Darida, Derby und die Rechte der Spieler

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In den vergangenen Tagen machte der tschechische Fußball gleich mehrfach von sich reden. Das Land hat einen neuen Fußballer des Jahres und die Liga erlebte ein packendes Prager Stadtderby. Doch es gibt auch Schattenseiten, besonders wenn es um die Rechte der Lizenzspieler geht.

Petr Čech  (Foto: ČTK)
Mann ist es in Tschechien mittlerweile gewohnt. Bei der Wahl zum besten Fußballer des Jahres wird seit Jahren stets nur ein Name aus dem Siegerkuvert gezogen – der Name von Torwart Petr Čech. Der 35-Jährige spielt seit 2004 in der englischen Premier League und wurde seitdem bereits neun Mal zum besten tschechischen Kicker gewählt. Von 2008 bis 2016 schnappte ihm mit Stürmer David Lafata nur einmal ein Anderer die Trophäe weg. Bei der Gala für die Besten des Jahres 2017 verkündete der Präsident des Tschechischen Fußballverbandes, Martin Malík, am Montagabend im Weinberger Theater in Prag nun diesen Sieger:

„Tschechiens Fußballer des Jahres ist Vladimír Darida.“

Vladimír Darida  (Foto: ČTK)
Der Mittelfeldspieler des Bundesligavereins Hertha BSC spielt seit Sommer 2015 für die Berliner, davor kickte er zwei Jahre für den SC Freiburg. Im vergangenen Jahr lief Darida in 24 Punktspielen im Trikot der Hertha auf und erzielte einen Treffer. Eine im Oktober erlittene Knieverletzung, die operiert werden musste, verhinderte eine noch bessere Statistik. Dafür trumpfte der 27-Jährige umso mehr in der tschechischen Nationalmannschaft auf: In acht Begegnungen schoss er drei Tore, zwei gegen San Marino und eines gegen Deutschland. Auch wenn er den Treffer gegen den amtierenden Weltmeister in der WM-Qualifikation noch gut in Erinnerung habe, so glaube er, auch schon besser gespielt zu haben als im vorigen Jahr. Die Auszeichnung sieht Darida daher als Lohn für seine gesamte bisherige Karriere an:

Vladimír Darida  (Foto: YouTube Kanal der Tschechischen Fußballmannschaft)
„Das ist das Schöne am Fußball, je mehr man für diesen Sport gibt, desto süßer ist der Lohn. Ich betrachte den Titel als Würdigung all meiner Schinderei.“

Dass Vladimír Darida ein engagierter Fußballer ist, der läuferisch stets zu den Besten zählt, hat er in der Bundesliga schon nachhaltig bewiesen. Mit dem Schnitt von etwas über 13 gelaufenen Kilometern war er in der Bundesligasaison 2015/16 der Beste in diesem Bereich. Hertha-Manager Michael Preetz sagte daher über ihn: „Er ist Herz und Lunge unseres Spiels“. Zu dem Ausspruch befragt, welches der beiden Organe er auf dem Spielfeld mehr einsetze, antwortete Darida beim Gala-Abend wie folgt:

„Wenn jemand in die Statistik schaut, wie viele Kilometer ich pro Spiel laufe, könnte man meinen, es ist die Lunge. Doch wie ich finde, spiele ich mein Leben lang von Herzen gern Fußball. Also ist es das Herz.“


Traditionsderby erstmals mit Videobeweis geführt

Sparta Prag - Slavia Prag  (Foto: ČTK)
Herzerwärmend, spannend und voller Höhepunkte – so bot sich dem Betrachter am vergangenen Samstag auch eine Partie des 21. Spieltages in der ersten tschechische Liga dar. Es war ohnehin kein gewöhnliches Spiel, sondern das 289. Derby der beiden Traditionsvereine Sparta Prag und Slavia Prag.

Das Fußballduell zwischen den beiden Hauptstadtclubs ist in Tschechien quasi „die Mutter aller Derbys“. Auch jener Fan, der glaubt, in seinem Leben schon einiges gesehen zu haben, wird bei dieser Paarung stets aufs Neue überrascht. Und die Innovation des jüngsten Derbys war diesmal sogar schon vorprogrammiert, denn die Begegnung im Sparta-Stadion war gleichzeitig das erste Stadtduell, bei dem der Videobeweis zu Rate gezogen wurde. Und Schiedsrichter Pavel Královec machte in gleich vier Situationen von ihm Gebrauch. Alle vier Momente bewertete er unter Zuhilfenahme des Monitors im Stadion dann auch richtig. In zwei Fällen wurde je ein Treffer von Sparta und Slavia wegen Abseits nicht anerkannt. In den beiden anderen Fällen wurden Strafstoß-Situationen neu bewertet. Zunächst wurde ein Foul an einem Sparta-Spieler als Elfmeter gepfiffen, dann aber durch den Videobeweis in einen Freistoß umgewandelt. Schließlich bekam Slavia in der Nachspielzeit noch einen Strafstoß zugesprochen nach einer Situation, die Královec zuvor anders gesehen hatte. Diesen Elfmeter verwandelte Slavia-Stürmer Milan Škoda zum 3:3-Endstand.

Jindřich Trpišovský  (Foto: ČTK)
Die beiden Videoschiedsrichter verfolgten das Spiel – anders als beispielsweise in Deutschland – relativ hautnah: in einem Ü-Wagen direkt am Stadion. Dem Unparteiischen wurde per Funk sofort signalisiert, wann er sich eine Szene ansehen sollte, erklärte der Chefinstrukteur der Videoschiedsrichter, Roman Hrubeš. Die Eingriffe stellten beide Seiten zufrieden. Oder doch nicht? Slavia-Trainer Jindřich Trpišovský:

„Es ist ein sehr komisches Gefühl, wenn man einen Treffer bejubelt, der dann aber keiner mehr ist. Das ist ein psychischer Schlag für die Spieler auf dem Platz. Insgesamt aber ist es gut, wenn der Schiedsrichter solch wichtige Situationen noch einmal unter die Lupe nehmen kann.“

Pavel Hapal  (Foto: ČTK)
Und fast schon beschwörend fügte Trpišovský hinzu:

„Der Videobeweis sollte so schnell wie möglich in allen Stadien eingesetzt werden. Für die Schiedsrichter ist er wirklich eine große Hilfe, denn sie haben es nicht leicht.“

Spartas Coach Pavel Hapal war nicht ganz so zufrieden:

„Ich begrüße den Videobeweis. Doch ich wende ein, dass bestimmte Situationen noch nicht optimal bewertet werden.“

Hapal brachte ein angebliches Handspiel von Slavia-Mittelfeldspieler Miroslav Stoch unmittelbar vor dem ersten Tor der Gäste ins Spiel. Hierzu erklärten die Videoschiedsrichter, er habe den Ball nicht mit der Hand berührt, deshalb gaben sie auch kein Signal an den Referee. Das allgemeine Fazit von Experten und Journalisten aber war: Der Videobeweis war ein Erfolg. Er hat strittige Szenen für die Bewertung aufgelöst und den Spielverlauf so gerechter gemacht. Von daher sei es wünschenswert, dass man diesen Weg weiter beschreitet.


FIFPro: Spieler müssen Verträge haben, Fall Biabiany muss vor Gericht

Jonathan Biabiany  (Foto: YouTube)
Beide Prager Traditionsvereine haben bereits vor der Saison auf sich aufmerksam gemacht, indem sie eine ganze Reihe ausländischer Spieler verpflichtet haben. Besonders Sparta war darin sehr aktiv, wenn auch nur mit spärlichem Erfolg. Die Prager, die in der Qualifikation zur Europa League und im nationalen Pokal früh scheiterten, gaben daraufhin mehrere ausländische Spieler in der Winterpause wieder ab und lockten andere dafür in die Moldaustadt. Einer blieb jedoch im Paragrafen-Gestrüpp hängen: der französische Mittelfeldspieler Jonathan Biabiany. Ihn sortierten die Hauptstädter aus, ohne ihn aber zu verkaufen oder auszuleihen. Biabiany muss seitdem allein trainieren, ohne Chance auf einen weiteren Einsatz im Sparta-Team. Darin sieht nicht nur der Spieler, sondern auch der Internationale Verband der Fußballspieler (FIFPro) eine Schikane, die man beenden müsse. Notfalls vor Gericht.

Zwei holländische Vertreter von FIFPro waren in der vergangenen Woche in Prag zu Gast. Vor Journalisten kritisierten sie weitere Missstände im Umgang des tschechischen Profifußballs mit seinen Lizenzspielern. Dazu gehört etwa, dass 93 Prozent der Spieler hierzulande keinen ordentlichen Arbeitsvertrag mit ihren Vereinen haben, sondern auf der Basis eines Gewerbescheins im jeweiligen Club spielen. Laut europäischem Recht aber ist ein Fußballer wie ein Arbeitnehmer einzustufen und nicht wie ein Künstler, moniert FIFPro. Der internationalen Spielervertretung missfällt zudem, dass 33 Prozent der tschechischen Spieler ihr Gehalt mit Verspätung bekommen, 31 Prozent sich über unzureichende gesundheitliche Betreuung beschweren und zehn Prozent darüber klagen, während ihrer Karriere bereits mit Bestechungsversuchen konfrontiert worden zu sein.

Theo van Seggelen  (Foto: YouTube Kanal von FIFPro)
Die Missstände im tschechischen Profifußball bestätigte der Generalsekretär von FIFPro, Theo van Seggelen, im Interview gegenüber Radio Prag.

„Wir müssen die Spieler-Rechte nicht nur in Europa schützen, sondern in der ganzen Welt. Die Fußball-Regeln sind überall dieselben. Daher ist es wichtig, dass auch die Rechte der Spieler dieselben sind. Das Problem in Tschechien aber ist, dass viele Spieler hier keinen Arbeitsvertrag haben. Das ist für uns nicht länger hinnehmbar. Nicht normal ist des Weiteren, dass wir in Tschechien noch keine Sportgerichtsbarkeit haben. Auch das können wir nicht länger dulden. Das ganze Problem liegt darin, dass die Vereine, die Spieler und auch der nationale Fußballverband in diesen Dingen noch nicht eng zusammenarbeiten. Sie müssten dies aber, damit sich etwas ändert. Die internationalen Fußballverbände wie die Fifa und die Uefa sowie wir als Fifpro arbeiten eng zusammen. Für uns ist es wichtig, dass wir auch in Tschechien die Zukunft des Profifußballs schützen. Die einzige Möglichkeit dazu aber ist, die Regeln zu ändern.“

Foto: stevendepolo via Foter.com / CC BY
Sie haben auf der Pressekonferenz gesagt, dass in Tschechien viele Spieler nur auf der Basis eines Gewerbescheins bei den Vereinen spielen. Das bedeutet unter anderem, dass sie selbst für ihre Sozialversicherung aufkommen. Verstößt man damit in Tschechien gegen europäisches Recht? Und wird dies eventuell auch Konsequenzen haben?

„Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass ein Mitglied der Europäischen Union auch im Fußball den internationalen Regeln folgen muss – erst recht nach dem Bosman-Urteil. Doch auch die Richtlinien der EU sind klar: Ein Spieler ist ein Arbeitnehmer wie alle anderen auch. Von daher gibt es keine Diskussion darüber, dass ein Spieler nicht dieselben Rechte haben kann.“

Bei Sparta Prag gibt es derzeit den unrühmlichen Fall des Spielers Biabiany. Er hat mit den Pragern einen gültigen Vertrag, ist aber von seinem Recht, am Fußballbetrieb des Vereins teilzunehmen, quasi ausgesperrt worden. Denn Biabiany muss allein oder aber mit den Junioren trainieren. Wird solch ein Fall eventuell schlechte Auswirkungen haben, vielleicht indem ausländische Spieler nicht mehr so gerne in Tschechien spielen wollen?

„Natürlich ist dem so. Wenn ein Spieler den Vertrag mit einem Verein unterzeichnet, dann hat er zwar nicht die Garantie zu spielen, andererseits aber das Recht, am Training der Mannschaft teilzunehmen. Und zudem ist es ganz wichtig, dass ein Verein die Spieler auch vertragsgemäß bezahlt. Nicht normal ist jedoch, dass ein Verein meint, ein Spieler sei nicht gut genug und ihn deshalb allein trainieren lässt. Das kann keiner verstehen, weder die internationalen Verbände noch die Fans oder die Spieler selbst. Deswegen sagen wir alle zusammen: Das ist nicht länger möglich. Ich persönlich bin mir sicher, dass dies nicht gut ist für unseren Fußball.“

Autor: Lothar Martin
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