Mit Robin Hood im Krumauer Schlossgarten: 50 Jahre Bühne mit drehbarem Zuschauerraum

Dana Verzichová als Marianne (Foto: www.otacivehlediste.cz)

„Perle an der Moldau“ wird Český Krumlov / Krumau genannt. Seit über 15 Jahren sind der Stadtkern sowie das Burg- und Schlossareal in der Weltkulturerbeliste der Unesco. In der heutigen Ausgabe der Sendereihe „Reiseland Tschechien“ werden wir Ihnen jedoch keines der zahlreichen historischen Baudenkmäler von Krumau, sondern eine eher eine technische Sehenswürdigkeit vorstellen. Den Denkmalschutzexperten ist sie eher ein Dorn im Auge, die meisten Bewohner von Krumau sowie zahlreiche Theaterliebhaber bewundern sie: Die Bühne mit dem drehbaren Zuschauerraum, die vor einem halben Jahrhundert konstruiert wurde.

Kurz nach 20 Uhr wimmelt es am Tag der Generalprobe im Krumauer Schlosspark vor Leuten: Unter den alten Bäumen stehen die Kulissen einer mittelalterlichen Festung, davor wird noch das letzte Mal die Eroberung der Burg geprobt. Etwa 40 Leute in Harnischen und in mehr oder weniger prunkvollen Kostümen üben die Begegnung mit den frechen Truppen des Sheriffs von Nottingham. Die Regie für die Kampfszenen in der neuen Inszenierung von Robin Hood hat Petr Nůsek, ein Stuntman und historischer Fechter übernommen. Nůsek hat bei vielen ausländischen historischen Filmen als Berater mitgewirkt.

„Diese Arbeit bei einer Open-Air-Vorstellung ist etwas zwischen Film- und Theaterarbeit. Die Natur, die Bäume, das feuchte Gras und das Wetter beeinflussen das Geschehen auf der Bühne. Für mich ist es aber nicht die erste Zusammenarbeit mit dem Südböhmischen Theater aus Budweis. Vor einigen Jahren habe ich mich mit meinen Mitarbeitern an der äußerst erfolgreichen Inszenierung der ´Drei Musketiere´ beteiligt. Zu dieser Krumauer Bühne hier habe ich aber eine besonders enge Beziehung. Denn mit dem historischen Fechten habe ich in der Krumauer Gruppe ´Krumlovští Petrovští´angefangen, und wir waren 1994 dabei, als der jetzige drehbare Zuschauerraum in Betrieb gesetzt wurde. Unsere Fechter-Vorstellung war die überhaupt erste Vorstellung, die auf dieser Bühne aufgeführt wurde.“

Petr Nůsek
Die Robin Hood-Legende hat Regisseur Martin Glaser mit seiner Kollegin Olga Šubrtová für die Krumauer Bühne bearbeitet und mit den Schauspielern vom Südböhmischen Theater aus Budweis einstudiert. Petr Nůsek findet für die Schauspieler nur lobende Worte:

„Ich arbeite hier mit phantastischen Schauspielern, die mich mit ihrem Enthusiasmus überrascht haben. Sie haben die Kampfszenen sehr gut bewältigt. Das, was hier vorgeführt wird, ist eher Stuntmanarbeit als historisches Fechten. Von meinem Team sind drei professionelle Stuntmen bei jeder Vorstellung mit dabei, die hier brennen und sich von den Bäumen abseilen.“

Die Darstellerin der Marianne, Dana Verzichová, ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch eine gute Fechterin. Der Schlosspark hat ihren Worten zufolge eine eigene Atmosphäre. Dank des drehbaren Zuschauerraums kann das Publikum sehr schnell von einer Szene in eine andere übergehen, sagt sie:

„Der Zuschauer nimmt die Vorstellung wie einen Film wahr. Die Szenen wechseln sich sehr schnell ab. Wenn der Zuschauer die Möglichkeit hätte, das Theaterstück auch von der anderen Seite – nämlich von hinten – zu beobachten, würde er sehen, wie oft sich die Schauspieler schnell umziehen und zu einem anderen Ort eilen müssen. Wir müssen uns konzentrieren und das Stück genau kennen, um rechtzeitig am richtigen Ort zu stehen. Denn sonst könnte es passieren, dass sich der Zuschauerraum an uns vorbei drehen würde. Das habe ich aber nur bei den Proben erlebt, aus dem Grund wird alles gut geprobt.“

Wenn es dunkel wird, kann die Vorstellung unter dem Sternenhimmel beginnen. In der Finsternis ist auch der Zuschauerraum kaum zu sehen, der den Denkmalschutzexperten mit Recht nicht gefällt. Auf die Idee der drehbaren Zuschauertribüne kam der Theaterarchitekt und Bühnenbildner Joan Brehms, der im Südböhmischen Theater in České Budějovice / Budweis arbeitete. Vor 50 Jahren setzte er den Gedanken in die Tat um. Am 9. Juni 1958 wurde mit Weisenborns Drama „Das verlorene Gesicht“ die Open-Air-Bühne feierlich eröffnet. Der erste drehbare Zuschauerraum, der von Joan Brehms in Zusammenarbeit mit dem Regisseur des Südböhmischen Theaters Otto Haas entworfen wurde, war viel kleiner als der heutige Zuschauerraum. Die für 60 Zuschauer bestimmte Tribüne war aus Holz und wurde von Menschenkraft betrieben, erzählt der Direktor des Südböhmischen Theaters, Jiří Šesták.

„Aber schon ein Jahr später baute Joan Brehms mit seinen Mitarbeitern einen neuen Zuschauerraum für 400 Besucher. Auch dieser drehbare Raum wurde von Menschenkraft betrieben, konkret wurden damals Soldaten von einer in der Nähe stationierten Garnison als Helfer eingesetzt. Dies war, meine ich, eine der Ausnahmen, wo das Sprichwort: ´Inter arma silent musae´ nicht galt - Wenn Waffen sprechen, schweigen die Musen. Denn als hier die Musen sprachen, mussten die Waffen schweigen, denn die Soldaten waren damit beschäftigt, die Zuschauertribüne zu drehen und hatten keine militärischen Pflichten.“

Die neue Bühne wurde mit dem in Tschechien beliebten historischen Stück „Lucerna“ (Laterne) von Alois Jirásek eröffnet. Seit 1960 wird die drehbare Tribüne mit einem Elektromotor betrieben. In den sechziger Jahren waren die Theaterregisseure vor allem bemüht, den Schlosspark als eine Filmkulisse zu nutzen. Damals wurde der Park noch nicht viel besucht, und so hatten die Theaterleute etwas freiere Hand bei der Arbeit im Park als es heute der Fall ist. Der Zuschauerraum wurde später noch erweitert, zusammen mit den Stehplätzen hatte er eine Kapazität von bis zu 1000 Plätzen. Dabei wog er nur fast ein Zehntel dessen, was der jetzige Zuschauerraum wiegt. Das hohe Gewicht von 650 Tonnen ist einer der Nachteile der bestehenden drehbaren Zuschauertribüne, sagt Theaterdirektor Šesták.

„Der bestehende drehbare Zuschauerraum wurde 1993 gebaut und ein Jahr später in Betrieb gesetzt. Seine Kapazität beträgt 650 Plätze. Die Tribüne hat natürlich einen großen ästhetischen Nachteil. Seit Jahren wird ein Kampf für sowie gegen das weitere Bestehen des Zuschauerraums im Schlosspark geführt. Die Vorstellungen sind aber ausverkauft, viele Besucher aus dem Ausland kommen eben wegen der einzigartigen Atmosphäre dieses Theaters nach Krumau. Zudem kommen zu den Open-Air-Vorstellungen auch viele Leute aus der Region, die sonst kaum ins Theater gehen. Aber durch das Erlebnis von der Bühne im Schlosspark werden sie vom Theater angezogen und besuchen dann beispielsweise auch die Inszenierungen im Theaterhaus in Budweis. Für die Denkmalschutzexperten ist die Platzierung der Bühne inmitten des historischen Gartens und in der unmittelbaren Nähe des Lustschlosses Bellaria untragbar. Es ist klar, dass in der Zukunft der Zuschauerraum im Park nicht bleiben kann. Aber wir als Theaterleute wären froh, wenn die Zuschauertribüne, solange sie funktionsfähig ist, noch dort bleiben könnte. Ich schätze für ungefähr noch zehn Jahre. Dies wäre auch für uns günstig – wir könnten das Theaterrepertoire langfristig planen.“

Eine Open-Air-Bühne mit einem drehbaren Zuschauerraum gibt es, so der Theaterleiter, neben Krumau noch im finnischen Tampere. Die Krumauer Bühne ist jedoch die einzige auf der Welt, an der Vorstellungen erst am späten Abend – also unter Sternenhimmel – stattfinden. In Tampere wird im Unterschied vom Krumauer Theater während der ganzen Sommersaison nur ein einziges Stück aufgeführt, das nach den Motiven einer populären finnischen Fernsehserie entstanden ist.

In Krumau steht in dieser Saison nicht nur die Neuinszenierung von Robin Hood an. Das Schauspielensemble aus Budweis wird zudem die „Drei Musketiere“ und Goldonis „Diener zweier Herren“ aufführen. In Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“ werden sich drei Solisten der Metropolitan Opera aus New York vorstellen. In Dvořáks „Rusalka“ wird die bekannte tschechische Sopranistin Eva Urbanová die Titelrolle singen. Und schließlich stehen noch Vorstellungen des „Zigeunerbarons“ von Johann Strauß auf dem Programm. Das Marionettentheater aus Budweis bereitet vor allem für die jüngsten Zuschauer eine Action-Komödie mit dem Titel „Die Reise um die Welt“ vor. Mehr über das Theaterprogramm erfahren Sie auf der Webseite www.otacivehlediste.cz .