Menschenrechte in Tschechien
Die letzten 10 Jahre standen in vielen Teilen der Welt besonders in Mittel- und Osteuropa im Zeichen eines Siegeszugs von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Damit eng verbunden ist auch die steigende Akzeptanz für die Achtung von Menschenrechten. Wie ist es nun um die Menschenrechte in der Tschechischen Republik bestellt? Verehrte Hörerinnen und Hörer zu einer weiteren Folge unserer Sendereihe Schauplatz begrüssen Sie recht herzlich Dagmar Keberlová und Robert Schuster.
Obwohl die Grundcharta der Menschenrechte, wie sie nach dem zweiten Weltkrieg vom Europarat verabschiedet wurde, in den meisten Ländern Verfassungsrang geniesst und somit für alle verbindlich ist, passiert es immer noch allzu oft, dass einzelne Bürger das Gefühl haben, in ihren Grundrechten eingeschränkt zu werden. Dieses Problem trifft auch auf Tschechien zu. Vor drei Jahren wurde deshalb von der Regierung ein eigenständiges Amt des Beauftragten für Menschenrechte geschaffen. Der erste Regierungsbeauftragte war der frühere Dissident und Menschenrechtsaktivist Petr Uhl. Er scheute sich auch trotz seines offiziellen Amtes nicht sich in öffentlichen Debatten zu engagieren und wenn nötig auch klar Partei zu ergreifen. Seit Anfang diesen Jahres ist nun der 40-jährige Arzt Jan Jaøab neuer tschechischer Menschenrechtsbeauftragter. Seine Hauptafgaben umschreibt er im Gespräch mit Radio Prag wie folgt:
"Wir beschäftigen uns im allgemeinen nicht mit Beschwerden. Wir sind lediglich ein Beratergremium der Regierung und versuchen deshalb die Regierungspolitik im Bereich Menschenrechte zu koordinieren. In den drei vergangenen Jahren haben wir zwei wichtige Initiativen eingebracht. Zum einen die neue Fassung des Gesetzes zum Schutz der nationalen Minderheiten. Die zweite grosse Vorlage, an der wir massgeblich beteiligt waren, ist der Gesetzentwurf über die Stellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften."
Nicht nur in den regelmäsigen Berichten von Nichtregierungsorganisationen, den s.g. NGO's wie z.B. Amnesty International, sondern auch der UNO-Menschenrechtskomission wird der Tschechischen Republik oft der Vorwurf gemacht, sie gewähre nicht allen ihren Bürgern gleiche Rechte. So wird z.B. bereits seit Jahren nicht nur die schlechte soziale Lage der tschechischen Roma-Minderheit, sondern auch deren geringe Akzeptanz in der ganzen Gesellschaft beanstandet. Einer der Folgen dieser Entwicklung war in den vergangenen Jahren auch der Versuch von zahlreichen tschechischen Roma-Familien nach Kanada, Australien oder Grossbritannien auszuwandern. Die Gründe für eine solche Reaktion waren immer die gleichen: Ein sich oft unterschwellig äussernder und scheinbar breite Teile der Bevölkerung durchdringender Rassismus.
Die wachsende Angst der tschechischen Roma scheinen auf den ersten Blick auch die vor einer Woche präsentierten ersten Ergebnisse der Volkszählung vom März diesen Jahres zu bestätigen. Gegenüber dem Jahr 1991 haben sich nämlich diesmal weitaus weniger tschechischen Bürger als Roma deklariert. Sofort wurde deshalb gemutmasst, viele Anhgehörige der Roma-Minderheit hatten Angst sich zu ihren Wurzeln zu bekennen. Diese Möglichkeit räumt indirekt auch der Beauftragte der tschechischen Regierung für Menschenrechte, Jan Jaøab ein. Er sieht das jedoch nicht als Bestätigung, dass in Tschechien innerhalb der letzten 10 Jahre die Intoleranz gegenüber Minderheiten angestiegen wäre:
"Ich glaube nicht, dass es bei uns heute ein grösseres Mass an Rassismus gibt, als etwa im Jahr 1991. Ich glaube sogar, dass es diesbezüglich heute sogar etwas besser ist. Warum sich die Roma weniger stark zu ihrer Zugehörigkeit bekannten, kann auch damit zusammenhängen, dass die Angabe über die nationale Zugehörigkeit diesmal nicht obligatorisch war und viele haben deshalb die Möglichkeit genutzt keine Angaben machen zu müssen. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass es in diesem Jahr möglich war mehrere Volkszugehörigkeiten gleichzeitig anzugeben - also neben der tschechischen etwa auch jene der Romavolksgruppe."
Im Zusammenhang mit der Lage der Roma in Tschechien sorgte vor zwei Jahren insbesondere ein Fall für weltweites Aufsehen. Im nordböhmischen Aussig/Usti nad Labem beschloss die Verwaltung in einem der Stadtbezirke eine Mauer zu bauen, welche eine überwiegend von Roma bewohnte Siedlung von Einfamilienhäusern trennen sollte. Die weissen Bewohner dieser Häuser beklagten sich über anhaltenden Lärm und Störung der Nachtruhe. Die Mauer sollte für Abhilfe sorgen. Die ganze Angelegenheit wuchs in einen grossen Skandal aus. Die Europäische Union hat etwa in ihrem regelmässigen Bericht über die Bereitschaft Tschechiens der EU beizutreten ausdrücklich die Mauer in Aussig als stellvertretend für die Situation der Angehörigen der Roma-Minderheit im Land bezeichnet und indirekt auch als möglichen Stolperstein auf den Weg in die Union dargestellt. Zwei Jahre danach ist nun der Fall Aussig aus der Berichterstattung der Medien verschwunden, was aber nicht bedeutet, dass sich etwas Ähnliches nicht anderswo wiederholen könnte. Das gesteht auch Regierungsbeauftragter Jarab ein:
"Die Lage in Aussig hat sich natürlich vor allem deshalb verändert, weil die Stadt von der Regierung Geld bekam, dass u.a. für den Ankauf der Einfamilienhäuser in der betroffenen Strasse diente. Heute leben dort bis auf einige wenige Ausnahmen fast ausschliesslich Roma. Natürlich ist das keine gute Lösung ethnisch klar getrennte Strassen und Stadteile zu schaffen, weil dadurch vor allem auch nicht die grössten Probleme beseitigt werden, die zu einer Ghetto-Bildung führen. Faktum ist nämlich, dass sich an der sozialen Lage der dortigen Bevölkerung fast nichts geändert hat. Das sind Menschen, die keine Arbeit haben und deren einzige Einnahmequelle oft die staatlichen Unterstützungen sind. Das fördert generell die Abhängigkeit der Menschen dort, zum Beispiel von Drogen."
Ein Phänomen und Problem zugleich, dass sich insbesondere in letzter Zeit unter den Angehörigen der Roma-Minderheit stark ausbreitete, ist der illegale Geldwucher. Es geht darum, dass Personen, die sich oft in einer persönlichen Krisensituation befinden und Geld brauchen, sich die fehlenden Mittel zu einem für sie in den meisten Fällen unbezahlbaren Zins leihen. In Tschechien sind unlängst Fälle bekanntgeworden, wo solche Wucherer die Rückzahlung der geliehenen Summe innerhalb eines Monats in zweifacher Höhe forderten. Die Polizei hat zwar kürzlich bei einer grossangelegten Razzia einige der Köpfe dieser Mafia verhaften können, aber niemand weiss, ob die Geschädigten bereit sein werden gegen sie vor Gericht auszusagen. Man kann nämlich annehmen, dass es massive Einschüchterungsversuche von Seiten der Wucherer geben wird, zum anderen gilt als erwiesen, dass viele Roma kein Vertrauen in die Polizei und die Gerichtsbarkeit haben.
Neben der Lage der tschechischen Roma gibt es jedoch laut Menschenrechtsbeauftragten Jan Jaøab im Zusammenhang mit Tschechien auch weitere Fragen, die häufig Kritik von ausländischen Menschenrechtsorganisationen auf sich ziehen. Dieser Themenkomplex liesse sich als Gewährleistung des Rechts in der Tschechischen Republik bezeichnen. Vor allem wird die Länge der Gerichtsverfahren kritisiert, die von den Klägern im wahrsten Sinne des Wortes einen langen Atem verlangt, bis sie zu ihrem Recht kommen. Besonders oft kommt es zu solchen Fällen bei s.g. Restitutionsfragen, wo ehemalige Eigentümer ihr von den Kommunisten zwangsenteignetes Vermögen wieder zurück bekommen wollen. Konkret gibt es laut Jan Jaøab derzeit zwei entsprechende Fälle, wo sich Tschechen die seit vielen Jahrzehnten in den USA leben beim UNO-Menschenrechtsausschuss in Genf beschwert haben über den mangelnden Willen der tschechischen Behörden die vor Jahren verabschiedeten Restitutionsgesetze auch tatsächlich in allen Konsequenzen anzuwenden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die immer noch häufig gesellschaftlich tolerierte Gewalt gegenüber Frauen. Dabei muss es nicht nur um die klassischen Probleme, wie Prostitution oder Frauenhandel gehen. Als besonders mangelhaft wird laut Jarab von der UNO-Menscherechtskomission in Tschechien der Schutz der Frauen innerhalb der Ehe angesehen. Vielen sei das Problem noch gar nicht bewusst, und es werde auch immer noch tabuisiert.
Ein besonderes Augenmerk wird laut dem Menschenrechtsbeauftragtem Jaøab auf die Arbeit der Polizei in den früheren sozialistischen Ländern gerichtet. Schliesslich gehörten ja die Polizeikräfte vor der Wende zu den Hauptstützen eines undemokratischen und diktatorisch agierenden Regimes und büssten deshalb nach 1989 einen beträchtlichen Teil ihrer einstigen Macht ein. Auch Tschechien ist in dieser Hinsicht noch nicht allen seinen Verpflichtungen nachgekommen, wie Jarab abschliessend hizufügt:
"Da ist auch die Frage, warum in Tschechien immer noch nicht ein neues Polizeigesetz verabschiedet wurde, welches vor allem für die von der Polizei einvernommenen Personen gewisse Mindeststandards an Sicherheit gegen jegliche Form von polizeilicher Willkür verankern würde. Die Tschechische Republik hat sich dabei vor Jahren schon mit der Ratifizierung eines solches Abkommens zu einer Änderung ihres Polizeigesetzes verpflichtet. Das sind die Fakten. Und falls die Gremien, die über der Einhaltung dieser Abkommen wachen zum Schluss kommen, dass Tschechien hier ein Defizit habe, so sollten wir das so schnell wie möglich ändern."