„Mit Hilfe von Gedichten kommunizieren“ - Tomáš Kafka beim Prague Writers' Festival
„Manche mögen´s heiß“: Unter diesem Motto beginnt am Samstag das 21. Prague Writers' Festival, eines der meistbeachteten Literaturfestivals in Europa. Erneut sind Autoren aus der ganzen Welt dabei, unter anderen der karibische Nobelpreisträger Derek Walcott und der amerikanische Schriftsteller Don DeLillo. Einer der Teilnehmer ist auch Tomáš Kafka, heute tschechischer Botschafter in Dublin, aber auch Übersetzer deutscher Prosa und Lyrik. Als Autor glossiert er in kurzgefassten und pointierten Gedichten überwiegend das aktuelle Geschehen. Zum Auftakt des Festivals hat Radio Prag Tomáš Kafka vor das Mikrophon gebeten.
„Für mich ist es jetzt interessant, den Kalten Krieg als eine zwiespältige Periode zu erfassen oder zu reflektieren. Als wir mittendrin waren, haben wir ihn gehasst. Wir glaubten, das ist so etwas wie eine etwas kältere Hölle, aber doch eine Hölle. Und gerade jetzt macht diese Konfusion, die wir in der Gegenwart erleben, die Geschichte, den Kalten Krieg sogar ein bisschen attraktiv oder interessant. Der Kalte Krieg hat auf einmal auch etwas Groteskes an sich. Und mein Zugang dazu war, dass ich mir dachte, jetzt ist vielleicht die Zeit, den Kalten Krieg etwas zu enthüllen, was damals für normale Menschen wie mich eine Herausforderung war. Die Frage ist, ob wir uns als Bestandteil des Konflikts verstanden haben oder nur als Zaungäste? Und wenn man ein Zaungast war, war es beschämend?“
Haben Sie sich schon damals solche Gedanken gemacht oder erst heute im Rückblick, in der Reflexion?„Ich war damals ziemlich jung und auch romantisch, in dem Sinne, dass ich mir viele Vorwürfe machte. Als ich 18 oder 20 war, schämte ich mich dafür, dass ich wenig engagiert bin. Aber ich war mir nicht sicher, ob es nicht zu riskant wäre oder ob ich meinen eventuellen Einsatz überhaupt verantworten könnte. Aber vielleicht ziemlich wichtig ist, dass der Kalte Krieg ziemlich gut ausgegangen ist. Das Happy End 1989, wenigstens in Europa, ließ auf einmal alles in einem viel milderen Lichte erscheinen. Und da ist es interessant, auch dieses Happy End zu diskutieren und ebenso darüber zu sprechen, wie ein Happy End unsere Wahrnehmungen auf einmal abrupt verändern kann.“
Ich würde jetzt zu Ihrem anderen Engagement beim Schriftstellerfestival übergehen, und zwar zum eigentlichen literarischen Auftritt. Womit kommen Sie nach Prag? Höchstwahrscheinlich mit Gedichten; handelt es sich aber um Gedichte aus der jüngsten Zeit oder um Verse, die bereits publiziert worden sind?„Es ist für mich ein bisschen absurd, denn ich habe schon lange Zeit nichts mehr veröffentlicht. Dadurch, dass ich jetzt die letzten zweieinhalb Jahre in Irland lebe, habe ich versucht, ein bisschen chameleonartig auch die Sprache zu ändern, und habe ziemlich dreist angefangen, eine Art von Tagebuchgedichten auf Englisch zu schreiben. Ich war in meiner Auffassung vielmehr ein Dichter, der mit der Hilfe von Gedichten mit seinen Freunden in Irland oder in Tschechien kommunizierte. Mit den Freunden, die es interessant fanden oder es als eine Chance verstanden, mir direkt auch eine Antwort zu schicken. Es war quasi ein Spiel. Und jetzt auf einmal fanden es die Organisatoren interessant, und haben mich eingeladen, diese Gedichte in Englisch, oder noch lieber auf Tschechisch vorzustellen. Nur, diese Gedichte existierten lediglich auf Englisch. Deshalb musste ich sie übersetzen lassen; unglücklicherweise hat sich niemand bereit gefunden, es für mich zu tun. Ich musste es schließlich selbst tun und das war für mich wiederum eine völlig neue Erfahrung. Jetzt musste ich mich selbst hinterfragen, ob das, was ich auf Englisch geschrieben habe, ob es wirklich Sinn macht, ob es sich auch in einer anderen Sprache sagen lässt. Und das war für mich eine spannende Geschichte.“
Das ganze Gespräch mit dem tschechischen Dichter, Übersetzer und Diplomaten hören Sie im Kultursalon in einer Woche.