Mit dem Dampfer die Moldau entlang: 150 Jahre Schifffahrt in Prag
Jedes Reisebüro hat sie im Programm: eine Dampferfahrt auf der Moldau durch das Zentrum von Prag. An Bord der historischen Schiffe eröffnet sich Touristen und Einheimischen eine besonders gute Perspektive auf die tschechische Hauptstadt. In diesem Jahr gibt es für die Bootstour einen speziellen Anlass: die Prager Schifffahrt feiert ihr 150. Jubiläum. Im Folgenden eine Zeitreise in die Geschichte.
Die Gesellschafter waren tschechische Unternehmer und nationale Aktivisten, die sich als „Freunde des Fortschritts“ bezeichneten. Etwa 45 Personen waren es, die Geld für das Schiff und andere notwendige Dinge zusammenlegten. Alle Mitglieder der Firmenleitung arbeiteten in den ersten Jahren ehrenamtlich.
Unternehmer Dittrich dominiert die Schifffahrt
Der Hauptinitiator und Direktor der Firma hieß František Dittrich, damals der stellvertretende Oberbürgermeister und später sogar Oberbürgermeister von Prag. Der Sohn eines Flößers, der mit Holz handelte und ein bekanntes Gasthaus nahe der Umladestelle am Moldauufer betrieb, war damals in Prag eine hochgeschätzte Persönlichkeit.„František Dittrich war der Inbegriff eines anständigen Unternehmers mit ausgezeichnetem Ruf. Die Prager schätzten ihn besonders wegen dreier Verdienste: Der erste war sein Einsatz bei den Hochwasserkatastrophen. Sowohl 1845 als auch 1862 nutzte er als guter Schwimmer seine Erfahrungen und rettete vielen Menschen das Vermögen und das Leben. Bei der zweiten Überschwemmung fuhr er mit seinem Sohn die betroffenen Häuser ab und brachte die Bewohner in Sicherheit. Seine zweite Aktivität war die Armenpflege. Dittrich setzte sich für die Gründung mehrerer Armenheime und für die dauerhafte Finanzierung dieser Einrichtungen ein. Die dritte Sache war dann die Gründung der Schifffahrtsgesellschaft. Sein Name galt als Garantie, dass es sich um einen gemeinnützigen Betrieb handeln würde. Alle vertrauten ihm, daher gaben sie ihm auch Geld“, so Pažourek.
Mit der Familie des Unternehmers war die Prager Schifffahrt jahrzehntelang verbunden. Nachdem František Dittrich 1875 gestorben worden war, rückte sein Sohn, einer der ersten Kapitäne der Prager Dampfer, an seine Stelle. In der Firmenleitung war auch ein Bruder von František Dittrich vertreten. Als in den 1890er Jahren über die Erweiterung der Flottille entschieden wurde, erhielt einer der neuen Dampfer den Namen Primátor Dittrich (Oberbürgermeister Dittrich). Dieses Wasserfahrzeug war dann bis 1951 täglich im Einsatz, ab dem Zweiten Weltkrieg jedoch unter der Bezeichnung Vyšehrad. Der Name des engagierten Stadtoberhauptes und Unternehmers gefiel weder den Nazis noch den Kommunisten. Was die Sicherheit der Prager Schifffahrt anbelangt, erwies sie sich während ihrer langen Geschichte als das beste Verkehrsmittel überhaupt. Vlastimil Pažourek erinnert an den einzigen ernsthaften Unfall, der sich auf der Moldau zutrug:„Das schwerste Unglück war 1898 die Explosion des Kessels auf dem Dampfer Franz Josef I., dabei kamen zwei Menschen ums Leben. Nach der Bergung des Schiffes wurde als Ursache ein Konstruktionsfehler festgestellt. Die Firma tauschte daher alle Kessel dieser Art bei ihren Dampfern aus. Auch das havarierte Wasserfahrzeug wurde repariert und beendete seinen Einsatz als einer der ältesten Dampfer erst in den 1960er Jahren.“
Händler, Schmuggler und Flüchtlinge
Die Prager Schifffahrt erlebte während ihrer Geschichte mehrere Hochphasen. Die erste war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Schiffsverkehr fast konkurrenzlos war. Von Prag in Richtung Norden entstand zwar 1850 entlang der Moldau eine Eisenbahnlinie. Für einfache Menschen waren die Fahrkarten aber zu teuer. Die Dampfer dienten also dem täglichen Personenverkehr. Zugleich nahmen die Passagiere auch Waren mit an Bord: Sie transportierten vor allem Gemüse und kleine Nutztiere transportierten auf den Markt in die Hauptstadt. Zu dieser Zeit war der Betrieb auch wirtschaftlich erfolgreich. Die Zahl der Fahrgäste erreichte nach dem Ersten Weltkrieg seinen Höhepunkt, im Jahre 1922 waren es mehr als zwei Millionen Menschen. Der Erlös lag nun jedoch nur noch wenig über Null. Der Grund: Die Eisenbahn hatte ihre Preise reduziert, so dass sich immer mehr Menschen die Fahrt leisten konnten. Noch dazu konnten die Schiffe nicht mit dem Tempo der Züge mithalten. Für Abhilfe sorgte aber bald ein neues Phänomen: die Ausflugsfahrten. Ganze Menschenmassen schipperten von Frühling bis Herbst jeden Sonntag in den Süden von Prag, wo sich die Moldau durch ein herrliches Tal schlängelt. In den 1930er Jahren kamen auch immer mehr ausländische Touristen nach Prag. Sie genossen vor allem die Fahrten in der Innenstadt unter den Prager Brücken hindurch. Daher bestellte die Schifffahrtsgesellschaft zu dieser Zeit vier neue luxuriöse Raddampfer. Vlastimil Pažourek:„Diese Raddampfer waren einzigartig, es handelte sich um echte Salonschiffe. Es waren zwei größere und zwei kleinere, jedes von ihnen aber mit einer Kapazität von 400 Passagieren. Sie sollten mit einer gehobenen Kundschaft von Prag aus in beide Richtungen fahren: in den Süden nach Štěchovice, wo im Moldautal 19 Meter hohe Schwemmkammern errichtet wurden, und in den Norden bis nach Ústí und Děčín. Der Zweite Weltkrieg aber durchkreuzte diese Pläne. Ein Dampfer wurde erst nach dem Krieg vollendet, die drei anderen wurden zwischen 1938 und 1940 in Betrieb genommen. Sie dienten während der deutschen Okkupation dem Linienverkehr. Die Schifffahrt wurde auch während der gesamten Kriegszeit nicht unterbrochen, darüber hinaus wurden die Schiffe von den Deutschen nicht so streng kontrolliert wie Züge und Bahnhöfe. Deswegen war die Schifffahrt besonders bei Schmugglern beliebt. Auch wer unbemerkt nach Prag gelangen wollte, der war auf dem Schiff relativ sicher.“Vorkriegsdampfer bis heute in Betrieb
Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die Prager Schifffahrtsgesellschaft mehrere Wasserfahrzeuge aus Dresden. Noch im Mai 1945 reisten vier Kommissare aus der Tschechoslowakei nach Sachsen und vereinbarten mit dem sowjetischen Besatzungskommandanten die Übernahme von vier Dampfern. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Dresdner Schifffahrt vor dem Zweiten Weltkrieg mehrheitlich im Besitz der Firma Schicht aus Ústí nad Labem / Aussig gewesen war. Die Nationalsozialisten enteigneten die jüdische Familie aber dann.Die in Dresden erbeuteten Schiffe gibt es heute nicht mehr, sie gingen in den 1960er Jahren zu Schrott. Die einzigen Raddampfer in Prag sind also die beiden, die kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in Betrieb genommen wurden: Vltava und Vyšehrad. Sie wurden in den Originalzustand zurückversetzt und sind heute die Prunkstücke der Prager Dampfschifffahrtsgesellschaft.