Fußball: Slavias Rekordsaison und die EM-Vorbereitung des Nationalteams
In Tschechien ist in Sachen Fußball eine denkwürdige Erstligasaison zu Ende gegangen – und das nicht nur wegen des Coronavirus und damit verbundener Änderungen. Aber es geht weiter in Richtung Saisonhöhepunkt: die Europameisterschaft, die am 11. Juni beginnt. Wobei das tschechische Team erst drei Tage später in die EM startet. Derzeit bereiten sich die Spieler in Südtirol darauf vor. Im Folgenden mehr zu Liga und Nationalmannschaft.
Slavia Prags Fußballer feierten am vergangenen Samstag zusammen mit ihren Fans den tschechischen Meistertitel. Schon dass es ein gemeinsames Fest war, ist in Corona-Zeiten eine Meldung wert. Aber tatsächlich durften für die letzten Spieltage hierzulande wieder Zuschauer in die Stadien der Fortuna-Liga, wie die höchste Fußballspielklasse offiziell heißt. Am Ende gab es also ein bisschen Normalität in einer ansonsten ungewöhnlichen Fußball-Saison.
Sicher nicht überraschend war, dass sich Slavia Prag die Meisterschaft gesichert hat. Die Titelvergabe stand schon fünf Spieltage vor Schluss fest, und es war der dritte Coup der Rot-Weißen in Folge. Aber die Art und Weise lässt schon staunen. Denn der Verein aus der Hauptstadt schritt ohne eine einzige Niederlage durch die Saison. Zudem gewann man auch den Pokal. Dies alles ist sicher auch ein Verdienst von Trainer Jindřich Trpišovský, der dazu sagte:
„Das ist meiner Meinung nach etwas Außergewöhnliches. Und deutlicher kann man den Anspruch auf den Titel nicht beweisen, als 34 Spieltage lang ungeschlagen zu bleiben.“
Saison ohne Niederlage
Der 45-jährige Coach wurde – wenig überraschend – von Kollegen, Mannschaftskapitänen und ausgewählten Sportjournalisten zum Trainer der Saison gewählt. Auch bei den anderen Teams zieht man den Hut vor der Leistung der Prager. So etwa Martin Doležal, der Goalgetter des Ligadritten KF Jablonec:
„Sie haben es auch international bewiesen mit dem Viertelfinaleinzug in die Europa League. Wer hierzulande das Geschehen verfolgt hat, konnte sehen, dass sie praktisch ihre eigene Liga gespielt haben. Niemand hat ihnen das Wasser reichen können. Sie verfügen über hervorragende Spieler und einen ausgezeichneten Trainer. Slavia hat das gleich in drei Wettbewerben gezeigt, wenn man den Verbandspokal dazu nimmt. Der Verein ist konkurrenzlos hierzulande.“
So wie Slavia die Spielzeit dominiert hat, sahen auch die Ergebnisse bei den restlichen Ehrungen zum Saisonende aus. Denn bester Spieler wurde Lukáš Provod, der Mittelfeldmotor des Meisters.
„Wir haben den Meistertitel und den Pokal geholt. Die Saison war hervorragend – und das auch für mich. Ich habe viel gespielt, war zugleich aber einfach ein Teil des Teams. Sicher habe ich ebenso selbst zu der Ehrung beigetragen. Auf der anderen Seite hätte ich mehr Tore schießen und häufiger Vorlagen geben können. Das heißt, in Zukunft könnte ich sicher noch eine bessere Saison spielen“, so der 24-Jährige.
Bitter für Provod ist jedoch, dass er sich Anfang Mai das Kreuzband riss und somit die Europameisterschaft verpasst. Und zumindest für 2021/22 wird es schwer für ihn, die jetzige Saison zu toppen. Denn Provod dürfte erst im Laufe der Spielzeit auf den Fußballplatz zurückkehren.
Toptorjäger mit 18 Jahren
Aber weiter mit den Ehrungen. Die Torjägerkanone konnte der Meister nicht alleine einheimsen. Slavia-Stürmer Jan Kuchta muss sich diese nämlich teilen – und zwar mit dem Nachwuchstalent Adam Hložek vom Erzrivalen und Vizemeister Sparta Prag. Beide erzielten jeweils 15 Treffer. Doch Hložek brauchte dazu nur 19 Spiele. Im vergangenen Sommer startete er hervorragend in die Saison, dann brach sich der Jungspund aber den Mittelfuß. Erst im März kam er wieder zurück. Anfangs lief es dabei noch nicht so richtig gut, im abschließenden Heimspiel von Sparta trumpfte Adam Hložek jedoch groß auf. Da schoss er innerhalb von 20 Minuten vier Tore, darunter ein lupenreiner Hattrick in 15 Minuten. Nach der Begegnung gab sich der 18-Jährige ziemlich bescheiden für eine solche Leistung:
„Es war ein schönes Spiel. Meine Mitspieler haben mir wunderbar zu meinen Toren aufgelegt, ich brauchte den Ball nur noch hineinzuschieben. Das heißt, sie haben einen größeren Anteil daran als ich.“
Was nicht unbedingt stimmt, zumindest nicht bei den Toren drei und vier. Adam Hložek wird natürlich im Ausland bereits umworben, und zwar von den absoluten Top-Vereinen. Bayern München, Borussia Dortmund und der FC Liverpool werden als Interessenten gehandelt.
Doch das Supertalent hat am Sonntag erst einmal bei seinem derzeitigen Klub verlängert – und zwar bis 2024. Für die neue Saison sagt der junge Stürmer, dass er mit Sparta gerne den Titel holen würde. Doch das wird schwer. Denn Slavias derzeitige Dominanz ist auch eine Folge der finanziellen Kräfteverteilung im Fußball hierzulande. Das machte beispielsweise Pavel Hoftych in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks deutlich. Er ist Trainer bei Slovan Liberec:
„Dank der finanziellen Ausstattung kann Slavia alles kaufen, was auf dem tschechischen Fußballmarkt angeboten wird. Zugleich schafft es Trainer Jindřich Trpišovský erstaunlich gut, aus dem Angebot auch die besten Spieler auszuwählen und in die Mannschaft einzubauen. Letztlich wachsen dann die Leistungen aller Spieler beständig, wenn schon im Training auf hohem Niveau Konkurrenz besteht. Slavia investiert also die meisten Finanzen ins Team. Ich habe Respekt für die Leistung und davor, dass sie mit dem vielen Geld umgehen können.“
Das Geld kommt im Übrigen zu großen Teilen von einem chinesischen Investor, dem Energiekonzern CEFC Energy. Seit dieser 2015 in den Verein eingestiegen ist, hat Slavia bereits viermal den Meistertitel geholt.
Im Sommer werden dann die Rot-Weißen erneut um die Teilnahme an der Champions League spielen, genauso wie Sparta Prag. Eine kleine Überraschung ist der dritte Platz für den FK Jablonec, der daher in die Vorrunde der Europa League einzieht. Anstatt der Nordböhmen hätte man dort Viktoria Pilsen erwartet. Der vierfache Meister der vergangenen zehn Jahre landete aber nur auf Rang fünf. Noch davor platzierte sich der 1. FC Slovácko. Das Team um Ex-Bundesligaspieler Michal Kadlec freut sich nun auf die neugegründete Conference League, um die auch Plzeň / Pilsen spielen wird.
Wegen Corona bestand die erste Liga in dieser Saison aus 18 Mannschaften – zwei mehr als normal. Deswegen steigen gleich drei Teams ab. Erwischt hat es den Slezský FC Opava, den 1. FK Příbram sowie den FC Zbrojovka Brünn. Dafür steigt aus der zweiten Liga, der Národní fotbalová liga, nur ein einziges Team auf. Geschafft hat dies der frühere Erstligist FC Hradec Králové.
Tschechien verlegt EM-Basis
Die neue tschechische Liga-Saison beginnt bereits am 24. Juli. Nicht einmal zwei Wochen vorher findet das EM-Finale statt. Es geht also in einem fort. Derzeit bereitet sich das tschechische Fußballnationalteam in Südtirol auf den Saisonhöhepunkt vor. Und zwar im idyllischen Ort Vals. Alle 26 Spieler waren vor dem Abflug am Montag in Prag negativ auf Corona getestet worden. Am Abend stand schon das erste Training vor der spektakulären Bergkulisse an. Journalisten waren nur in der ersten Viertelstunde zugelassen. Der Reporter des Tschechischen Rundfunks konnte allerdings mit Bundesligaspieler Pavel Kadeřábek reden.
„Die Umgebung ist ziemlich schön. Ich mag Berge, Ausflüge und Wandern. Dazu kommen wir hier natürlich jetzt nicht. Aber immerhin hat man diese Natur um sich herum. Das macht den Aufenthalt für mich angenehmer“, sagte der Außenverteidiger von Hoffenheim.
Allerdings bleibt die tschechische Mannschaft nur bis Sonntag in Südtirol. Dazwischen tritt sie am Freitag in Bologna zu einem Testspiel gegen Italien an. Der Rest der Vorbereitung geht dann in Tschechien über die Bühne. Denn es bestehen Probleme mit den harten Quarantäneregeln in Schottland, wo die Mannschaft die ersten zwei Begegnungen absolviert. Deswegen bleibt das tschechische Team zu Hause und will dann zu den Vorrundenspielen an die jeweiligen Orte fliegen. Dies sind die Begegnungen am 14. Juni in Glasgow gegen Schottland und am 18. Juni am selben Ort gegen Kroatien. Im abschließenden Gruppenspiel geht es am 22. Juni im Londoner Wembley-Stadion gegen England. Michal Jurman ist Sprecher des tschechischen Fußballverbandes:
„Das Problem ist konkret die Bestimmung in Schottland, dass schon bei einem einzigen Corona-Fall das gesamte Team in Quarantäne kommen würde. Deswegen haben wir und auch Kroatien uns zu der aktuellen Lösung entschlossen. Die zusätzlichen Kosten dieser unerwarteten Änderung für beide Verbände übernimmt die Uefa.“
Eigentlich wollten die Tschechen ab 9. Juni ihr EM-Lager in Edinburgh aufschlagen. Ende vergangener Woche wurden dann die schottischen Quarantäneregeln bekannt. Weil diese gegen die Empfehlungen der Uefa verstoßen, könnte es sogar sein, dass die in Glasgow geplanten Begegnungen kurzfristig noch irgendwo andershin verlegt werden. Darum bemüht sich zumindest der hiesige Verband, wie die Medien berichteten. Anstatt der erhofften Ruhe vor der EM gibt es also für die tschechischen Fußballer mehr Aufregung, als ihnen lieb sein kann.