Tschechien fordert Weltmeister Spanien mit fünf Bundesligaprofis im Kader

Michal Bílek (Foto: Filip Jandourek)

Am Montag erteilte die tschechischen Fußballfans diese Meldung: Ladislav Novak, der Kapitän der tschechoslowakischen Nationalmannschaft, die 1962 im WM-Finale Titelverteidiger Brasilien nach großem Spiel mit 1:3 unterlag, ist im Alter von 79 Jahren verstorben. Eine traurige Nachricht, die andererseits aber auch verrät: Vor knapp 50 Jahren waren die Fußballer aus Tschechien und der Slowakei quasi die besten in Europa! Das war auch so vor 35 Jahren, als die Nationalelf der ČSSR im Belgrader EM-Finale Favorit Deutschland auch dank des berühmten Panenka-Elfmeters bezwang. Und heute? Gegenwärtig liegt Tschechien nur noch auf Platz 31 der Fifa-Weltrangliste – und schaut nach vorn: Auf die Begegnung mit dem amtierenden Welt- und Europameister Spanien am Freitag in Granada.

Michal Bílek  (Foto: Filip Jandourek)
Der tschechische Fußball der Gegenwart bäckt kleinere Brötchen als noch vor sieben Jahren. 2004 imponierten die Kicker um Pavel Nedvěd, Karel Poborský und Jan Koller mit tollem Angriffsspiel und gewannen Bronze bei der EM-Endrunde in Portugal. Jetzt aber sind die Stars von einst nicht mehr aktiv und der tschechische Fußball wartet auf eine nächste Generation an starken Fußballern. Oder ist diese bereits im Anmarsch? Im Aufgebot, das Nationaltrainer Michal Bílek für das bevorstehende EM-Qualifikationsspiel gegen die Spanier nominierte, stehen jedenfalls gleich vier Akteure, die sich mit der U21-Auswahl für die diesjährige EM-Endrunde in Dänemark qualifiziert haben. Und zwei von ihnen spielen derzeit in der deutschen Bundesliga beim 1. FC Kaiserslautern: Jan Morávek und Adam Hloušek.

Beide Nachwuchstalente sind zwar lediglich von Schalke beziehungsweise Slavia Prag an die Pfälzer ausgeliehen, doch sie konnten bisher im Team der „Roten Teufel“ durchaus überzeugen. Das gilt insbesondere für den 22-jährigen Hloušek, der nach einer schweren Bänderverletzung im Knie, das operiert werden musste, erst im vergangenen Herbst bei Slavia wieder auf die Beine kam. Und zwar so gut, dass er zur Winterpause vom 1. FCK als Verstärkung geholt wurde. Bei den Pfälzern fühlt sich Hloušek inzwischen pudelwohl:

Adam Hloušek  (noch im Kader von Slavia Prag). Foto: Archiv von Slavia Prag
„Mir hat es schon viel Selbstvertrauen gegeben, dass Kaiserslautern an mir Interesse zeigte und mich als Leihgabe verpflichtet hat. Außerdem hilft mir das ganze Umfeld in Lautern: Der Trainer bringt mir Vertrauen entgegen, die Unterstützung der Fans ist toll und die Atmosphäre im deutschen Fußball überhaupt ist Balsam für die Psyche. Wenn man dort vor vollen Tribünen den Rasen betritt, genießt man das einfach.“

Im linken Mittelfeld hat sich Hloušek beim FCK eine Stammposition erobert und gegen den Hamburger SV hat er auch schon sein erstes Bundesliga-Tor erzielt. Aber das sei nur ein guter Start auf seinem weiteren Weg nach oben, meint Hloušek:

„Ich spüre bereits jetzt, dass ich in der Bundesliga noch Reserven habe und dass ich mich noch in vielen Dingen verbessern kann. Sicher, ich bin auch bei Slavia Prag und in Jablonec vorangekommen, doch in der Bundesliga sind die Möglichkeiten und Freiräume für Verbesserungen noch weitaus größer.“

Um seine fußballerischen Qualitäten weiter zu verbessern, will sich Hloušek vor allem von den erfahrenen Spielern der Bundesliga so einiges abschauen. Sehr rasch hat der schnelle Linksfuß nämlich festgestellt, dass in der Bundesliga nicht unbedingt schneller und härter gespielt wird als in Tschechien, dafür aber umso mehr mit Köpfchen und Übersicht:

„Nach meinen ersten zwei Spielen bin ich dahinter gekommen, dass man in der Bundesliga häufig sogar mehr Zeit hat bei der Ballannahme als in unserer Liga. Man wird nicht ständig attackiert und hat auch meistens mehr Raum, doch dann geht es in erster Linie darum, das Beste aus dieser Situation zu machen.“

Das und anderes mehr will das tschechische Talent nun in Kaiserslautern lernen, wobei er bereits jetzt immer wieder aufs Neue eine Gänsehaut bekommt, wenn die Fans zum Betze pilgern:

Jan Morávek
„Wenn wir anderthalb Stunden vor jedem Heimspiel vom Hotel zum Stadion fahren, dann sehen wir bereits die Massen zum Stadion auf den Betzenberg strömen. Das sieht aus, als wenn dort ein wahrer Ameisenhaufen zusammenkommt. Und wenn wir zum Warmmachen ins Stadion einlaufen, dann sind bereits rund 25.000 Menschen auf den Rängen. Man wird mit viel Beifall begrüßt, und wenn das Spiel beginnt, dann ist das Stadion auch knacke voll. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl.“

Neben den Zuschauern gibt es noch einen Grund, weshalb er sich in Kaiserslautern sehr schnell eingelebt habe und auch wohlfühlt – es sind seine Mitspieler, so Hloušek. Mit Jiří Bílek, Jan Morávek und Jan Šimůnek sind gleich drei tschechische Landsleute unter ihnen, und die haben ihm besonders am Anfang bei den Anmeldungen auf mehreren Behörden geholfen. Darüber hinaus ist mit Adam Němec auch noch ein Slowake im Team, der wiederum den Kontakt zu einem örtlichen Restaurant pflegt, das von einem Slowaken betrieben wird. Es ist die Stammkneipe der fünf „Tschecho-Slowaken“ geworden und so noch ein Grund mehr, warum es Hloušek in der Pfalz so gut gefällt:

„Kaiserslautern ist eine schöne Stadt. Sie ist von ihrer Größe her ideal und dass sie auch eine verrückte Fußballstadt ist, bekommt man hier auf Schritt und Tritt zu spüren. Zudem haben wir hier unsere tschechische Enklave, so gesehen ist alles perfekt und man kann sich ganz auf den Fußball konzentrieren.“

Im tschechischen Kader für die EM-Qualifikationsspiele gegen Spanien und Liechtenstein stehen neben Hloušek und Morávek noch drei weitere Spieler, die in der Bundesliga kicken: Michal Kadlec aus Leverkusen, Jan Polák aus Wolfsburg und Roman Hubník, der für Hertha BSC spielt. Gewiss, die Berliner spielen in dieser Saison lediglich in der zweiten Bundesliga, einen Wettbewerbsnachteil allerdings sieht Hubník darin nicht:

Jan Polák
„Ich denke, man kann auch in der zweiten Bundesliga sehr gute Spiele wie auch Mannschaften zu sehen bekommen. Und für mich ist auch diese Liga eine gute Vorbereitung auf internationale Aufgaben.“

Am Freitagabend jedoch darf sich Hubník gleich auf die Besten freuen, die der Weltfußball derzeit zu bieten hat: auf Villa, Xavi, Iniesta… Bangemachen aber gilt nicht für den schlacksigen Innenverteidiger, der dennoch einräumt:

„Wenn wir den Spaniern vor unserem Tor auch nur ein paar Zentimeter Platz lassen, dann nutzen sie das aus. Ich habe per Video mehrere Spiele der Spanier angeschaut, bei denen das deutlich zu sehen war. Auch wenn ihre Gegner zumeist sehr massiv im eigenen Strafraum gestanden haben, so konnte sich doch Villa immer wieder gut freilaufen, weil er gerade von Xavi und Iniesta mit tollen Pässen gefüttert wurde. Wenn wir also in der Abwehr auch nur den kleinsten Fehler machen, dann werden die Spanier das sicher nutzen.“

Roman Hubník  (Foto: Archiv von Hertha BSC)
Hubník ist mit 1,92 Meter nicht nur ein ziemlich großgewachsener Spieler, sondern auch sehr kopfballstark. Dank dieser Stärke hat er gerade in jüngster Vergangenheit für die Berliner zwei Tore erzielt. Gegen die kleinen und wendigen Spanier aber befürchtet er, damit nicht viel anfangen zu können:

„Ich glaube, dass ich am Freitag meine Größe kaum zur Geltung bringen kann, denn die Spanier spielen in der Regel flach. Nur bei Standardsituationen kann mir das helfen, vorausgesetzt, dass die Spanier den Ball hoch in den Strafraum schlagen. Ansonsten halten sie den Ball am Boden, das ist ihr Spiel.“

Tschechien reist als krasser Außenseiter zum Spiel nach Granada. Ein Punktgewinn in Form eines Remis wäre also bereits ein Riesenerfolg. Ein Erfolg, für den es sich aber zu kämpfen lohnt, und das nicht nur für die tschechische Nationalmannschaft, sagt Hubník abschließend:

„Wie ich bereits gesagt habe, bei der Hertha haben wir viele Nationalspieler, sowohl aus Kanada, Kolumbien oder Australien. Da interessiert man sich auch etwas mehr für die Länderspielergebnisse der einzelnen Nationalteams. Und jedes gute Ergebnis, das dabei mit einem Hertha-Spieler in den Reihen erzielt wird, das wirft auch ein gutes Licht auf Hertha BSC.“

Man kann also sicher sein, dass das Spiel der Tschechen am Freitag gegen Weltmeister Spanien nicht nur hierzulande sehr genau verfolgt wird, sondern auch von den Fans der Bundesligaclubs, in denen einige sehr gute Kicker aus Tschechien derzeit ihr Geld verdienen.

Autor: Lothar Martin
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