Modrá: eine großmährische Siedlung

Wie bereits vor einem Monat werden wir uns auch in der heutigen Ausgabe von "Reiseland Tschechien" noch einmal in das Großmährische Reich versetzen, d.h. auf das Gebiet des heutigen Mähren und der Slowakei und in die frühslawische Zeit. Noch einmal besuchen wir das Archäologische Freilichtmuseum Modrá, das im Sommer in der Nähe von Velehrad in Südmähren eröffnet wurde.

Das Archäologische Freilichtmuseum Modrá erstreckt sich auf einem Grundstück, das in der Vorzeit tatsächlich besiedelt war. In der Nähe der frühchristlichen St. Johann Kirche lag einst eine großmährische Siedlung, die nun auf Grund der Funde aus mehreren Orten Mährens rekonstruiert wurde. Gleichzeitig verläuft dort weiterhin eine archäologische Forschung und bei den Ausgrabungen werden immer wieder neue Relikte entdeckt. Das Museum wird in vier Themenbereiche geteilt: die Macht, das Handwerk, Wohnen und Wirtschaften sowie die Kirche. Unser Begleiter war letztes Mal einer der Initiatoren des Freilichtmuseums, der Archäologe vom Mährischen Landesmuseum in Brno/Brünn, Ludek Galuska. Während er uns bei unserem ersten Besuch einzelne Bereiche und Gebäude gezeigt hat, erzählt er heute vor allem darüber, wie man diese Häuser baute und wie man darin gelebt hat. Wie wir bereits wissen, wohnten die Einwohner damals vor allem in so genannten Erdhütten. Diese wurden aus Holz und Korbgeflecht gebaut und zum Teil in die Erde eingelassen. In eine solche Hütte lassen wir uns nun einladen. Sie wurde einst von einer etwa vierköpfigen Familie bewohnt.

"Dies ist eine kleinere Erdhütte, ihr Ausmaß ist etwa 2,5 mal 2,5 Meter. Die Familie schlief in diesem Bett, alle nebeneinander. Das Bett bestand aus einer niedrigen Holzkonstruktion, auf die Heu und Stroh gelegt wurden, darauf ein Fell. Dann legten sich die Leute und bedeckten sich wieder mit einem Fell."

Aus mehreren ähnlichen Erdhütten bestand ein slawisches Dorf:

"In der frühslawischen Zeit hatte eine Siedlung etwa zehn Wohnhäuser, dazu Speicherkeller und ähnliches. In der Siedlung wohnten etwa fünf Leute pro Haus, das heißt insgesamt an die 50-60 Leute. Ich meine jetzt eine offene Siedlung, kein Machtzentrum. In Burgstätten sah es wohl ein bisschen anders aus. Das sind aber alles nur Schätzungen, weil nur wenige Siedlungen aus dem 6. oder 7. Jahrhundert ausgegraben wurden."

Ein anderer Fall waren die Machtzentren, wo es Dutzende Wohnhäuser gab. Dort lebten wesentlich mehr Einwohner. Herr Galuska schätzt ihre Zahl auf etwa 3000. Kehren wir aber in eine Dorfsiedlung zurück. Wie hat man dort gelebt und gewirtschaftet?

"Man sagt, dass 10 produzierende Menschen einen nichtproduzierenden ernähren mussten. Es wäre falsch, zu glauben, dass hier zehnköpfige Familien lebten. In einem Haus lebten etwa sechs Leute, also zwei Großeltern, die Eltern und zwei Kinder. Mehr konnten sie nicht ernähren. Das Durchschnittsalter erreichte bei Männern 43 bis 45 Jahre und bei Frauen etwa 39."

Eine solche Familie hatte in der Regel eine Wirtschaft, zu der etwa eine Kuh, ein oder zwei Schweine und Ziegen oder Schafe gehörten. Und natürlich Hennen, die waren überall und wurden nicht gezählt.

Die Siedlungen waren verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt, von Seiten der Natur sowie anderer Menschen. Das Gebiet, von dem wir sprechen, liegt im fruchtbaren Tal des Flusses Morava (March). Mit dem Hochwasser, das für uns noch im Jahre 1997 eine große Katastrophe bedeutete, haben unsere Vorfahren allerdings gerechnet:

"Der Fluss March hat natürlich das Leben in der Au beeinflusst und brachte natürlich auch Überflutungen. Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, dass es sich um große vernichtende Überflutungen handelte, die alljährlich die Siedlungen mitgerissen hätten. Die Leute waren keine Dummköpfe und bauten ihre Wohnsitze nicht direkt am Ufer. Sie nutzten meistens eine natürliche Anhöhe im Rahmen der Au, Dünen, Windwehen und ähnliches, die meistens vom Wasser unberührt blieben. Oder bauten sie ihre Siedlungen auf der ersten Terrasse über dem Fluss March, das heißt auf einem fruchtbaren Boden, aber außerhalb des Hochwassergebiets. Die March hatte vom 6. bis zum 10. Jahrhundert das Leben nicht so stark beeinflusst. Die Zeit großer Überflutungen begann erst etwa Mitte des 13. Jahrhunderts."

Beim Aufbau der Wohnungen und Siedlungen musste man aber nicht nur an den Fluss, sondern auch an andere Klimabedingungen denken. Zum Beispiel bei der Wahl des Baumaterials:

"Die Slawen verwendeten zum Bau ihrer Häuser sehr gutes hartes Eichenholz, besonders für die tragenden Konstruktionen. Natürlich nutzten sie auch anderes Material, besonders für das Geflecht der mit Ton verstrichenen Korbwände, aber für die Konstruktionen, wo der Anspruch auf Stabilität und Härte gelegt wurde, wurde Eiche verwendet. Es ist schwer zu sagen, wie lange die Häuser halten konnten. Am empfindlichsten ist der Ort, wo die Pfähle in den Boden eingerammt waren, also die Grenze zwischen dem Teil unter der Rede und dem Teil über der Erde. Dort kam es am häufigsten zu Schäden. Nach einer Untersuchung konnte das Holz 30 bis 40 Jahre halten."

Eine andere Art Gefahr stellte nicht die Natur, sondern die Menschen dar. Auch auf Attacken anderer Völker musste man vorbereitet sein, betont Herr Doktor Galuska.

"Die Frage, wie lange die Siedlungen einer Belagerung und Eroberung widerstehen konnten, ist eher eine Frage der Befestigung, nicht der Qualität des Holzes. Befestigten Siedlungen begegnen wir bereits im 8. Jahrhundert, diese Befestigung hatte aber meiner Meinung nach keine hohe Qualität. Es werden auch keine Kriege aus dieser Zeit belegt. Karl der Große interessierte sich für andere Eroberungen, sein Druck richtete sich gegen Elbslawen und Sachsen sowie nach Westeuropa."

Die Zeit der befestigten großen Burgstätten kam also erst im 9. Jahrhundert:

"Zu dieser Zeit entstehen große, mächtige Befestigungssysteme. Sie haben oft eine Konstruktion aus Holz, Ton und Gestein, und häufig kommt auch eine steinerne Stirnmauer vor, also eine etwa einen Meter breite Steinmauer, an die die Balken der Holzkonstruktionen anschließen. Ihre Höhe konnte etwa 3 bis 4 Meter sein, oft wurde im Vorfeld noch ein Graben angelegt oder ein Fluss genutzt. Die slawischen Befestigungen waren also von einer sehr hohen Qualität."

Vielleicht auch deswegen finden wir in keinen Quellen aus jener Zeit Zeugnisse über Eroberungen mährischer Siedlungen.

"Erst am Ende des Großmährischen Reiches, d.h. etwa in der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts zeigt sich, dass einige Burgstätten besonders im Süden Mährens Spuren von Vernichtung, von Einfällen tragen. Es gibt dort Ascheschichten als Folgen vernichtender Brände und auf diesen Burgstätten finden wir auch eine Häufung von sog. rhombischen Pfeilen, d.h. Pfeile,n die für nomadische Bögen genutzt wurden. Wir sind also mit vernichtenden Attacken der Magyaren konfrontiert. Aber dies betrifft wirklich nur den Süden Mährens."