Romanzen, Gerüchte und und auch mal ein Mord: Drehorgelspieler treffen sich in Prag

Foto: Ondřej Tomšů

Bereits zum vierten Mal nehmen Drehorgelspieler aus Tschechien und weiteren Ländern Europas ihre Zuhörer mit in eine längst vergangene Zeit. Wie jedes Jahr in der ersten Augustwoche führen die Leierkastenspieler in diesen Tagen ihre Instrumente vor. Und das an mehreren Orten in Prag. Hier ein paar Eindrücke von der Moldauinsel Kampa.

Foto: Ondřej Tomšů
Romanzen, Klatsch, Tratsch sowie ab und zu ein Mordfall – das alles erzählen derzeit Drehorgelspieler ihren Zuhörern in der Prager Innenstadt. Wie schon in den Jahren davor lautet auch diesmal das Motto: „Die Drehorgel lebt!“. Aber, stimmt das denn überhaupt?

„Natürlich, und es wird auch so bleiben. Drehorgeln werden ja immer noch gebaut und repariert. Zwar nicht mehr in Serie, dafür aber von geschickten Meistern vor allem in Deutschland oder den Niederlanden.“

So viel Optimismus kommt von Marko Lucina. Der Drehorgel-Enthusiast selbst steht an einem holländischen Instrument aus den 1970er Jahren. Und er zeigt mit seinem Repertoire, dass es beim Leierkastenspiel nicht nur um Mord und Totschlag gehen muss:

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„In Wahrheit ist die Drehorgel immer eine fröhliche Angelegenheit. Eigentlich kann man mit der Drehorgel alles Mögliche spielen, wenn man geübt genug ist. Ich habe vor allem niederländische Stücke im Repertoire, manche davon sind natürlich international bekannt. Ich komponiere aber auch selbst und halte mich dabei an den Ragtime der 1930er Jahre.“

Die Musik aus den Leierkästen lockt natürlich viele Schaulustige an. Und den Zuschauern gefallen die ab und an schrägen Töne und bunten Geschichten. Frau Marešová kommt jedes Jahr unter die Karlsbrücke und schwelgt in Nostalgie für längst vergangene Tage:

„Schön ist das Ganze, eine wundervolle Musik. Die Melodien sind so einfach und leicht verdaulich, leider kennen das viele Menschen gar nicht mehr. Mord und Totschlag verbinde ich eigentlich gar nicht mit der Drehorgel, das kommt mir eher anderswo in den Sinn.“

Foto: Ondřej Tomšů
Viele Zuhörer sind auch nur zufällig vorbeigekommen und lauschen aus Neugier der Musik. Zum Beispiel Herr Onni aus Finnland kennt Leierkästen nur vom Hörensagen:

„Die Musik hier mag ich sehr gern. Wir haben so etwas eigentlich nicht bei uns in Finnland, obwohl ich Drehorgelmusik natürlich schon mal gehört habe. Sie macht ganz gute Laune.“

Die meisten ausländischen Künstler kommen beim Prager Drehorgel-Festival aus den deutschsprachigen Ländern, so auch Christian Wittmann aus Österreich. Gibt es Unterschiede zwischen dem tschechischen, englischen oder österreichischen Drehorgelspiel?

„In Österreich gibt es die besondere Tradition des ‚eckig Drehens‘, weshalb man in Wien zum Leierkasten auch ‚Werkel‘ sagt. Da gibt es eine spezielle Art, die Kurbel zu drehen, und zwar im Taktrhythmus eher unregelmäßig. Da hebt man mit seiner Musik in gewisser Weise den Walzertakt hervor.“