Mit Verkehrsstreik und Demo gegen Regierungsreformen – Gewerkschafter zeigen Macht

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Tschechien steht am Donnerstag im Zeichen des Streiks. Die Gewerkschafter im Verkehrswesen haben auf ihre Pläne nicht verzichtet. Ab Mitternacht wurde im ganzen Land der Bahnverkehr eingestellt, in vielen Städten läuft zudem der öffentliche Nahverkehr nur im Notbetrieb. In Prag steht auch zum ersten Mal die U-Bahn komplett still. Am Donnerstagvormittag brachen zudem die Gewerkschafter in der tschechischen Hauptstadt zu einem Protestmarsch auf.

Protestdemonstration der Gewerkschafter  (Foto: ČTK)
Pfiffe und Sirenen waren am Donnerstagmorgen unweit des Prager Pavlov-Platzes zu hören. Die Protestdemonstration der Gewerkschafter begann nahe der Prager Hauptverkehrsader – der so genannten „Magistrale“. Der Umzug begab sich zuerst in Richtung Gesundheitsministerium. Die Demonstranten trugen Fahnen der verschiedenen Gewerkschaftsverbände und Transparente, mit denen sie auf die Verschwendung von Staatsgeldern in Millionenhöhe aufmerksam machten.

Bohumír Dufek  (Foto: ČTK)
„Wir sind jetzt da“, skandierten die Demonstranten vor dem Gesundheitsministerium. Der Chef des Verbandes selbständiger Gewerkschaften, Bohumír Dufek, ergriff als erster das Wort und wandte sich mit scharfer Kritik gegen die liberal-konservative Regierung von Premier Nečas:

„Sie versucht uns zu unterstellen, dass wir gegen sämtliche Reformen seien. Das stimmt nicht. Wir sind für Reformen, aber für solche Reformen, die auch für die ärmsten Bürger der Tschechischen Republik tragbar sind.“

Luboš Pomajbík  (Foto: ČTK)
Dufek zufolge mangelt es dem Staat wegen Korruption und Betrugs in großem Stil am nötigen Geld für eine wirkliche Rentenreform. Ähnlich äußerte sich auch ein weiterer Gewerkschaftschef: Luboš Pomajbík, der die Verkehrsgewerkschaft leitet, warf dem Kabinett Mangel an Bereitschaft zum sozialen Dialog vor:

„Die Regierung will nicht über konkrete Vorschläge der Gewerkschaften verhandeln, die auch die Interessen der Mittelschicht und aller Arbeitnehmer verteidigen. Diese Republik gehört nicht den Politikern, sondern den zehn Millionen Bürgern, zu denen auch Arbeitslose, Kranke und Senioren gehören. Auf diese Leute werden sich die Regierungsreformen negativ auswirken.“

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Die Gewerkschafter werden auch von der Bürgerinitiative „ProAlt“ unterstützt, die einen Politikwechsel in Tschechien fordert. ProAlt-Sprecher Pavel Čižinský:

„Die Initiative ProAlt meint, dass die Reformen dieses Kabinetts wirklich destruktiv sind und zum Abbau des Sozialstaates beitragen. Sie werden nur zu größeren sozialen Unterschieden führen. Aus ökonomischer Sicht sind diese Reformen nicht begründet und werden nicht zur Reduzierung des Haushaltsdefizits führen. Sie schaffen nur neue Gelegenheiten für Unternehmer und Businessleute.“

Protestdemonstration der Gewerkschafter vor dem Finanzministerium  (Foto: ČTK)
Die Protestkundgebung zog danach in Richtung Finanzministerium und Regierungsamt. Mit dem bisherigen Streikverlauf zeigten sich die Gewerkschafter zufrieden. Sie machten darauf aufmerksam, dass ihr Protest von etwa 70 Prozent der Bürger unterstützt wird, auch wenn an der Demonstration in Prag der Polizei zufolge nur rund 1000 Menschen teilnahmen.

Die hohe Zustimmung haben in der letzten Tagen auch die Umfragen bestätigt. Im Tschechischen Fernsehen fand die Politikwissenschaftlerin Vladimíra Dvořáková am Donnerstag eine Erklärung für die Unterstützung durch die Öffentlichkeit:

Vladimíra Dvořáková  (Foto: ČT24)
„Kann sein, dass sich die Bürger mit den Forderungen der Gewerkschaften nicht vollständig identifizieren. Sie sind aber ein Jahr nach den Parlamentswahlen erschrocken, weil sie Zeugen eines absurden Theaters sind, das das Kabinett vorführt. Diese 60 bis 70 Prozent der tschechischen Bevölkerung, die den Protest unterstützen, haben vielleicht unterschiedliche Vorstellungen über die Reformen. Sie sind aber damit unzufrieden, wie die Regierung arbeitet. In einem Moment, in dem viele Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen oder Probleme mit der Rückzahlung von Hypotheken haben, streitet die Regierung darum, wer wen bestochen hatte. Sie verachtet die Menschen.“