Motorrad-Weltmarke Jawa – ein tschechischer Exportschlager
Einige Motorradfans werden die Marke „Jawa“ wohl noch kennen. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das entsprechende Unternehmen aus der damaligen Tschechoslowakei zum weltweiten Marktführer. Erst als Maschinen mit elektronischer Schaltung aus Japan, Deutschland und Italien die Vormacht übernahmen, begann der Stern zu verblassen. Aber noch heute werden Jawa-Motorräder produziert. Mehr über die Entwicklung der Firma hören Sie in einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe „Czech made – Erfindungen und Marken aus Böhmen und Mähren“.
Das erste Erfolgsmodell war eine Jawa 250, die nach dem Krieg in Serienfertigung ging. Pérák wurden die damaligen Modelle genannt, auf Deutsch heißt das „Federmann“. Sie hatten eine Geradewegfederung am Hinterrad. Die 250er und die etwas stärkere 350er wurden zum Beispiel auch 1949 auf der Leipziger Frühjahrsmesse vorgestellt. Mit ihnen begann die erfolgreichste Ära des Herstellers.
Gegründet wurde die Firma Jawa allerdings noch vor dem Zweiten Weltkrieg. Und zwar von František Janeček. Der Erfinder und Industrielle besaß in Prag eine Munitions- und Waffenfabrik. 1929 erwarb er die Lizenz für die Herstellung eines Motorrads mit 500 Kubikzentimetern Hubraum – und zwar von der Wanderer-Werke AG in Schönau bei Chemnitz. Das Unternehmen gab damals seine gesamte Produktion auf, die auch Motorräder und Autos umfasste. Der neue Lizenzeigner überlegte dann, wie er seine neue Firma nennen sollte. Aus Janeček und Wanderer machte er die Kurzform „Jawa“.
Das Unternehmen stellte zunächst nicht nur Zweiräder her, sondern auch Autos, wie Jiří Kraft sagt. Er ist Handelsdirektor des Jawa-Museums in Týnec nad Sázavou / Teinitz an der Sasau.
„Das erste Jawa-Automodell wurde in Lizenz gefertigt, es war ein Wagen der deutschen DKW Meisterklasse. Danach begann man Ende der 1930er Jahre mit der Herstellung eines Wagens namens ‚Minor‘. Und dessen Nachfolger nach dem Krieg war der ‚Aero Minor‘.“
Parallel dazu wurden Motorräder zusammengeschraubt. Doch das erste Modell war noch kein Erfolg, weil man von Wanderer keine sehr ausgereifte Konstruktion übernommen hatte. Erst mit Hilfe eines britischen Ingenieurs und weiterer Lizenzen entstanden konkurrenzfähige Maschinen. Anfang der 1930er Jahre waren 90 Prozent aller Motorräder in der damaligen Tschechoslowakei Importware und nur zehn Prozent eigene Produkte. Ende des Jahrzehnts hatte sich das Verhältnis bereits umgekehrt. Und das zum großen Teil dank František Janeček.
Während des Zweiten Weltkriegs nistete sich die deutsche Wehrmacht in den Fabriken des tschechischen Unternehmers ein. Offiziell musste František Janeček nun Kriegsgüter herstellen. Aber heimlich ließ er in den Hallen im Prager Stadtteil Pankrác am ersten Nachkriegs-Motorrad arbeiten. Es war der bereits erwähnte „Federmann“ 250. Als er 1946 herauskam, geriet dies zur Weltsensation: das erste Kraftrad für die breite Masse mit einer Federung beider Räder. Janeček erlebte das alles aber nicht mehr, denn er starb bereits 1941 an den Folgen einer Lungenentzündung.
Heimlich im Krieg geplant
1945 wurde das Unternehmen aufgrund der Beneš-Dekrete verstaatlicht. Für die Motorrad-Produktion blieben das Werk in Prag-Pankrác und in Týnec nad Sázavou. 1954 wurde die dortige Herstellung mit einer Firma im südwestböhmischen Strakonice / Strakonitz zusammengelegt. Die sozialistischen Wirtschaftsplaner wollten die große Serienproduktion anschmeißen. Dazu sagte Jaroslav Antoni, Gründer des Motorradmuseums in Křivoklát, vor einiger Zeit in einer Reportage des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens:
„Das vereinte Unternehmen von Jawa und ČZ Strakonice war der größte Motorradhersteller mindestens in Europa, wenn nicht sogar in der gesamten Welt. Das heißt, das Vorhaben der kommunistischen Führung ging auf. Man nutzte das Fachwissen von Jawa, und so entstanden hervorragende Motorräder.“
In der Fortentwicklung des „Federmanns“ kam die sogenannte „Kývačka“ auf den Markt. Der tschechische Name bedeutet „Hinterradschwinge“. Denn das Motorrad hatte ein neues Fahrgestell, dazu gehörte eine moderne Zweiarm-Hinterradschwinge mit Federbeinen. Die entsprechenden Maschinen wurden zum Exportschlager…
„Im Volksbetrieb Jawa werden die neuen Motorräder mit 250 Kubik montiert, die in die ganze Welt geliefert werden. 80 Prozent der Maschinen sind für den Export gedacht und bringen dem Staat wertvolle Devisen.“, hieß es in einem zeitgenössischen Wochenschaubericht.
Die „Kývačka“ wurde in 112 Länder geliefert. Sie übertraf bei Weitem alle vorherigen Jawa-Modelle, wie Arnošt Nezmeškal vom Technischen Nationalmuseum in Prag weiß:
„Vor dem Krieg haben die tschechoslowakischen Hersteller zusammen insgesamt 20.000 bis 30.000 Motorräder gefertigt. Vom ‚Federmann‘ kamen schätzungsweise 200.000 Stück auf den Markt. Das neue Modell verkaufte sich über eine Million Mal, das war noch einmal eine ganz andere Größenordnung.“
Die „Kývačka“ von 1954 hatte knapp 9 kW, und die angegebene Höchstgeschwindigkeit lag bei 105 Stundenkilometern. Sie war ein Zweitakter. Es gab sie auch in der 350er-Ausführung, zudem wurde eine Jawa 500 gefertigt. Aber nicht nur wirtschaftlich feierte man Erfolge, sondern ebenso im sportlichen Wettkampf. So gelangen den Fahrern auf der Jawa zahlreiche Triumphe bei der Internationalen Sechstagefahrt und in den 1960er Jahren auch Grand-Prix-Siege bei den Läufen zur Motorrad-WM.
Rettender sowjetischer Markt
Allerdings erhielten die Modelle aus den 1950er Jahren keine adäquaten Nachfolger. Deswegen ging die Nachfrage im Ausland zurück, die DDR stellte beispielsweise den Import vollständig ein. Erst ein Handelsabkommen mit der UdSSR sicherte den weiteren Absatz.
Ab 1968 wurde das Design der Jawa-Modelle dann modernisiert. Und erneut wurde im großen Stil ausgeführt, wie eine Rundfunk-Reportage vom Januar 1981 beweist.
„Jawa hat beim Export eine besondere Stellung hierzulande, denn wir führen praktisch die gesamte Produktion auf ausländische Märkte aus. Im vergangenen Jahr war die Sowjetunion der größte Abnehmer, hinzukamen aber auch nicht-sozialistische Länder. Für 1981 haben wir fast die gesamte Produktion schon mit dem Exportunternehmen Motokov vertraglich abgedeckt. Leider bleibt nur eine kleine Anzahl Motorräder für die hiesigen Verbraucher. Denn die Exportvorgaben sind gegenüber dem vergangenen Jahr stark erhöht worden“, so der damalige stellvertretende Verkaufsleiter bei Jawa, Ladislav Žižala.
Weitere große Absatzmärkte neben der Sowjetunion waren Indien und Ägypten. Nach der politischen Wende von 1989 zeigte sich jedoch, dass nicht genügend für die Modernisierung der Maschinen getan worden war. Motorräder mit elektronischer Schaltung aus Japan, Deutschland und Italien hatten die Vormacht übernommen.
1997 kam es zur Neugründung der Firma als Jawa Moto GmbH. Heute läuft die Produktion in deutlich kleinerem Umfang. Dabei hat man auch eine moderne 500er im Programm. Doch weiterhin beliebt sind die klassischen 350er, als Zweitakter dürfen sie wegen der Abgasnormen jedoch nicht in der EU verkauft werden. Der Hauptteil der Produktion geht daher nach Lateinamerika.