Mit tschechoslowakischem Pass am 9. November ’89 über die innerberliner Grenze
Am Montag wurde in Prag richtig gefeiert. Die deutsche Botschaft und das Goethe-Institut in Prag hatten dazu eingeladen, den Fall der Berliner Mauer parallel zu den Feierlichkeiten am Brandenburger Tor in Berlin zu begießen. Aber der Fall der Berliner Mauer ist nicht nur ein wichtiges Ereignis für die in Prag lebenden Deutschen, sondern auch für die Tschechen. So auch für Zdeněk Kolář. Er hat Iris Riedel seinen ganz persönlichen 9. November 1989 beschrieben.
Am 9. November 1989 hatte Zdeněk Kolář einfach den richtigen Riecher. Er und seine Frau warfen das Wichtigste an Gepäck in ihren Škoda und tuckerten nach Berlin.
„Wir haben natürlich in Prag die Situation verfolgt, weil sich ja hier in der westdeutschen Botschaft die Flüchtlinge aus der DDR gesammelt hatten. Die hatten ihre Trabants und Wartburgs hier stehen gelassen und da haben wir natürlich gewusst, dass etwas Außergewöhnliches vor sich geht. Wir haben auch verschiedene Sender des Auslandsfunks gehört, aber an den eigentlichen Impuls kann nicht nicht mehr erinnern, warum wir am 9. November früh am Morgen die Koffer gepackt und einen Ausflug nach Berlin unternommen haben.“
In Berlin angekommen gingen sie die gewohnten Wege, die sie von ihren früheren Besuchen in Ostberlin kannten: Unter den Linden, Brandenburger Tor und ein Blick auf die Mauer gehörten immer dazu.
„Auf der anderen Seite gab es solche Rampen, von denen die Westberliner über die Mauer in die DDR schauen konnten wie in einen Zoo. Aber von unserer Seite durfte man nie direkt zur Mauer hin, da war eine Sperrzone,“ erzählt Kolář.
Während Kolář mit seiner Frau an der Mauer entlangspazierte, musste etwas passiert sein, denn plötzlich kamen immer mehr Menschen. Schließlich war das Ehepaar von einer Menge umgeben, die auf eine Grenzöffnung drängte. Zdeněk Kolář:„Natürlich hatten wir alle Angst, denn dort standen bewaffnete Soldaten und wir wussten nicht, ob etwas passieren würde. Also hat sich die Menge langsam immer weiter hin zur Mauer geschoben, als würde man in der Fleischerei Schlange stehen. Die bewaffneten Soldaten schauten uns an und wir die Soldaten. Wir rückten immer näher, bis wir endlich an der Mauer standen.“
Und auf einmal nahmen die Soldaten die Schlagbäume weg, ein paar Schritte und man stand auf der anderen Seite der Grenze. Eigentlich galt die Erlaubnis zum Grenzübertritt aber nur für DDR-Bürger, nicht für Tschechoslowaken, wie Zdeněk Kolář einer war.
„Die DDR-Bürger haben ihre Pässe hochgehalten, aber wir sind einfach von der Menge über die Grenze geschoben worden. Wir hatten eher Angst, dass wir nicht mehr zurück können. Aber als wir ein bisschen in Westberlin herumspaziert waren und zurück zum Grenzübergang Brandenburger Tor kamen, sahen wir dass die Leute schon anfingen, die Mauer auseinanderzunehmen.“Die Kolářs konnten es zunächst nicht glauben. So haben sie sich am nächsten Tag noch einmal mit einem Besuch in Westberlin von der neuen Freiheit überzeugt. Eine Freiheit, die sich die Menschen in der Tschechoslowakei erst noch erkämpfen mussten. Und das taten sie bereits acht Tage später…