Prag im Sommer: Dampferfahrt auf der Moldau in Richtung Süden

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag

Wir haben Sommer und Sonne satt, alles schwitzt. Was also machen in Prag? In einer lockeren Serie stellen wir Ihnen einige Orte vor, abseits der gängigen Touristenwege, an denen es sich auch bei sommerlichen Temperaturen aushalten lässt und wo man sich teils einfach nur vergnügen kann. Den Auftakt bildet eine zünftige Dampferpartie auf der Moldau – Lothar Martin hat sich an Deck begeben.

Dampfer „Vyšehrad“  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er oft auch viel Neues erfahren. Erst recht, wenn er einen Ausflug mit dem Dampfer „Vyšehrad“ der Prager Dampfschifffahrtsgesellschaft (PPS) in die südliche Umgebung der Hauptstadt macht. Denn schon kurz nach dem Ablegen des Schiffes erfährt man von einem Historiker, weshalb Prag gerade hier und nicht woanders entstanden ist:

„Weil das Terrain entlang des Laufs der Moldau zum größten Teil aus engen Tälern und Schluchten besteht, gab es nicht viele Möglichkeiten, den Fluss an einer Furt zu überqueren. Vor der Errichtung der Moldau-Talsperren gab es vielleicht 30 solche Furten, doch nur ein einziger Geländeabschnitt an der Moldau war zum Durchqueren des Flusses überaus gut geeignet: das Prager Becken mit gleich sieben Furten. Dies war dann auch der Hauptgrund dafür, dass die Stadt Prag gerade hier entstanden ist.“

Štěpán Rusňák  (Foto: Archiv von Štěpán Rusňák)
Und von PPS-Direktor Štěpán Rusňák höchstpersönlich bekommt man zu hören, wie eigentlich die Moldau, tschechisch: Vltava, zu ihrem Namen kam:

„Die Moldau war schon immer ein relativ seichter, aber auch wilder Fluss. Der Ursprung ihres Namens geht auf die einst hier siedelnden Kelten zurück. Die Zusammenfügung der Wortstämme ´vlt´und ´ava´ bedeutet im Keltischen nämlich wilder Fluss.“

Auf diesem wilden Fluss wurde über Jahrhunderte vor allem Holz von Südböhmen nach Prag geflößt. Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert brachte es mit sich, dass 1841 das erste Dampfschiff, die „Bohemia“, auf der Moldau fuhr. Dies sei jedoch ein Frachtschiff mit größerem Tiefgang gewesen, das sich für die Moldau als ungeeignet erwies, sagt Rusňák:

Foto: CzechTourism
„Die Wassertiefen auf der Moldau schränken die Schifffahrt ein. Daher ist man früh dazu übergegangen, ziemlich breite Dampfschiffe mit wenig Tiefgang zu bauen. Damit wurde erreicht, dass das Schiff selbst bei einer vollen Besetzung von mehreren hundert Reisenden nur einen Tiefgang von 60 bis 70 Zentimeter hatte.“

Nach und nach wurden etliche dieser Dampfer gebaut, die bis zur Ablösung durch die schnellere Eisenbahn vor allem als Linienschiffe eingesetzt wurden. Danach entpuppte sich der Ausflugsdampfer als große Attraktion, und das vor allem stromaufwärts von Prag in südlicher Richtung, bekräftigt Rusňák:

Štěchovice  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Die Ausflugsfahrten waren ungemein beliebt bei der Prager Bevölkerung. Vor allem die Strecke bis nach Štěchovice, die meines Erachtens durch einen der malerischsten Flussabschnitte der Moldau überhaupt führt. Und auch die heutigen Ausflügler auf unseren Dampfern sind immer wieder erstaunt, dass eine Schiffsfahrt auf diesem Teilstück der Moldau eine Augenweide ist.“

Dafür sorgen die Vorbeifahrten an romantischen Orten wie Zbraslav und Davle, an der Mündung der Sazáva und vieles mehr. Diese Romantik hat auch längst eine Menschengruppe für sich entdeckt, die Rusňák so beschreibt:

Ztracenka  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich eine wilde Pfadfinderbewegung, die sogenannten Tramps, zu etablieren. Es entstanden hier legendäre Hütten-Siedlungen wie Ztracenka – die Siedlung der verlorenen Hoffnung. Auf den Dampfschiffen ertönen wiederholt die Lieder der Tramps, und ihre Fähnchen wehen im Wind. Es macht uns stolz, dass die Dampfschifffahrt zum Phänomen Tramps, das in der Welt seinesgleichen sucht, beigetragen hat.“

Die Tramps sind Wanderer, die querfeldein ziehen und im Freien übernachten. Doch nicht selten spielen sie auch noch heute auf dem Oberdeck des Dampfers „Vyšehrad“ auf.