdischen Museums geschaffen. Mehr erfahren Sie im folgenden "Spaziergang durch Prag" von Martina Schneibergova.

Zu den Feierlichkeiten anlässlich des 100. Jubiläums des Prager Jüdischen Museums hat sich die kanadische Künstlerin Melissa Shiff bereits einmal in Prag vorgestellt. Es ist nicht lange her, da die Besucher der Spanischen Synagoge Shiffs Videoinstallation über eine postmoderne jüdische Hochzeit sehen konnten. Das jetzige Projekt ist speziell für Prag entstanden. Es ist größer als die letzte Installation und auch inhaltlich umfangreicher. Denn die "Arche", wie die Künstlerin ihre Video-Skulptur nennt, enthält eine visuelle Botschaft. Mit Fotos und Jahreszahlen ruft Shiff unter anderem den Zweiten Weltkrieg, die Judenverfolgung und den Kommunismus ins Gedächtnis des Betrachters. Sie setzt das Museum mit einer Arche gleich, die Belege der jüdischen Kultur aus den böhmischen Ländern sicher aufbewahrt.

Der Ort, an dem das riesengroße Schiff so zu sagen ´vor Anker liegt´, wurde absichtlich von der Prager Kuratorin Michaela Hajkova gewählt. Die ehemalige "Kleine Pinkas-Gasse" hält sie für sehr bedeutend:

Melissa Shiff  (Foto: Autorin)
"Denn sie ist eines der letzten authentischen Überbleibsel des ehemaligen jüdischen Ghettos. Außerdem ist es der Ort, wo einst eines der Eingangstore stand, die ins Ghetto führten. Diese Straße hörte in den Jahren 1906-1907 auf, eine richtige Straße zu sein. Es ist beachtenswert, dass es gerade in dem Jahr war, als das jüdische Museum gegründet wurde. Die Künstlerin fühlte sich von diesem Ort angesprochen."

Die Arche ist ein vier Meter 50 hohes Objekt, das aus Acrylat und Aluminium zusammengestellt wurde. Wenn es dunkel wird, verwandeln sich die Schiffswände in eine Leinwand, auf die mit Projektoren ein dreißig Minuten dauernder Videofilm projiziert wird. Dieser erzählt die bewegte Geschichte des Jüdischen Museums und der Jüdischen Gemeinde im vergangenen Jahrhundert. Wie kam Melissa Shiff auf die Idee, ein an Noahs Arche erinnerndes Objekt zu schaffen?

"Ich bemühte mich, eine entsprechende Metapher für das Museum zu finden, als ich hier ein Werk installieren wollte. Dabei kam ich dazu, dass die Rolle des Museums der Rolle einer Arche ähnlich ist, die auch das Kulturerbe vor der Vernichtung rettet."

Die Arche zeigte sich als eine geeignete Metapher für ein Projekt über das Museum, dem es gelungen ist, Tausende von Gegenständen aus der Zeit des Holocaust zu retten. Über die Entstehung des Videofilms sagte die Künstlerin:

"Ich wollte ein verbindendes Thema finden. Die Arche sollte das Museum visualisieren. Der Inhalt des Museums, seine Sammlungen, die Gegenstände sind zur Struktur des Schiffes geworden. Von dieser Idee ging ich aus. Die einzelnen Szenen, die ich ausgesucht habe und die die tragenden historischen Momente des Museums darstellen, sind die Höhepunkte des Videofilms. Der Film suggeriert dem Zuschauer eine chronologische Reihenfolge, aber es geht dabei nicht nur um diese Chronologie. Die Arche soll viel mehr ein Bild des Museums als historischer Raum vermitteln, in dem das Kulturerbe aufbewahrt wurde."

 Michaela Hajkova  (Foto: Autorin)
Als Melissa Shiff von Michaela Hajkova, Kuratorin der Kunstsammlungen des Museums, vor etwa einem Jahr angesprochen wurde, ein Werk zum Jubiläum des Museums zu schaffen, suchte sie nach einem entsprechenden Thema. Dabei habe sie sich, so Shiff, an die Hochwasserkatastrophe erinnert, die im Sommer 2002 auch Prag heimgesucht hat. Damals sei sie auf die Idee der Arche gekommen.

Die Arche ist am Tag eine Skulptur. Wenn es dunkel wird, wird sie durch die erwähnte Videoinstallation belebt. Die Kuratorin dazu:

"Der Film beginnt mit einer Anspielung auf die Schöpfung der Welt. Es tauchen da Buchstaben des hebräischen Alphabets auf. Es folgt das symbolische Datum der biblischen Sintflut. Dann kommt ein großer historischer Sprung: Es wird an die Überschwemmung von 1890 erinnert. Damals wurde die jüdische Stadt vom Hochwasser betroffen. Wichtig ist das Jahr 1896, als man begann, das Prager Ghetto abzureißen. Zehn Jahre später wurde das Jüdische Museum gegründet. Im Film werden Gegenstände aus den Sammlungen gezeigt, die im Museum bereits vor dem Krieg aufbewahrt wurden. Die dramatischen Ereignisse von 1939 werden im Film symbolisch durch Gewitter angekündigt. Es folgt die Zeitetappe des Kriegs und des Holocausts. In der Zeit wurden die Museumssammlungen am meisten erweitert, denn es wurden hier konfiszierte Gegenstände aus den Synagogen zusammengetragen."

Im Film wird an das Schicksal der jüdischen Archivare und Kuratoren des Museums erinnert, dank derer die wertvollen Gegenstände gerettet wurden. Das Jahr 1945 stellt wiederum ein heiteres Kapitel in der Geschichte des Museums dar, bald folgte jedoch der kommunistische Putsch, sagt die Kuratorin:

"Im Film tauchen Symbole auf, die für den Totalitarismus typisch waren. Diese Zeitetappe dauerte bis 1989. Auf der ganzen Bildfläche wird eine hebräische Uhr gezeigt, die die neue Wende ankündigt. Im Jahre 1994 wurde das Museum den jüdischen Gemeinden zurückgegeben. Dies bedeutete eine Genugtuung. Es wird des Weiteren an die Hochwasserkatastrophe von 2002 erinnert, von der auch das Jüdische Museum betroffen war. Und die Geschichte wird mit dem Jahr 2006 abgeschlossen, in dem wir das 100. Jubiläum feiern."

Die Arche von Melissa Shiff wird in Prag bis zum 14. Januar 2007 zu sehen sein.