Slavia Prag gewinnt Traditionsderby und stößt Sparta in ein Loch

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Derby. Wenn dieses Wort im Fußball fällt, dann sind die Fans der jeweiligen Mannschaften sofort elektrisiert. Das ist auf der britischen Insel genauso wie in Spanien oder Deutschland. Und in Tschechien. Hier zieht ein traditionsreiches Stadtderby Jahr für Jahr die Fans ganz fest in seinen Bann: Das Duell zwischen Slavia und Sparta Prag. Am Sonntag fand die 286. Auflage dieses Klassikers statt.

Derby 1913
Es ist das Duell der „ewigen Rivalen“ – das Kräftemessen der beiden hauptstädtischen Traditionsvereine Slavia Prag und Sparta Prag. Die Clubs wurden Ende des 19. Jahrhunderts gegründet – Slavia 1892 und Sparta 1893 – und sind damit die beiden ältesten Fußballvereine des Landes. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie auch schon eine Vielzahl von direkten Vergleichen absolviert haben. Bis zum vergangenen Wochenende waren es 285 Partien, die sie gegeneinander bestritten haben. Damit zählt dieses Duell zu den ältesten in Europa überhaupt, auch wenn es den Methusalem, das schottische Derby zwischen Celtic Glasgow und den Glasgow Rangers mit 402 Vergleichen, wohl nie erreichen wird.

Michal Kadlec  (rechts). Foto: ČTK
Bei so vielen Aufeinandertreffen hat das Prager Derby eigentlich schon alles geboten, was man von ihm bekommen kann, könnte man meinen. Doch das 286. Stadtderby stand unter ganz besonderen Vorzeichen. Zum einen haben beide Clubs ihren Kader im letzten Sommer sehr nachhaltig verstärkt. Dabei stechen die Investitionen von Sparta noch ein ganzes Stück hervor. Denn nach der lange avisierten Rückkehr des Nationalverteidigers Michal Kadlec legte der Rekordmeister kurz vor dem Ende der Transferperiode noch einmal kräftig nach. Er holte einen weiteren Kadlec, den Angreifer Václav Kadlec, für die Liga-Rekordsumme von geschätzten 2,7 Millionen Euro an die Moldau zurück. Und er realisierte tatsächlich jenen Transfer, der die Sparta-Fans in helle Begeisterung versetzte: Nach 16 Jahren im Ausland kam auch der Ex-Borusse und Arsenal-Spieler Tomáš Rosický zu seinem Stammverein zurück. Und der 35-Jährige, der aufgrund seiner häufigen Verletzungen in der vergangenen Saison kaum spielte, will es bei Sparta Prag noch einmal wissen:

Rosický: „Ich bin nicht zu Sparta zurückgekommen, um hier nur Fußball zu spielen, sondern ich will gewinnen. Und zwar den Titel.“

„Nach der Enttäuschung bei der Europameisterschaft in Frankreich habe ich auch schon ans Aufhören gedacht. Doch ich brauchte vor allem etwas Abstand, um in Ruhe zu überlegen. Denn für mich geht es nicht darum, ob ich noch Fußball spielen möchte. Das will ich immer, auch wenn ich schon älter bin. Ich musste mich vielmehr hinterfragen: Habe ich noch Bock darauf, alles zu tun, um Spiele zu gewinnen. Von daher bin ich nicht zu Sparta zurückgekommen, um hier nur Fußball zu spielen, sondern ich will gewinnen. Und zwar den Titel.“

Tomáš Rosický  (Foto: Miroslav Bureš,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Und dazu sollte Rosický vor allem im ersten der beiden großen Derbys mit Slavia in dieser Saison beitragen. Zumal sich der Mittelfeldstratege noch ganz genau daran erinnern konnte, gegen wen er sein letztes Spiel für Sparta vor seinem Wechsel ins Ausland bestritten hat:

„Damals haben wir Slavia (3:1) zertrümmert“, sagte Rosický auf der Pressekonferenz zu seiner Begrüßung in Prag.

Das war Ende August, und der grazile Techniker war nach seiner letzten Verletzung noch nicht fit und hatte Trainingsrückstand. Nur anderthalb Wochen später gab Rosický im Heimspiel gegen Mladá Boleslav (2:2) seinen erneuten Einstand, allerdings nur für 20 Minuten als Einwechselspieler. Danach wurde es wieder still um ihn, er war weder im Europa-League-Spiel in Southampton noch bei der Liga-Partie in Zlín im Kader. Von daher wurde vor dem Derby wieder kräftig spekuliert. Sparta-Trainer Zdeněk Ščasný aber erklärte unmissverständlich:

Zdeněk Ščasný  (Foto: ČTK)
„Wir werden nicht darauf spekulieren, ob Tomáš dabei sein wird oder nicht. Dieses Spiel müssen wir auch ohne Tomáš gewinnen, falls er zufällig fehlen sollte.“

Derweil hatte es auf der Gegenseite, beim Kontrahenten Slavia Prag, einen interessanten Trainerwechsel gegeben. Für den glücklosen Dušan Uhrin junior wurde nach dem fünften Spieltag Jaroslav Šilhavý auf den Trainerstuhl gehievt. Der 54-Jährige hat mit Slovan Liberec im Frühjahr 2012 die Meisterschaft gewonnen, aus diesem Grund haben ihn die Slavia-Verantwortlichen vom kleineren Nachbarn Dukla Prag losgeeist. Schon Tage vor dem Derby wurde Šilhavý dabei bewusst, dass er im Sparta-Stadion nun auch gegen seinen einstigen Lehrmeister Zdeněk Ščasný antritt:

Jaroslav Šilhavý  (Foto: ČTK)
„Im Grunde genommen hat er mich als Chefcoach von Viktoria Žižkov in die Geheimnisse des Trainerjobs eingeführt. Ich habe bei ihm Erkenntnisse gesammelt, die ich jetzt nutzen kann.“

Die Vorfreude auf das Derby war Šilhavý dann auch anzumerken:

„Das ist ein großes Spiel für uns alle. Und wenn wir dieses Derby gewinnen sollten, dann wäre das für uns ein Riesenerfolg.“

Doch auch im Lager des Gastgebers herrschte große Vorfreude. Mittelfeldspieler Martin Frýdek:

Šilhavý: „Das ist ein tolles Gefühl. Gleich im ersten Spiel als Cheftrainer von Slavia habe ich das Derby bei Sparta gewonnen. Daran werde ich mich stets erinnern.“

„Wenn wir auf die vergangenen Derbys schauen, kann ich nur sagen: Das ist eine ganz spezielle Atmosphäre, bei der kann alles passieren. Von daher gibt es für mich keinen Favoriten.“

Das Derby wurde am Sonntag um halb vier Uhr nachmittags von Schiedsrichter Radek Příhoda angepfiffen. Die erste Halbzeit war sehr zerfahren, besonders auf Seiten von Sparta. Den Gastgebern gelang so gut wie nichts, deshalb hatten ihre Fans dann auch nur einen einzigen Grund zum Jubeln – in den letzten Sekunden der zweiminütigen Nachspielzeit:

Sparta-Torwart Tomáš Koubek pariert einen von Muris Mešanović getretenen Handelfmeter für Slavia (Anm. d. Autors: Höre dazu die Audio-Version).

Sparta-Fans  (Foto: ČTK)
Die Sparta-Fans hofften nun, dass dies die Initialzündung für eine bessere zweite Halbzeit ihrer Mannschaft sein wird. Dies hoffte auch Tomáš Koubek:

„Ich selbst habe es auch so empfunden, dass dies der Moment hätte sein können, der uns endlich so richtig pusht, um die schwache erste Halbzeit vergessen zu machen. Leider aber hat auch das nicht geholfen.“

Und das auch deshalb nicht, weil die Gäste nach dem Seitenwechsel genau da weitermachten, wo sie vor der Pause aufgehört hatten. Selbst der von Muris Mešanović verschossene Elfmeter konnte sie nicht davon abhalten, bestätigte nach der Partie der „Man of the Match“, Slavias Mittelfeldspieler Antonín Barák:

Antonín Barák  (Foto: ČTK)
„Ich habe das nicht als eine Katastrophe angesehen, sondern daran geglaubt, dass uns dies noch mehr zusammenschweißt. Und auch Muris hat gezeigt, dass ihn dieses Missgeschick nicht aus der Bahn wirft. In der zweiten Halbzeit hat er schließlich unser Führungstor erzielt und sehr gut nach vorn gearbeitet. Zur Pause haben wir uns in der Kabine geschworen, wir müssen den Schock überwinden und hier gewinnen.“

Aber nicht nur Torschütze Mešanović hatte am Ende den Auswärtssieg der Gäste herausgeschossen, sondern auch ein offensiver Mittelfeldspieler: Das 0:2 war ein Kontertor, es erzielte Jaromír Zmrhal (Anm. d. Autors: Höre dazu die Audio-Version).

Foto: ČTK
Slavia Prag hat das Derby am Ende verdient mit 2:0 gewonnen und diesen Erfolg dann auch mit den eigenen Fans gebührend gefeiert. Antonín Barák:

„Ich denke, das war heute unser bestes Spiel in der noch jungen Saison. Wir haben den Ball gut in den eigenen Reihen gehalten und vor allem mit flachen Bällen gut kombiniert. Unsere Leistung kann ich daher nur loben.“

Und auch Trainer Šilhavý hatte allen Grund für ein breites Lächeln:

„Das ist ein tolles Gefühl. Gleich im ersten Spiel als Cheftrainer von Slavia habe ich das Derby bei Sparta gewonnen. Daran werde ich mich stets erinnern.“

Ščasný: „Die Verantwortung liegt bei mir. Deshalb kritisiere ich keinen für das, was auf dem Platz gezeigt wurde. Ich bin der Trainer und daher auch verantwortlich für die Leistungen der Mannschaft.“

Das wird auch sein Widersacher, Sparta-Coach Zdeněk Ščasný, allerdings auf eine völlig gegenteilige Art und Weise:

„Die Verantwortung liegt bei mir. Deshalb kritisiere ich keinen für das, was auf dem Platz gezeigt wurde. Ich bin der Trainer und daher auch verantwortlich für die Leistungen der Mannschaft.“

Diese Verantwortung bekam der 59-Jährige auch schon wenige Stunden später zu spüren: Am Montagmorgen hat ihn die Führungsetage des Vereins von seinen Aufgaben suspendiert. Anstatt also einen Sieg mit Rosický einzufahren, erlitt der stolze AC Sparta eine herbe Schlappe und muss nun auch noch auf Trainersuche gehen. Die soll möglichst bis zum Donnerstag erfolgreich sein, denn dann wartet mit Inter Mailand in der Europa League bereits der nächste Brocken auf den Traditionsverein, der momentan in einem tiefen Loch steckt. Aus dem aber will er schleunigst wieder herauskommen.

Autor: Lothar Martin
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