Minderheiten in der Tschechischen Republik (6)

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Guten Tag und herzlich willkommen beim "Forum Gesellschaft". Am Mikrofon begrüßen Sie Gerald Schubert und Silja Schultheis. In den vergangenen vier Ausgaben haben wir Ihnen einige der in Tschechien lebenden nationalen Minderheiten vorgestellt. Und wir hoffen natürlich, dass Sie sich mit unserer Hilfe ein Bild über die Situation der unterschiedlichen ethnischen Gruppen in diesem Land machen konnten. In unserer heutigen Sendung wollen wir Ihnen einen Einblick bieten, was die tschechische Regierung für die nationalen Minderheiten in ihrem Land tut. Vorbereitet hat diese Ausgabe von "Forum Gesellschaft" für Sie Katrin Sliva.

In den letzten Ausgaben des "Forums Gesellschaft" ist bereits an mehreren Stellen angeklungen, dass die nationalen Minderheiten in Tschechien finanzielle Mittel von der Regierung zur Verfügung gestellt bekommen. Dank dieses Geldes können beispielsweise Zeitungen in der Landessprache der jeweiligen Minderheit erscheinen. Die "Prager Volkszeitung" und die "Landeszeitung" sind zwei von Ihnen, aber auch die anderen Minderheiten können dank der finanziellen Hilfe auf diese Weise ihre Kultur pflegen. Die Höhe der finanziellen Zuschüsse richtet sich danach, wie "groß" die Minderheit zahlenmäßig ist.

Kontakt zu den Minderheiten unterhält die tschechische Regierung mit Hilfe des sogenannten "Rates für nationale Minderheiten", der sich aus Vertretern der einzelnen Minderheiten zusammensetzt und ihnen ein Forum bietet. Von den Vertretern der Minderheiten, die wir für unsere Sendereihe zu Rate gezogen haben, wurden diese Maßnahmen als positiv gewertet. Allerdings sind kulturelle Projekte, Zeitungen oder Sprachkurse allein nicht ausreichend: Sie unterstützen die Vertreter selbst und helfen ihre Traditionen nicht zu "vergessen". Bleibt aber das Problem, das nicht selten im interkulturellen Zusammenleben mit der Mehrheitsgesellschaft entsteht, die aus Unkenntnis, Befangenheit oder gar Angst vor den Fremden ablehnen, verurteilen oder diskriminieren. Inwiefern die tschechische Regierung in diesem Bereich aktiv ist, schauen wir uns gleich etwas genauer an.

Bereits zum dritten Mal konnte im vergangenen Jahr die "Kampagne gegen Rassismus" realisiert werden, deren vornehmlichstes Ziel darin besteht, die Bevölkerung Tschechiens durch Aufklärung zu mehr Toleranz gegenüber Fremden zu erziehen. Diese Kampagne wird von der tschechischen Regierung finanziert. Welche Teilprogramme sie umfasst, sagte uns Jan Jarab, Regierungsbeauftragter für nationale Minderheiten.

"Wir haben im vergangenen Jahr vier kleinere Projekte gemacht und haben auf eine große Kampagne für die ganze Bevölkerung verzichtet. Wir haben uns auf vier Gruppen konzentriert, und zwar auf die jungen Leute aus den Subkulturen, für die haben wir ein Musikfestival namens "Music beats local Nazi" gemacht und ich muss hier sagen, dass es eine Idee mit deutschen Inspirationen war: Eine Gruppe aus Berlin hat uns auf diese Idee gebracht. Dann haben wir ein Projekt gemacht für die Bibliotheken, die man mit Literatur über nationale Minderheiten und fremde Kulturen versorgt hat. Dann haben wir uns auf die Entwicklung der Sozialarbeit für Roma konzentriert, und zwar auf die Methoden, diese Sozialarbeit zu propagieren und der letzte Teil unseres Toleranzprojektes war die "Gemeinsame Fahrt": Das war eine Fahrt von jungen Tschechen, Roma, Studenten aus Afrika und Asien, aber auch Flüchtlingen, die in Schulen interaktive Spiele mit den Schülern spielten. Es war ein Versuch, diese jungen Leute in Schulen mit anderen Mitteln zu überzeugen."

Und Jan Vavra von der "Spolecnost tolerance", Gesellschaft für Toleranz, auf deren "Konto" die erwähnte "Gemeinsame Fahrt" geht, und zwar bereits im vierten Jahrgang, fügt hinzu:

"Es handelt sich um ein Aufklärungsprojekt, das Schüler im Alter von 15 bis 19 Jahren erreichen soll und in dessen Rahmen wir geschulte multiethnische Teams in tschechische Schulen schicken. Diese Vierergruppen bestehen aus je einem Tschechen, einem Roma, einem Einwanderer aus Afrika und neuerdings auch aus einem Flüchtling. Sie diskutieren mit den Schülern und spielen mit ihnen verschiedene psycho-soziale Spiele. Die "Gemeinsame Fahrt" dauert 90 Minuten und soll dabei helfen, Vorurteile abzubauen. In den vier Monaten seit September 2002 wurden etwa 60 Schulen besucht und die Zahl der Schüler, die mit diesen Besuchen erreicht wurde, bewegt sich bei 3000."

Alle Projekte, angefangen beim Auftakt, dem Musik-Happening mit dem Titel "Be kind to your local Nazi" über das Roma-Projekt bis hin zu den Bibliotheken werden zwar von der tschechischen Regierung finanziert - im Jahr 2002 mit 6 Mio. Kronen (rund 200.000 Euro), in diesem Jahr mit 4 Mio. Kronen - die Ausführung übernehmen aber nicht-staatliche Organisationen, die sich auf bestimmte Teilbereiche "spezialisieren". Eine von ihnen ist das "Multikulturelle Zentrum" in Prag, das nicht nur für das Bibliotheken-Teilprojekt zuständig war, sondern sich auch sonst engagiert für die Belange von in Tschechien lebenden Ausländern im weitesten Sinne einsetzt. Jüngstes Zeugnis dieser Bemühungen um "Aufklärung" über die nationalen Minderheiten und andere Kulturen im Allgemeinen, ist eine Studie über "Nationale Minderheiten in den Medien", die das Zentrum kürzlich präsentierte. Hauptergebnis dieser Studie war, dass Leser oder Zuschauer überwiegend dann etwas über Angehörige anderer Kulturen erfahren, wenn diese sich strafbar gemacht haben oder auf andere Weise negativ aufgefallen sind. Und, so hieß es auf der Pressekonferenz, sei die Berichterstattung über nationale Minderheiten oftmals sehr einseitig. Der Aufruf an die Pressevertreter lautete folglich: Berichtet doch endlich einmal über diese Menschen selbst und über ihre Kultur. Klärt die Bevölkerung darüber auf, was diese Menschen ausmacht, statt immer nur zu berichten, dass wieder ein Ausländer einen Stift geklaut hat!

So, liebe Hörerinnen und Hörer, mit diesem Aufruf schließen wir sowohl unsere heutige Sendung als auch unsere Mini-Serie über nationale Minderheiten in der Tschechischen Republik. Und die positive Mitteilung zum Schluss: Die Kampagne gegen Rassismus wird auch in diesem Jahr fortgesetzt. Für heute bedanken sich für Ihre Aufmerksamkeit Gerald Schubert und Silja Schultheis.