Minibrauereien-Chef Šuráň: Staatliche Hilfe war langsam und unwirksam
Seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie in Tschechien ist nahezu ein halbes Jahr vergangenen. Die Wirtschaft klagt über erhebliche Einbrüche aufgrund der Antivirus-Maßnahmen der Regierung. Davon betroffen ist auch das Brauerei- und Gaststättenwesen im Land. Wie stark und im Detail genau, darüber hat Radio Prag International mit dem Vorsitzenden des Verbandes der böhmisch-mährischen Minibrauereien, Jan Šuráň, gesprochen.
Herr Šuráň, es heißt: In einer Krise trifft es die Kleinen immer am härtesten. Im Wirtschaftszweig der Bierproduktion sind sie als Minibrauereien die Kleinsten. Wie stark ist Ihr Sektor von der Krise betroffen?
„Insgesamt stehen wir gar nicht so schlecht dar, unsere Verluste in der Produktion bewegen sich um die 30 Prozent. Die Minibrauereien fanden hingegen recht schnell andere Verkaufskanäle, die die Ausfälle kompensieren. Deshalb kann man nicht davon sprechen, dass uns die Krise hart erwischt hat. Ich bin der Meinung, dass es am meisten die mittleren Brauereien mit einem Bierausstoß von jährlich 80.000 bis 100.000 Hektoliter getroffen hat. Sie sind in den Mühlstein zwischen uns und den Großbrauereien geraten. Bei den Minibrauereien aber gibt es große Unterschiede, was von ihrer Lage und ihrem Absatz abhängt. Die Minibrauereien auf dem Land, in kleinen Städten oder am Stadtrand der Großstädte haben kaum etwas von der Corona-Krise gespürt. Die Brauereien im Zentrum der Großstädte aber, die sehr abhängig von den Touristen sind, haben es zu spüren bekommen. Einige haben ihre Produktion vorübergehend eingestellt und wollen erst im April nächsten Jahres weitermachen, andere haben ihre Produktion auf 10 bis 15 Prozent gedrosselt.“
Jan Šuráň: „Insgesamt stehen wir gar nicht so schlecht dar, unsere Verluste in der Produktion bewegen sich um die 30 Prozent. Die Minibrauereien fanden hingegen recht schnell andere Verkaufskanäle, die die Ausfälle kompensieren. Deshalb kann man nicht davon sprechen, dass uns die Krise hart erwischt hat.“
Vor Beginn der Pandemie war aus Ihrem Lager zu hören, dass sie sehr optimistisch sind, was die weitere Entwicklung der Minibrauereien anbelangt. Was hat sich seitdem geändert? Und was sind die größten Probleme?
„Im Frühjahr haben wir gedacht, dass die Corona-bedingte Betriebspause einen Monat dauern wird, am Ende waren es fast drei Monate. Danach aber fanden viele Minibrauereien andere Verkaufskanäle wie E-Shops oder verschiedene Versanddienste. Sie verlassen sich also nicht mehr nur auf das eigene Restaurant, und so gesehen war die Krise für sie auch nutzbringend. Diejenigen aber, die weiter nur auf ihr Gasthaus setzten, bekamen Probleme. Denn ihre Gewinne gingen nach unten, die Kosten aber stiegen. Es mussten folglich Beschäftigte entlassen werden, denn der Staat half nur sehr langsam und völlig unkoordiniert. Der Staat ging so vor: Zunächst kassierte er von den Unternehmern alle Steuern und Versicherungsleistungen, die stets zu zahlen sind. Erst danach bot er einige Programme an, anhand derer wir wieder nach Geld verlangen konnten. Für Prag gab es diese Möglichkeit indes gar nicht. Wäre das Geld dort geblieben, wo es generiert wird, wäre uns mehr geholfen gewesen. So aber kassierte der Staat zuerst alles, um dann wieder einen Teil davon zurückzugeben.“
Weshalb wurde Prag nicht berücksichtigt?
„Prag gilt als eine reiche Region. Das bedeutet, wenn die Regierung das Geld zu den verschiedenen Covid-Programmen aus europäischen Fonds bezogen hat, dann hat Prag dazu kein Anrecht. Denn in der EU werden die reichen Regionen nicht gefördert. Die Programme Covid I, II und III gingen also an Prag vorbei. Aus dem Covid-IV-Programm, in dem Mietzuzahlungen gewährt wurden, gab es Geld, doch dieser Zuschuss war nur von kurzer Dauer. Alle weiteren Zuwendungen sind de facto normale Bankkredite. Wer aber heute einen Bankkredit aufnimmt, ohne zu wissen, was in einem halben Jahr sein wird, das ist Selbstmord.“
Im April, also jenem Monat, als Sie noch glaubten, dass die Krise bald vorüber sei oder aber der Staat schneller helfen würde, haben Sie gegenüber Medien unter anderem gesagt: „Ich denke, dass nach der Krise bis zu 40 Prozent der Minibrauereien einen neuen Besitzer haben werden“. Ist es so gekommen?
„Der Wechsel bei den Besitzern ist schon im Gange. Auf die alten Eigner kommen Firmen oder Leute zu, die Geld haben, und bieten ihre Hilfe an. Dafür fordern sie aber mindestens 50 bis 60 Prozent des Besitzanteils ein, um die Brauerei de facto zu übernehmen. Und ich bleibe dabei, dass es bei 30 bis 40 Prozent der Firmen so laufen wird. Die Brauereien selbst werden nicht geschlossen, denn für Tschechen ist das ein interessantes Business. Denn wenn man hierzulande sagen kann, dass man Besitzer einer Brauerei ist, dann hat das einen hohen Stellenwert. Von daher werden die Minibrauereien nicht verschwinden, sondern stets nur den Besitzer wechseln.“
Šuráň: „Der Wechsel bei den Besitzern ist schon im Gange. Auf die alten Eigner kommen Firmen oder Leute zu, die Geld haben, und bieten ihre Hilfe an. Dafür fordern sie aber mindestens 50 bis 60 Prozent des Besitzanteils ein, um die Brauerei de facto zu übernehmen.“
Andererseits sagten Sie bereits, dass diejenigen in größere Schwierigkeiten geraten, die eine Gaststätte zu bewirtschaften haben. Warum und wie zeigt sich das?
„Ganz einfach: Das Bier selbst lässt sich verkaufen, über einen E-Shop, durch ein Ausgabefenster und auf andere Weise. Hat man aber ein Restaurant, in das jetzt kaum noch Gäste kommen, sie aber fünf, sechs Kellner, drei Köche und eine Reinigungskraft haben, dann hat man ein Problem. Das Personal muss weiter bezahlt werden, auch wenn es keine Arbeit hat. Einige haben das Problem mit einer sofortigen Entlassung gelöst. Nach den Erfahrungen mit der staatlichen Hilfe kann man sagen: Sie haben genau das Richtige getan. Denn die staatliche Unterstützung ersetzt einem nicht annähernd die Personalkosten. Und derzeit wird das Problem noch offenkundiger, besonders in den Großstädten. In den mittlerweile wieder geöffneten Gaststätten im Zentrum Prags zum Beispiel liegt der Umsatz bei 20 Prozent. Das reicht einem aber in keiner Weise, um Miete, Energie und Löhne zu bezahlen. Man zahlt ständig drauf, doch eine echte Hilfe vom Staat gibt es nicht.“
Ich möchte noch einmal auf die bereits erwähnten staatlichen Hilfsprogramme Covid I bis IV, Antivirus und andere zu sprechen kommen. Vom Besitzer des Prager Bierklubs, der unter dem zunehmenden Finanzdruck bereits aufgegeben hat und sein Lokal verkaufen wird, habe ich folgendes erfahren: Die Restaurantbesitzer müssen zum Beispiel mit den Lohnzahlungen stets in Vorleistung gehen, doch bevor sie Geld aus dem sogenannten Kurzarbeitsprogramm erhalten, müssen sie die Mühlen der Bürokratie durchlaufen, und es vergehen zwei, drei Monate, bevor sie eventuell etwas vom Staat ausgezahlt bekommen. Die Besitzer tragen also ein hohes Risiko ohne das Ende des Tunnels erblicken zu können…
„Genauso ist es. Zudem kam es zu dieser Lage im allerungünstigsten Augenblick. Weshalb? In der Zeit bis Weihnachten macht jedes Restaurant in der Regel hohe Einnahmen. Von Mitte Januar bis Mitte März, das sind zwei tote Monate. Dort gibt man im Grunde genommen die vorherigen Gewinne nur für Löhne und andere Kosten aus. Ab Mitte März bis Mitte Juni wiederum, das sind die besten Monate. Dort nimmt man die überschüssigen Gelder für die Kosten in der Ferienzeit ein. Das heißt, die Mehrzahl der Restaurants stand Mitte März bei einem Saldo von plus-minus null. Sie hatten also keine Reserven. Und in dem Moment, wo das große Geschäft winkte, platzte die Coronavirus-Pandemie herein. Ein totaler Einnahmeausfall war die Folge. Der Staat aber versicherte: Wenn ihr eure Arbeitnehmer zu 100 Prozent haltet, dann zahlen wir euch 80 Prozent der Lohnkosten. Das hat der Staat Ende März versprochen. Darauf haben wir uns verlassen, doch das erste Geld aus dem Kurzarbeitsprogramm haben wir gegen Ende Juni erhalten. Drei Monate lang also mussten die Besitzer in Vorkasse treten, und wenn sie es nicht taten, dann zahlte ihnen der Staat das Kurzarbeitergeld nicht aus. Das war eine dramatische Zeit, als das Geld dann aber kam, war es eine gute Hilfe. Dann kam jedoch der nächste Schock. Der Staat erlaubte den Gasthöfen nun, dass sie wieder Bier und Essen über ein Ausgabefenster verkaufen können. Als wir aber mit dieser Verkaufsform begonnen haben, ist uns das Kurzarbeitergeld gestrichen worden. Denn der Staat argumentierte nun, ihr verkauft wieder, die Beschäftigten kommen erneut zur Arbeit, also was wollt ihr denn? Die Umsätze bewegten sich aber erst bei drei bis vier Prozent, davon kann man überhaupt nichts bezahlen. Aus diesem Grunde bot der Staat an, er erlasse uns für eine gewisse Zeit die Abgaben für die Sozial- und Krankenversicherung. Dies aber galt nur für die Firmen, die zum Bezugsdatum Ende Februar noch auf mindestens 90 Prozent ihrer Arbeitnehmer verweisen konnten. Viele Mitarbeiter aber hatten mittlerweile ihren Arbeitgeber verlassen, denn gerade in diesem Zweig ist die Fluktuation sehr groß. Also wurden uns wieder keine Abgaben erlassen. Von daher resümiere ich: Die Hilfe des Staates war unkoordiniert, langsam und unwirksam.“
Šuráň: „Ich resümiere: Die Hilfe des Staates war unkoordiniert, langsam und unwirksam.“
Wenn man dies so hört, dann kann die Meinung über die Regierung und ihre Maßnahmen keine gute sein. Wie ist folglich die Stimmung in Ihrer Branche?
„Die Unternehmer sind enttäuscht und zum Teil auch angeekelt. Für viele hat der Staat als Helfer versagt. Man rechnet inzwischen auch nicht mehr mit einer gefälligen Geste des Staates. Denn schöne Worte haben wir von ihm schon zuhauf gehört. Diesen Versprechen folgte stets ein ganzer Apparat von Komplikationen und Widrigkeiten, so dass wir die angebotene Hilfe gar nicht wahrnehmen konnten. Als Beispiel möchte ich nur die Programme Covid I und II erwähnen. Sie waren mit der Bedingung verknüpft, dass man einer Bank einen Wechsel ausstellt. Allerdings einen Wechsel, der nicht einmal den Betrag des Geldes enthielt, das man leihen wollte. Ich verstehe das so, wenn ich mir fünf Millionen Kronen borgen will, dann unterschreibe ich auch einen Wechsel für fünf Millionen. Aber einen Wechsel ohne eine Summe unterschreiben, was soll das? So oder ähnlich endeten also die sogenannten Hilfeleistungen. Unter den Vertretern unserer Branche, zu denen ich Restaurant- wie auch Hotelbesitzer zähle, herrscht also eine überaus große Bitternis und Enttäuschung.“
Ziehen wir abschließend ein kleines Fazit: Sie sagten, bezüglich der Minibrauereien sieht es nicht ganz so schlecht aus. Wie sehen Sie folglich deren Entwicklung für die nächsten Jahre?
„Es wird ein Einbruch bei den Minibrauereien geben, vor allem in der Struktur, doch wir werden ihn insgesamt überleben. Natürlich werden einige Brauereien aufgeben, doch auf der anderen Seite werden auch neue entstehen. Und in der Regel ist es so, dass mehr neue gegründet als das andere aufgelöst werden. Die Entwicklung wird also weitergehen, auch was das Konsumverhalten der Kunden betrifft. In der Gastronomie gab es schon vorher Trends hin zu einem größeren Angebot an Schnellimbissen und Essenslieferungen. Immer mehr Leute verzichten bereits auf einen häufigeren Restaurantbesuch, und dieser Trend setzt sich fort. Die Gäste gehen also nicht mehr wie üblich ziemlich häufig zum Mittagsessen in ein Lokal, sondern jetzt kommen sie oft nur noch zu bestimmten Anlässen und nach der Arbeit in ein Restaurant. Dies wird so bleiben, denn immer nur zu Hause sitzen bei Pizza und Flaschenbier, das will niemand. Man braucht die Gesellschaft, seine Freunde, also trifft man sich abends in einem Lokal. Die Versorgung mit einer warmen Mittagsmahlzeit aber geht immer mehr über zu den Schnellimbissen und dem Essens-Lieferdienst.“