Michal Kadlec: Bundesliga setzte Startsignal und wir folgen dem Beispiel
Zehn Tage nach der deutschen Bundesliga ist am Dienstag und Mittwoch auch die tschechische Fortuna Liga zurück in die Saison gestartet. Nach der Unterbrechung durch das Coronavirus wurde der 25. Spieltag komplett ausgetragen, und das mit acht Geisterspielen. Der ehemalige Bundesligaspieler Michal Kadlec gehört zum Kader des 1. FC Slovácko. Im Interview für Radio Prag International spricht er über den Neustart der Liga, den Rest der Saison und die Ambitionen seines Vereins.
„Ich glaube eher nicht. Ich habe natürlich schon viele Spiele hinter mir, doch ich kann mich jetzt nicht erinnern, dass ich vor leeren Rängen ein Bundesligaspiel oder eine Begegnung in einer anderen Liga absolviert habe. In Freundschaftsspielen war das sicher der Fall. Wenn wir aber beispielsweise in der türkischen Liga ein Stadionverbot bekommen haben und keine Männer in die Arena durften, waren immer noch zahlreiche Frauen und Kinder anwesend. Bei Sparta Prag wiederum war es so, dass mal ein Teilbereich des Stadions geschlossen blieb, doch das komplette Rund eher nicht.“
Dann war ja das Geisterspiel Ihres 1. FC Slovácko am Dienstag gegen Olomouc / Olmütz ein neue Erfahrung für Sie. Wie haben Sie das Match erlebt?
„Ich glaube, ich habe das erlebt wie alle anderen auch: Die Fans haben natürlich gefehlt. Auf dem Platz war alles zu hören, jeder Schrei, aber auch der Unmut gegenüber dem Schiedsrichter oder einem Gegenspieler. Alles war mehr zu hören als sonst, einschließlich die Anweisungen des Trainers. Ohne die Fans zu spielen, das hat Vor- und Nachteile. Für Spieler, die den Druck von den Rängen spüren, ist es vielleicht besser. Will man andererseits aber den Gegner oder auch den Schiedsrichter ein wenig unter Druck setzen oder ist man gerade am Drücker, dann helfen einem die Zuschauer dabei. Das fehlt natürlich insbesondere in den Heimspielen. Doch die Bedingungen sind für alle gleich, wir müssen damit leben, dass es jetzt so ist. Mal schauen, wie sich das Ganze entwickelt, weil jede zweite Woche hierzulande immer mehr Leute in die Stadien dürfen. Gegenwärtig sind es 300, ab dem 8. Juni werden es 500 sein, und zwei Wochen später dürfen schon insgesamt 1000 Menschen ein Fußballspiel besuchen. Wir hoffen natürlich, dass so schnell wie möglich auch wieder alle Fans ins Stadion kommen können.“
Kadlec zum Geisterspiel: „Die Fans haben natürlich gefehlt. Auf dem Platz war alles zu hören, jeder Schrei, aber auch der Unmut gegenüber dem Schiedsrichter oder einem Gegenspieler. Alles war mehr zu hören als sonst, einschließlich die Anweisungen des Trainers.“
Die Geisterspiele sind ja das Ergebnis der außergewöhnlichen Lage, in die uns die Verbreitung des Coronavirus gebracht hat. Waren Sie eigentlich dafür oder dagegen, dass die Liga unter diesen Umständen, also quasi ohne Zuschauer, zu Ende gespielt wird?
„Das ist schwer zu sagen, denn ich glaube, dazu gab es mehrere Phasen. Am Anfang wussten wir natürlich noch nicht so richtig, wie das wird. Jeden Tag wurde etwas anderes geschrieben wie ‚Wir spielen – wir spielen ohne Fans – wir spielen nur vor 500 Zuschauern – oder: Wir spielen gar nicht.‘ Hinzukam, dass die Pause schon auf zwei Monate angewachsen war, was natürlich nicht so gut ist für jeden Fußballer, vor allem vom Kopf her. Da gab es also den Zeitpunkt, an dem ich gesagt habe: ‚Es ist besser, wir spielen nicht‘. Denn alle Inhalte unseres Profidaseins waren quasi auf null heruntergefahren, es fühlte sich an, als wenn die Saison schon zu Ende wäre. In solch einem Stadium ist es natürlich schwer, Körper und Geist dann wieder auf den Punktspielalltag vorzubereiten. Doch dann haben wir wieder eine Vorbereitungsphase ähnlich der in der Winterpause gestartet, in der wir zunächst 14 Tage individuell trainiert haben. Dazu zählten Waldläufe, Konditionsläufe oder auch Sprints. Und da hat man sich dann auch gesagt:| ‚Wenn wir dieses Pensum schon absolviert haben, dann sollten wir auch wieder spielen.‘ Wär die Vorbereitung wieder abgebrochen und die Saison für beendet erklärt worden, dann hätten wir in zwei Monaten noch einmal das gleiche Prozedere vor uns. Es wären dann quasi drei Vorbereitungsperioden in einem halben Jahr. Das war dann auch die Phase, in der ich gesagt habe: ‚Lasst uns wieder spielen, auch ohne Fans, damit wir nicht unnütz trainiert haben‘.“
All das ist ja der besondere Lage geschuldet. Doch wie stehen Sie persönlich zu Geisterspielen an sich?„Mir macht es natürlich mehr Spaß, mit den Fans im Rücken zu spielen. Für mich sind Geisterspiele nichts, worauf man sich freut. Fußball spielt man schließlich für die Zuschauer, und die Atmosphäre in den Stadien ist ja gerade das Geile an diesem Sport. Ebenso der Jubel nach jedem Tor oder das Feiern eines Sieges nach dem Spiel zusammen mit den Fans. Ich spiele also ganz klar lieber mit Zuschauern. Dass es jetzt anders ist, kann ich nicht ändern.“
Um den Rest der Saison überhaupt noch fortsetzen zu können, mussten sich die Mannschaften auf ein entsprechendes Konzept des Liga-Verbandes (LFA) einlassen. In Deutschland mussten die Teams eine Woche vor ihrem ersten Match für eine Woche in eine vorgeschriebene Quarantäne, das heißt eine Woche lang gemeinsam in einem Hotel verbringen. Wie lief das Ganze hier in Tschechien ab beziehungsweise speziell bei Ihrem Verein?
„Bei uns war es so, dass wir vor dem ersten Spiel auch den ersten Corona-Test hatten. Bei allen Spielern und Mitarbeitern des 1. FC Slovácko war der Test negativ. Das war für uns das grüne Licht, dass alles ok ist. Bei uns war es nicht so wie in Deutschland, dass wir eine Woche lang zusammen im Hotel waren. Ansonsten aber war alles ähnlich, das heißt wir sind uns mit Abstand begegnet und haben so auch trainiert, wir verbrauchen viel Desinfektionsmittel, wir benutzen getrennte Kabinen und wir duschen erst zu Hause. Diese Maßnahmen haben wir alle akzeptiert. Demgegenüber ist es schon seltsam, wenn man erfährt, dass man nicht mit dem Gegner gemeinsam einlaufen und sich im eigenen Team nicht untereinander abklatschen kann. Aber wenn du dann einen Eckball hast, wo sich bis zu 20 Mann ohne Mundschutz in einem engen Raum bewegen, es mehrfach zum Körperkontakt kommt, dann sind für mich ein paar Regeln völlig auf den Kopf gestellt. Doch was soll man machen: Wir akzeptieren das und spielen gemäß den Auflagen weiter.“
Kadlec zu den Corona-Tests: „Ich denke, dass die ganze Corona-Sache von den Medien etwas hochgekocht wird. Klar ist die Pandemie schlimm, auf der anderen Seite war zu hören, dass es vor allem um unser Immunsystem geht und dass besonders die Menschen an dem Virus sterben, die schon Vorerkrankungen haben. Ich gehe damit aber einigermaßen ruhig um. Von daher sind die Tests, die hierzulande im bezahlten Fußball gemacht werden, für mich ausreichend.“
In Deutschland werden die Spieler ständig getestet. Bei Dynamo Dresden zum Beispiel, wo wegen drei positiver Corona-Fälle die gesamte Mannschaft für zwei Wochen in Quarantäne musste, hat jeder Akteur vor der ersten Begegnung mittlerweile schon sechs Tests hinter sich. Danach wird vor jedem weiteren Spiel immer wieder getestet. Hier in Tschechien gab es nur zwei Tests vor dem Re-Start, und einen dritten und letzten Test gibt es nach der Hauptrunde beziehungsweise vor Beginn der Finalrunde. Ist das für Sie ausreichend? Wie stehen Sie generell zu diesen Tests?
„Für mich ist das ausreichend. Ich denke sowieso, dass die ganze Corona-Sache von den Medien etwas hochgekocht wird. Klar ist die Pandemie schlimm, auf der anderen Seite habe ich auch viele Meinungen dazu gehört. Da war zu hören, dass es vor allem um unser Immunsystem geht und dass besonders die Menschen an dem Virus sterben, die schon Vorerkrankungen haben. Es ist also schwer, etwas Konkretes dazu zu sagen. Ich gehe damit aber einigermaßen ruhig um. Von daher sind die Tests, die hierzulande im bezahlten Fußball gemacht werden, für mich ausreichend. Sicher, auch bei uns könnte man die Tests einmal wöchentlich machen, doch dann beginnt schon das erste Problem mit der Frage: Wer bezahlt das eigentlich? Die Clubs oder der Liga-Verband? Von daher hat man sich auf die insgesamt drei Tests pro Mannschaftsmitglied geeinigt. Der dritte Test erfolgt nach dem 30. Spieltag, also bevor dann in drei Gruppen um den Titel, die Platzierungen und gegen den Abstieg gespielt wird. Vielleicht kann da noch etwas passieren. Doch bis jetzt gab es nur je einen positiven Fall bei Slavia Prag und beim FK Mladá Boleslav. Aber auch das hat sich noch irgendwie geregelt.“
Die deutsche Bundesliga hat als erste aller europäischen Ligen den Re-Start in die Saison vollzogen. Hat das auch in Deinem Verein ein gutes Gefühl vermittelt, dass jemand vorangeht und so gewissermaßen die Vorreiterrolle in punkto Geisterspiele einnimmt? Konnte man sich daran orientieren?„Ich denke schon. Ich glaube, nicht nur wir als FC Slovácko, die LFA und der tschechische Fußballverband profitieren davon. Denn was ich so gehört habe, auch von meinem Vater, der mit einigen Ex-Teamkollegen aus Deutschland gesprochen hat, war zu vernehmen: Die ganze Welt hat eigentlich auf Deutschland geguckt. Viele Leute, darunter auch Vertreter anderer Sportarten, haben in Deutschland angerufen und natürlich gefragt, wie das dort gemacht wird. Sie wollten wissen, welche Bedingungen es zu erfüllen gibt, was die Maßnahmen in und um die Stadien sind und vieles mehr. Ich glaube, da sind die Deutschen ein Vorbild, nicht nur für uns Tschechen, sondern für die ganze Welt. Und es gibt nicht wenige, die sagen: ‚Wenn es die Deutschen nicht schaffen mit dem Neustart, dann schafft es fast keiner.‘ So wurde es meiner Meinung nach auch präsentiert. Und wie gesagt, wenn die Bundesliga nicht angefangen hätte, dann hätten wir vielleicht auch nicht damit begonnen. Der Liga-Verband hat sich bestimmt auch etwas von der Bundesliga abgeschaut, vor allem was die Maßnahmen betrifft. Ich glaube, dass die Bundesliga eine Art Startsignal war und alle geschaut haben, wie es in Deutschland funktionieren wird.“
Kadlec zur Vorreiterrolle der Bundesliga: „Ich glaube, da sind die Deutschen ein Vorbild, nicht nur für uns Tschechen, sondern für die ganze Welt. Und es gibt nicht wenige, die sagen: ‚Wenn es die Deutschen nicht schaffen mit dem Neustart, dann schafft es fast keiner.‘
Mittlerweile haben Sie und Ihre Mannschaft auch schon die erste Begegnung nach dem Re-Start hinter sich. Was ist Ihr erstes Fazit? Sind Sie immer noch froh, dass die Saison jetzt weitergeht und dass Sie spielen können, oder wäre es Ihnen lieber, wenn die zehn Partien, die jetzt alle vor einer Geisterkulisse ausgetragen werden, schon hinter Ihnen lägen?
„Gute Frage! Dazu könnte ich natürlich mehr sagen, wenn die zehn Spiele hinter uns sind. Je nachdem, wie sie dann gelaufen sind, würde ich das erneut bejahen oder aber sagen: ‚Hätten wir die Saison doch lieber abgebrochen.‘ Doch Stand der Dinge jetzt, ist es natürlich gut, dass wir spielen. Also, dass wir nicht nur trainieren und damit quasi etwas anderes machen, als unserem Beruf nachzugehen. Natürlich sind Geisterspiele nicht das Gelbe vom Ei, auch wenn bei uns in Tschechien wie gesagt einige hundert Zuschauer zugelassen sind. Aber das ist mit Deutschland nicht zu vergleichen. Dort kommen nicht selten 50.000, aber auch 60.000 oder 70.000 Menschen in die Stadien, hier in Tschechien sind es in der Regel aber nur so 4000 bis 5000 je Begegnung. Der Sprung ist natürlich in Deutschland ganz enorm, das Fehlen der Zuschauer ist da natürlich viel mehr zu spüren als hier in Tschechien. Trotzdem spielen wir jetzt einfach, egal ob mit oder ohne Fans, Hauptsache es geht irgendwie voran. Wir wollen die Saison so gut wie möglich beenden, weil wir vor dem Re-Start auf einem guten sechsten Platz waren. Das ist für Slovácko ein sehr gutes Zwischenergebnis, und wir probieren jetzt, wenn möglich noch weiter nach vorn zu kommen. Wir wissen andererseits auch, dass wir quasi jeden dritten Tag ein Spiel bestreiten. Das ist für manche Jungs, die so etwas noch nicht gewohnt waren, etwas Neues. Ganz im Gegensatz zu den Kickern, die schon öfter in der Woche in der Champions League, der Europa League oder in der Nationalmannschaft gespielt haben – die kennen diesen Rhythmus. Die wissen so auch, dass dann weniger trainiert, dafür aber umso mehr regeneriert wird. Jetzt war erst der Startschuss, die Saison aber wird sich meiner Meinung nach ab dem dritten, vierten Spieltag nach dem Re-Start entscheiden, wenn alle schon gewisse Anstrengungen in den Beinen haben. Dann wird es interessant, zu sehen, wie sich die jeweiligen Teams damit auseinandersetzen, ob sie einen ausreichend großen Kader haben. Fallen dann mal drei, vier Spieler mit Verletzungen aus, ist das auch eine Sache, mit der man klarkommen muss.“
Was ist eigentlich das Ziel des 1. FC Slovácko für den Rest der Saison? Steuert ihr bis zum Ende der Hauptrunde auch einen Platz unter den Top sechs an, weil ihr dann auch an der Meisterrunde teilnehmt?„Auf jeden Fall, das ist unser Ziel. Vor der Saison war unser Ziel die Mittelgruppe, also Platz sieben bis zehn. Nach dem bisherigen Saisonverlauf aber wollen wir mehr, zumal wir die Favoritenteams wie Slavia und Sparta Prag bezwungen und Pilsen sogar zweimal geschlagen haben. Wir wissen, dass wir mit dem Niveau der oberen Tabellenhälfte mithalten können. Jetzt wird man sehen, ob es für eine vordere Platzierung reicht, und ob wir die Punkte auch gegen die – in Anführungszeichen – Schwächeren holen. Unser Ziel ist auf jeden Fall, Platz sechs zu halten oder vielleicht noch besser zu landen.“