Mit der Kurbel in vergangene Zeiten: Drehorgelmusik aus Tschechien
In diesen Tagen lebt die Drehorgel wieder in Prag beim alljährlichen Leierkastenfestival. Künstler aus ganz Europa führen dabei ihre Instrumente vor, und entführen ihre Zuschauer dabei in eine längst vergangene Zeit von Romanzen, Stadtlegenden und auch so manchem ungeklärten Todesfall.
Vor allem an der Wende zum vergangenen Jahrhundert war die Drehorgel aus den Großstädten nicht wegzudenken. Vor allem war sie eine schnelle Verdienstmöglichkeit für versehrte Soldaten, Witwen und mittellose Greise. In Böhme nannte man den Leierkasten deswegen auch lange „Trafika“. Die sogenannten Bänkelsänger erzählten in Begleitung ihres Instruments fröhliche, tragische oder romantische Geschichten. Beliebt war immer auch der Moritatensang über die aufsehenerregendsten Kriminalfälle. Doch war die Drehorgel auch immer allein für sich ein Genuss, ganz ohne Gesang und Erzählung.
Der Leierkasten war immer vor allem ein Instrument der Großstädte. Der Austausch zwischen den Bänkelsängern aus London, Paris, Berlin, Wien oder Prag war deshalb immer wichtig. Die tschechischen Drehorgelspieler spielten neben den eigenen besonders auch Kompositionen aus den deutschsprachigen Ländern. So beispielsweise auch das Leierkasten-Ehepaar Šťastný. Miroslav Šťastný war ein immer gern gesehener Gast bei Drehorgeltreffen in Deutschland und Österreich. Zudem ist er bisher der einzige Tscheche, der jemals Mitglied im Club deutscher Drehorgelfreunde war.Seit 2014 findet in Prag eines der mittlerweile wichtigsten Drehorgeltreffen statt, und das unter dem Motto „Die Drehorgel lebt!“ Damit das auch so bleibt, kümmern sich immer noch zahlreichen Enthusiasten liebevoll um die alten Instrumente. Ab und an lassen sie aber auch einen neuen Leierkasten von der Werkbank.