Ministerpräsident Tillich in Prag: „Sachsen wird gemeinsam mit Tschechien und Polen bei der EU um Hochwasserhilfe ansuchen.“

Stanislaw Tillich (Foto: ČTK)

Im Gegensatz zu ihren bayerischen Amtskollegen sind Sachsens Ministerpräsidenten seit 20 Jahren regelmäßig in Tschechien zu Gast. Am Dienstag setzte Stanislaw Tillich diese Tradition fort und absolvierte seinen Antrittsbesuch bei der neuen Regierung Nečas. Ein wichtiges aktuelles Anliegen der beiden Nachbarländer ist der Wiederaufbau der Anfang August von schweren Überschwemmungen heimgesuchten Gebiete. Gemeinsam mit Polen wollen die beiden Länder nun bei der EU um Hilfsgelder ansuchen.

Petr Nečas und Stanislaw Tillich  (Foto: ČTK)
Der Besuch von Stanislaw Tillich (CDU) bei Premier Petr Nečas (ODS) verlief in betont herzlicher Atmosphäre. Dazu trugen nicht zuletzt die Tschechischkenntnisse des sächsischen Ministerpräsidenten bei. Ohne Dolmetscher tauschten sich einige persönliche Worte einfach viel ungezwungener aus, so Tillich nach dem Treffen. Ausführlich erörtert haben die beiden Regierungschefs den Wiederaufbau der Anfang August vom Hochwasser schwer getroffenen Gebiete in Sachsen, Niederschlesien und Nordböhmen:

„Ich als ehemaliger Europaabgeordneter weiß, dass man in Brüssel zwar vom Europa ohne Grenzen spricht. Aber so was hat’s auch noch nicht gegeben, dass es drei Länder betrifft und nun gelten alle Vorschriften urplötzlich nichts mehr, denn die betreffen nur die Nationalstaaten: Wann hilft die EU? Wenn der Schaden einen gewissen Prozentsatz des nationalen Bruttosozialproduktes überschritten hat. Jeder für sich erreicht dieses Ziel nicht. Aber wir zu dritt wohl. Und jetzt muss sich Europa einmal bekennen, und sagen, wir sind tatsächlich das ‚Europa der Regionen’. Und dieses Dreiländereck ist unbestritten eine Region, die zusammengehört.“

Hochwasser hat in Tschechien Schäden in der Höhe von rund 400 Millionen Euro angerichtet  (Foto: www.army.cz)
Das Hochwasser hat in Tschechien nach neuesten Schätzungen Schäden in der Höhe von rund 10 Milliarden Kronen (400 Millionen Euro) angerichtet. Um alleine Anspruch auf EU-Hilfe zu haben, müsste die Summe aber mindestens doppelt so hoch sein. Tschechiens Premierminister Petr Nečas begrüßt daher das gemeinsame Vorgehen mit Sachsen und Polen:

„Ja, das ist für Europa ein Präzedenzfall. Aber dieses Limit für die Hilfsgelder wurde auf relativ kleinem Raum überschritten. Und nur die durch die Geschichte gezogenen Striche auf der Landkarte haben dieses Gebiet auf drei verschiedene Staaten aufgeteilt. Wir sind bereit, mit der Europäischen Kommission darüber zu verhandeln.“

Stanislaw Tillich  (Foto: ČTK)
Ministerpräsident Tillich ergänzte, mit Bundeskanzlerin Merkel sei bereits alles abgestimmt. Mit der polnischen Regierung werde man in Kürze zu Verhandlungen zusammenkommen.

Kritik äußerte Premier Nečas an den nach wie vor intensiven Grenzkontrollen in Deutschland, betonte aber, die allermeisten Beschwerden tschechischer Reisender würden Bayern und nicht Sachsen betreffen.

„In der Vergangenheit hat es auch solche Beschwerden über die sächsische Polizei gegeben. Wir haben deswegen unsere Polizei gebeten, da mit Augenmaß zu reagieren“, so Ministerpräsident Tillich, der die gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei betonte. Angesichts der zuletzt angestiegenen Diebstahlsrate im Grenzgebiet warb Tillich in Prag gleichzeitig um Verständnis für das Sicherheitsgefühl der sächsischen Bürger.

Weitere Themen beim Antrittsbesuch des sächsischen Ministerpräsidenten in Prag waren der Ausbau der grenzüberschreitenden Verkehrsinfrastruktur, Fragen der Energiepolitik und die bevorstehende Wiedereröffnung des Lausitzer Seminars als Vertretung Sachsens in Prag.


Mehr über den Besuch von Stanislaw Tillich in Prag erfahren Sie am kommenden Montag in unserer Sendereihe „Schauplatz“.