Menschenrecht Miete: Milliardenklage gegen Tschechien

Dem tschechischen Staat steht eine der größten Entschädigungsklagen seiner Geschichte ins Haus: Tschechische Immobilieneigentümer verlangen 50 Milliarden Kronen, knapp 1,8 Milliarden Euro, als Ersatz für entgangene Mieteinnahmen. Auch mehr als eineinhalb Jahrzehnte nach der Wende gelten für Teile des tschechischen Wohnungsbestandes nämlich noch staatliche Mietregulierungen. Und die sind teils so niedrig, dass die Eigentümer nicht einmal die laufenden Kosten daraus decken können. Nun soll der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheiden. Thomas Kirschner berichtet.

Prager Stadteil Vinohrady
Das Leben ist ungerecht - und kaum etwas illustriert diese Weisheit in Tschechien so augenfällig, wie die Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt. Für umgerechnet 100 Euro kann man 90 Quadratmeter in einer Gründerzeit-Villa im Zentrum bewohnen, oder für ein Vielfaches eine Schachtelwohnung im Plattenbau am Stadtrand - je nachdem, ob man einen der begehrten regulierten Mietverträge ergattert hat oder eben nicht. Regulierte Mieten gelten noch für rund 20 Prozent des tschechischen Wohnungsbestandes. Sie verzerren nicht nur den Wohnungsmarkt, sondern sorgen auch für deutliche Mindereinnahmen bei den Eigentümern, die aus den Mieten teils nicht einmal die laufenden Kosten decken können. Jiri Cunek, zuständiger Minister für Regionalentwicklung, zeigt grundsätzlich Verständnis für die Beschwerden der Eigentümer:

"Den Hauseigentümern ist ein Schaden entstanden, darüber lässt sich nicht diskutieren. Wenn ein Eigentümer aus den Mieteinnahmen nicht einmal die Kosten und die Instandhaltung der Wohnung finanzieren kann, dann liegt wohl ganz sicher eine Schädigung vor. Zugleich aber muss ich die Interessen des tschechischen Staates verteidigen, und ich meine, dass die geforderte Entschädigung von 50 Milliarden Kronen nicht angemessen ist."

Jiri Cunek
50 Milliarden Kronen, umgerechnet 1,8 Milliarden Euro - auf diesen Betrag haben die Eigentümer Tschechien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt. Eine gewaltige Summe - etwa der Jahresetat der tschechischen Armee. Die Hausbesitzer aber beteuern, dass ihr Minus allein im vergangenen Jahr mehr als 21 Milliarden Kronen betragen hat. Eine außergerichtliche Einigung ist unter anderem daran gescheitert, dass mehr als 4000 Einzelklagen vorliegen. Laut Tomislav Simecek von der Vereinigung der Hauseigentümer hat es aber auch kein attraktives Angebot gegeben:

"Uns ist kein Ausgleich angeboten worden, außer einer Summe von 300 Millionen Kronen, etwa 10,6 Millionen Euro, die dann aber in einem Auswahlverfahren durch das Ministerium nur an einzelne Hauseigentümer vergeben werden sollte, und das ist für uns absolut unannehmbar."

Die Eigentümer berufen sich darauf, dass der Europäische Gerichtshof in ähnlichen Fällen in Malta und Polen bereits zugunsten der Immobilienbesitzer entschieden hat. Auf Tschechien könnte damit ein teures Urteil zukommen. Für Minister Jiri Cunek sind die Verfahren aber nicht vergleichbar: Er macht geltend, dass in Tschechien bereits vor einem Jahr die schrittweise Deregulierung der Mieten beschlossen worden ist. Spätestens 2011 soll dann auch der Wohnungsmarkt ein freier Markt sein.