Verkehrsgewerkschaften blasen Streik vorerst ab

Der Streik. Das war in der jüngsten Zeit wohl das am häufigsten benutzte Wort im Vokabular der tschechischen Medien. Einen Monat lang hielten die Gewerkschaftsverbände für Verkehr das ganze Land in Spannung, wann und ob sie in den Ausstand treten. Der anvisierte Termin Montag dieser Woche wurde abgesagt und der Streik auf diesen Donnerstag verschoben. Doch auch dieser Termin wurde im letzten Moment abgesagt. Mit einem Streik im tschechischen Personennahverkehr drohen die Gewerkschaften jedoch auch weiterhin.

Über 1000 Züge sollten am Donnerstagmorgen zwischen 4 und 9 Uhr ihre Depots nicht verlassen oder auf den Schienen still stehen. Der Auslöser der Streikdrohung war die seit Jahresbeginn geltende Erhöhung der Besteuerung von einigen Angestelltenvergünstigungen. Die Gewerkschafter der Verkehrsbranche wollten sich damit nicht abfinden und verlangten eine Gesetzesänderung. Diese hat die Regierung angesichts des drohenden Streiks auch in einer Gesetzesnovelle vorgeschlagen, und schuf damit Zankapfel für die Parlamentsparteien. Nichtsdestotrotz wurde die Regierungsnovelle zum Mehrwertsteuer am Dienstag dieser Woche im Abgeordnetenhaus von den linken Parteien gebilligt. Am Freitag muss darüber nun der Senat entscheiden. Die letzte Instanz, der Präsident, hat bereits angekündigt, ein Veto einzulegen. In diesem Fall kehrt die Novelle ins Abgeordnetenhaus zurück. Am Mittwoch war allerdings ein Aufatmen möglich.

Jaroslav Pejša
Angesichts des bisher positiv verlaufenden Legislativprozesses habe die Koalition der Gewerkschaftsverbände für Verkehr beschlossen, den geplanten Streik am 4. März nicht auszurufen. Das verkündete der Chef der Eisenbahnergewerkschaft, Jaroslav Pejša, nur 15 Stunden vor dem vorgesehenen Streikbeginn. Damit ist aber der Streik nicht definitiv abgewandt, wie der Vorsitzende der Lokführerföderation, Jindřich Hlas, vor laufenden Kameras angedeutet hat:

„Unsere Streikausschüsse haben ihre Tätigkeit noch nicht beendet. Das haben wir ihnen klipp und klar gesagt. Wir wollen jetzt den legislativen Prozess mitverfolgen und entsprechend dem Ergebnis Stellung nehmen.“

Die Gewerkschaften haben mit der Absage des Streiks aber vorerst die Bedingung der Christdemokraten (KDU-ČSL) erfüllt. Deren Abgeordneten wollen die Billigung der entsprechenden Gesetzesnovelle bei der erneuten Abstimmung mit ihren Stimmen ermöglichen. Denn wenn der Senat oder der Staatspräsident die Regierungsnovelle ablehnen – und das gilt als wahrscheinlich – gelangt das Dokument wieder zur Abstimmung ins Abgeordnetenhaus. Ohne die Christdemokraten ist die erforderliche Mehrheit für eine Überstimmung eines möglichen Vetos von Präsident Klaus nicht zu erreichen. Die christdemokratische Vizevorsitzende, Michaela Šojdrová, äußerte am Mittwoch Verständnis für das Vorgehen der Gewerkschaften:

„Den Gewerkschaften geht es doch um das Gesetz und nicht darum, um jeden Preis zu streiken. Ich glaube, die Gewerkschaften müssen auch ihr Ansehen in der Öffentlichkeit wahren, und mit dem Ziel streiken, das Gesetz durchzusetzen.“

Zufrieden mit der Entwicklung zeigten sich die Sozialdemokraten (ČSSD), die am Dienstag gemeinsam mit den Kommunisten (KSČM) den Gesetzesvorschlag mit der einfachen Stimmenmehrheit durchsetzen konnten. Milan Urban, Vizevorsitzender der ČSSD:

„Ich bin mir sicher, dass wir diesen Gesetzesentwurf noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen werden. Wir werden entweder den Senat oder den Präsidenten überstimmen. Wir haben uns schon immer für den Erhalt der Vergünstigungen eingesetzt und setzen uns auch weiterhin dafür ein.“

Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Ihre Position ändern auch die konservativ orientierten Parteien ODS und TOP 09 nicht. Ebenso wie bei der Abstimmung im Abgeordnetenhaus wollen sie auch am Freitag im Senat gegen die Gesetzesvorlage votieren. Der Vorsitzende der ODS, Mirek Topolánek:

„Wir bestehen seit geraumer Zeit darauf, dass die Angelegenheit eine systematische Regelung und lassen uns vor der anstehenden Parlamentswahl nicht erpressen. Unsere Position bleibt unverändert.“

Die Gewerkschaften werden wohl das Ergebnis der wahrscheinlichen zweiten Abstimmung im Abgeordnetenhaus abwarten. Dann entscheidet sich, ob es zum Streik im ÖPNV kommen wird.