Mieten in Tschechien weiter angestiegen – immer mehr Familien drehen jede Krone um
Die Wohnkosten sind für die meisten Menschen in Tschechien seit vergangenem Jahr angestiegen. Doch es tut sich mittlerweile eine Schere auf: Während Wohnungseigner mit einem geringen Anstieg glimpflich davonkommen, müssen die Mieter empfindlich tief in die Tasche greifen. Dies geht aus der neuesten Studie des Meinungsforschungsinstituts PAQ Research für den Tschechischen Rundfunk hervor.
Jana ist alleinerziehend und lebte viele Jahre lang mit ihren drei Kindern in einer Mietwohnung im mährisch-schlesischen Ostrava / Ostrau. Die Wohnung wird von einer großen Wohnbaugesellschaft verwaltet. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks schildert Jana, dass ihre Miete beständig angestiegen sei. Sie habe nicht mehr gewusst, wo sie das Geld fürs Essen und für die Kleidung ihrer Kinder hernehmen solle, klagt die 37-jährige Mutter. Zum Schluss zahlte sie 22.000 Kronen (904 Euro) für ihre Wohnung, das ist über die Hälfte des tschechischen Durchschnittslohns.
Deswegen habe ihre Mutter, die in der Slowakei lebt, ihr immer unter die Arme greifen müssen. Diese habe Fleisch geschickt und – wenn sie zu Besuch war – die Kosten für den Einkauf übernommen, sagt Jana. Vor kurzem hat sie eine billigere Wohnung gefunden.
Jana ist längst kein Einzelfall in Tschechien. Mittlerweile müssen 30 Prozent der Haushalte in Mietwohnungen jede Krone umdrehen, weil sie am Ende des Monats nichts mehr übrig haben. Dies geht aus den aktuellen Daten des Meinungsforschungsinstituts PAQ Research hervor, die Zahlen wurden für das Projekt „Život k nezaplacení“ (Unbezahlbares Leben) des Tschechischen Rundfunks ermittelt.
Das Projekt läuft seit Herbst 2021. Seitdem sind die Mietkosten konstant angestiegen. Auch zwischen September vergangenen Jahres und September dieses Jahres haben sich die Ausgaben erhöht – und zwar um durchschnittlich 2000 Kronen (82 Euro). Die Haushalte in Eigentumswohnungen zahlten hingegen im selben Zeitraum nur rund 300 Kronen (12 Euro) mehr. Der Soziologe Daniel Prokop ist einer der Autoren der neuesten Studie von PAQ Research:
„Lange sind die Mietkosten aller Gruppen angestiegen. Das lag besonders an den Aufwendungen für Energie, die nach oben gegangen sind, und an der Entwicklung der Hypotheken. Im vergangenen halben Jahr ist der Anstieg der Energiepreise zum Stehen gekommen, und auch die Zinssätze der Hypotheken sinken. Doch die Mieten lagen im August dieses Jahres um durchschnittlich acht Prozent höher als noch ein Jahr zuvor.“
Auch deswegen beantragen immer mehr Mieter die staatliche Mietbeihilfe:
„Unseren Daten nach ist der Anteil der Mieter, die Mietbeihilfe beziehen, von 8 auf 20 Prozent angestiegen. Das bedeutet mehr als eine Verdoppelung.“
Ein Grund für die Entwicklung ist allgemein die Inflation, der andere die angespannte Lage auf dem Mietmarkt in Tschechien. Immer noch fehlen mehrere Zehntausend Unterkünfte allein in den größten Städten des Landes. Denn es wird zu wenig gebaut. Zugleich stehen aber auch viele Wohnungen leer. Ein weiterer Grund für die steigenden Kosten sind Mietverträge mit kurzer Laufzeit. Sie gelten meist für ein Jahr und werden aneinandergereiht. Laut der stellvertretenden Vorsitzenden des tschechischen Mieterbundes, Lenka Veselá, hat dies verheerende Folgen…
„Der Vermieter hat nach dem Ende eines solchen kurzfristigen Mietvertrags keine Hürden mehr für die Mieterhöhung. So kommen Steigerungen von 20 bis 30 Prozent vom einen auf das andere Jahr zustande – und nicht nur von maximal 20 Prozent innerhalb von vier Jahren, wie dies eigentlich im Bürgerlichen Gesetzbuch als Obergrenze festgelegt ist“, so Veselá.
Das zuständige Ministerium für Regionalentwicklung arbeitet mittlerweile an Maßnahmen, um Mietern mehr Sicherheit zu geben. Erwogen wird zum Beispiel das Prinzip „Zweimal und genug“. Das würde heißen, dass der Vermieter demselben Mieter nur noch zweimal hintereinander Mietverträge mit kurzer Laufzeit anbieten darf und danach einen unbefristeten Vertrag vorlegen muss. Der Soziologe Daniel Prokop empfiehlt zudem, Vermieter steuerlich zu motivieren, damit diese ihre Immobilien nicht leer stehen lassen. Doch das größte Problem liegt weiter darin, dass bezahlbarer Wohnraum für bestimmte Bevölkerungsgruppen fehlt. Das Ministerium will daher in Zukunft Gelder aus einem entsprechenden EU-Programm nutzen:
„Dadurch wird möglich, aus nationalen und europäischen Quellen bezahlbares Wohnen für eine größere Zielgruppe von Menschen zu finanzieren, etwa für junge Leute oder gesellschaftlich wichtige Berufsgruppen wie zum Beispiel Lehrer, Polizisten oder Beschäftigte sozialer Dienste. Mehr Wohnungen können dann zu Mieten unter dem Marktpreis angeboten werden“, so die Sprecherin des Ministeriums für Regionalentwicklung, Veronika Hešíková.
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