Vom Kreuzer zum Online-Banking: 200 Jahre Sparkasse in Böhmen
Die Tschechen sind eher ein sparsames Volk – so wie auch die Deutschen. Die institutionelle Grundlage dafür wurde vor genau 200 Jahren gelegt. Da eröffnete nämlich die Böhmische Sparkasse ihre Schalter.
Am 12. Februar 1825 wurde die Böhmische Sparkasse gegründet – der Vorläufer der heutigen Česká spořitelná respektive Tschechischen Sparkasse. Das Datum war bewusst gewählt, denn damals feierte der österreichische Kaiser Franz I. seinen Geburtstag. Die Idee der Sparkasse war, dass breite Schichten sich etwas zurücklegen sollten.
„Früher bewahrten die Menschen ihr Geld in der Truhe auf. Manche ließen es auch beim Bauern, in dessen Dienst sie standen, oder beim Pfarrer. Doch die Bauern rückten das Geld nicht immer in dem Moment wieder heraus, wenn die Besitzer es wiederhaben wollten. Außerdem wurde es ohne Zinsen aufbewahrt“, so Pavel Juřík. Der Bankmanager ist Autor eines Standardwerks über die Entwicklung des Bankenwesens in den Böhmischen Ländern.
Die Böhmische Sparkasse entstand als fünfter Ableger der „Ersten oesterreichischen Spar-Casse“, die 1819 in Wien eröffnet worden war. In deren Statuten stand unter anderem:
„[Sie hat] den Zweck […] dem Fabrikarbeiter, dem Landmanne, oder sonst einer gewerbefleißigen und sparsamen minderjährigen oder großjährigen Person, die Mittel an die Hand zu geben, von ihrem mühsamen Erwerbe von Zeit zu Zeit ein kleines Capital zurückzulegen, um solches in späteren Tagen zur Begründung einer besseren Versorgung, zur Aussteuer, zur Aushülfe in Krankheit, im Alter oder zur Erreichung irgendeines löblichen Zwecks zu verwenden.“
Gründer der Böhmischen Sparkasse waren Großhändler und Adlige. Sie wollten dem Rest der Bevölkerung beibringen, wie man verantwortungsvoll mit Geld umgeht. Ganz allgemein sollte der Lebensstandard auch in diesem Teil der österreichischen Monarchie angehoben werden. Experte Juřík:
„Die Kasse nahm von den Sparern Einlagen in der Höhe zwischen 30 Kreuzern und 100 Talern an. Für ihr Geld bekamen die Leute vier Prozent Zinsen.“
30 Kreuzer entsprachen damals einem halben Taler. Das war der Preis eines Huhns. Für 100 Taler bekam man drei Kühe oder konnte einen Knecht für ein Jahr lang anstellen. Und Pavel Juřík ergänzt, dass ein Taler die Kaufkraft von etwa 2000 heutigen tschechischen Kronen hatte, also 80 Euro.
„Die Einlage in der Bandbreite von 30 Kreuzern bis 100 Taler war deswegen so gewählt, weil die Sparkasse ihre Dienste einer niedrigen und mittleren Schicht an Kunden anbot“, sagt der Bankmanager.
Sitz der Kasse war zunächst das Palais Thun unterhalb der Prager Burg, in dem damals der Böhmische Landtag saß und heute das tschechische Abgeordnetenhaus angesiedelt ist. 1825 betrugen die gesamten Einlagen dort rund 124.000 Taler. Ein Vierteljahrhundert später – also 1850 – lag die Summe aber schon bei 16 Millionen Talern. Denn nach und nach begannen auch reichere Bürger, ihre Ersparnisse in dieses Bankhaus zu tragen. Und die Beschränkung für die Höhe der Einlagen wurde aufgehoben.
In den 1840er Jahren wurden dann die gesetzlichen Grundlagen geschaffen für die Eröffnung von Gemeinde-Sparkassen. So etwa auch für die Prager Städtische Sparkasse, die 1875 entstand.
Zu Zeiten der Ersten Tschechoslowakischen Republik halfen die Sparkassen zum Beispiel dabei, die Wohnungsnot zu lindern. Rund 60 Prozent ihrer Kredite flossen in den Bau von Häusern. In der Zwischenkriegszeit schwappte aus den USA auch die Welle der Spardosen hinüber. Filip Hrubý ist Sprecher der heutigen Česká spořitelná und erläutert:
„Das Prinzip der Sparbüchsen war einfach. Zusammen mit ihr erhielt der Kunde ein Sparbuch. In die Büchse warf er Münzen und Geldscheine, die er erspart hatte. Und nach einem halben oder ganzen Jahr ging der Kunde wieder in die Sparkasse. Dort öffnete der Mitarbeiter die Dose, weil nur er einen Schlüssel für diese besaß. Und wenn zu erkennen war, dass die Dose nicht beschädigt war, schrieb er dem Kunden die Geldsumme, die sich dort angesammelt hatte, auf dem Sparbuch gut.“
Zu kommunistischen Zeiten wurden praktisch alle anderen Bankhäuser unter dem Dach der Tschechischen Staatlichen Sparkasse (Česká státní spořitelná) vereint. Erst im Jahr 2000 wurde die Česká spořitelná privatisiert. Dabei kehrte sie praktisch zu ihren Anfängen zurück, denn sie wurde Teil der österreichischen Erste Bank AG.
Im Jahr 2022 sparten die Menschen in Tschechien übrigens im Schnitt 18,2 Prozent ihres Einkommens. Innerhalb der EU wird das nur noch in Deutschland übertroffen, wo die Sparquote bei fast 20 Prozent liegt. Aber heute wird natürlich keine Sparbüchse mehr verwendet, stattdessen gibt es Online-Banking.